SAT SANDESH

Der Pfad der Meister

Sept. /Okt. 1968

 

 

VOM MEISTER

 

Der Meister spricht:

Der Zweck des menschlichen Lebens

Hazoor Baba Sawan Singh Ji zum Ruhme

Auszüge aus ‘Spirituelles Elixier‘

Surat Shabd Yoga (2. Fortsetzung und Schluß)

 

VON ANDEREN VERFASSERN

 

Heil Dir, o Herr der Taverne (Darshan)

Der immerwährende Friede (Jap Ji)

Kommt her zu mir alle (L. Gurney Parrot)

Die Notwendigkeit der Spiritualität (A. Ruthenberg)

Uralte Weisheiten

 

 

HEIL DIR, O HERR DER TAVERNE

 

Dein Ruf hat die schlummernden Zeiten zum Leben erweckt,

Dein Gesang hat die Herzen aller erfreut.

Und alle tanzen zu der Musik Deiner Seele.

Heil Dir, o Herr der Taverne.

 

Dein Name bringt Trost in all unserem Weh,

Denn wir alle leben durch den Odem, den du gibst.

Du bist der Leitstern, der uns weiterführt.

Heil Dir, o Herr der Taverne.

 

Vom Staub Deiner Füße kommt das Licht des Lebens,

Der Atem Deines Seins belebt jedermann.

Dein Lächeln verwandelt den Herbst in den duftenden Frühling.

Heil Dir, o Herr der Taverne.

 

O Herr: die Welt lebt in Feindschaft mit Wohlwollen und Frieden

und das Gefüge des Lebens ist in Stücke gerissen.

Mögest du die Erde erheben durch den magischen Ruf der Liebe.

Heil Dir, o Herr der Taverne.

 

Deine Größe leuchtet im Hause des Herrn;

Alle Deine Wunder finden wir in Deinem Kirpal.

O erwecke uns zum Leben in Deiner lebendigen Taverne.

Heil Dir, o Herr der Taverne.

 

Alle Großen sitzen in liebender Gemeinschaft zu Deinen Füßen.

Weltmüde und erschöpft suchen sie nach Deiner Hilfe,

Denn Du allein bist der Messias für all ihre Leiden.

Heil Dir, o Herr der Taverne.

 

Von Dir erhalten wir den Wesenskern aller früheren Meister;

An Deiner Türe sehen wir die ganze Welt vereint,

Freunde und Feinde gleicherweise geben ihre Zwietracht auf.

Heil Dir, o Herr der Taverne.

 

O entferne den Schleier, der Dein göttliches Antlitz verbirgt

Und laß uns das Wasser des Lebens aus Deinen strahlenden Blicken trinken.

Um Deinen liebegeladenen Anblick zu haben, streife ich in der Wildnis einher.

Heil Dir, o Herr der Taverne.

 

Darshan

 

 

DER MEISTER SPRICHT

 

DER ZWECK DES MENSCHLICHEN LEBENS

 

Der Mensch ist auf der Suche nach Glückseligkeit, hat aber keinen Frieden des Gemüts. Selbst wenn er erfolgreich ist im Erreichen seiner Ziele, bleibt er unzufrieden. Deshalb endet seine Suche nach Frieden und Glückseligkeit nie. Der hl. Augustinus sagt, daß Gott uns die Sinne gegeben hat, um sie in der rechten Weise zu gebrauchen, aber wir mißbrauchen sie, indem wir uns sinnlichen Vergnügen hingeben; wohingegen die Glückseligkeit, nach der wir streben sollten, lediglich in den Schriften aufgezeigt bleibt.

 

Der Mensch ist ein beseeltes Wesen, ausgestattet mit Körper, Gemüt und Intellekt. Er sorgt gut für seinen Körper, um seines häuslichen, sozialen und politischen Wohlergehens willen. Intellektuell hat er großartige Fortschritte gemacht. Er hat die Erde, die Meere und den Raum erfolgreich erforscht und Atombomben hergestellt. Eine einzige Atombombe kann Millionen vernichten. Seltsam genug bleibt er bei all seinen Leistungen unwissend über die Hauptenergiequelle — die Seele - seinem wahren Selbst, von welcher sein Körper und Gemüt ihre Kraft her bekommen. Er hat sich selbst so sehr mit dem Körper identifiziert, daß er unfähig ist, seine Seele vom Körper zu unterscheiden. Er weiß in der Tat nicht, daß sein wahres Selbst etwas Getrenntes vom Körper ist. Haben wir jemals über die treibende Kraft in uns nachgedacht? Haben wir den Bewohner des Hauses erkannt?

 

Die Seele ist eine bewußte Wesenheit. So wie jedes Wesen seinen grundlegenden Ursprung hat, hat auch die Seele eine letztliche Quelle — die Überseele - ein gewaltiger Ozean allen Bewußtseins. Das ganze Universum ist Seine Offenbarung. Die Seele ist durch die ständige Verbindung mit den Sinnen mit dem materiellen Körper identifiziert. Der Mensch weiß nicht, daß er wahre Glückseligkeit nur haben kann, wenn er fähig ist, das Selbst in sich von den äußeren Hüllen zu befreien. Er ist so sehr mit Gemüt und Körper verstrickt, daß er immer unglücklich und ruhelos bleibt. Da die Seele bewußt und der Körper materiell ist, können diese nicht gut zusammen existieren.

 

Wir geben vor, religiös zu sein durch Lesen der Schriften, ohne den wahren Sinn zu erfassen, und durch Darbringungen zeremonieller Gebete an den Orten der Gottverehrung. Alles, worum wir bitten, ist körperliche Gesundheit ünd weltlicher Reichtum. Wir streben nach materiellem Wohlergehen und nicht nach Gottverwirklichung. Es wird gesagt, daß einmal Majnu, einem legendären Liebenden, gesagt wurde, daß Gott ihn zu sehen wünsche. Majnu antwortete, wenn dem so wäre, müßte Gott in der Form von Laila, seiner Geliebten, kommen. Die meisten von uns bringen ihre Gebete vor Gott nur dar, weil wir unsere weltlichen Bestrebungen erfüllt haben möchten. Wir suchen Gottes Segnungen, um körperliche und intellektuelle Riesen zu werden. Somit ist Gott für uns lediglich ein Mittel für weltliche Ziele. Demnach bekommen wir nur wonach wir uns sehnen, d. h. die materielle Welt und nicht Gott.

 

Um Gott zu erkennen, müssen wir zuerst uns selbst erkennen. Seit undenklichen Zeiten haben viele versucht, Gott philosophisch zu definieren. Aber Er bleibt, wie immer, unerklärbar. Gott kann nicht durch den Körper oder den Intellekt oder die Sinne erkannt werden. Er kann nur durch die Seele erfahren werden. Solange wir uns nicht selbst erkennen, erhebt sich nicht die Frage des Gotterkennens. Somit ist der erste Schritt in dieser Richtung die Selbsterkenntnis, welche der Gotterkenntnis vorangeht. “Erkenne dich selbst” ist der Aufruf der Heiligen und Weisen gewesen. Guru Nanak wurde einmal von einem frommen Moslem gebeten, seinen Glauben zu erklären. Der Guru antwortete, daß er weder ein Hindu noch ein Moslem im üblichen Sinn zu nennen sei. Er erklärte, daß sein Körper aus fünf Elementen bestünde - Äther, Erde, Feuer, Wasser und Luft - und daß die Gotteskraft in ihm pulsiere.

 

Hazoor (Baba Sawan Singh) wurde einmal gefragt, zu welcher Religion er gehöre. Er antwortete: “Wenn Gott ein Hindu ist, bin ich ein Hindu. Wenn Er ein Sikh ist, bin ich ein Sikh; wenn Er ein Moslem ist, bin ich ein Moslem; wenn Er ein Christ. ist, bin ich ein Christ.”

 

Alle Religionen sind von Menschen gemacht. Gott hat keinem den Stempel irgendeiner Religion aufgedrückt. Um die kontrollierende Kraft des Universums zu erkennen, ist es unvermeidlich und wesentlich “sich selbst zu erkennen”, wie Christus es darlegte. Guru Nanak hat ebenfalls gesagt: “Solange sich einer nicht selbst analysiert, ist es nicht möglich, die Täuschung zu überwinden und die Wirklichkeit zu erkennen.” Wenn euer drittes Auge nicht geöffnet ist, könnt ihr Gott nicht erkennen.

 

Wie verschiedene Heilige das Geheimnis des Lebens gelöst haben, ist das heutige Thema. Tatsache ist, daß die Wahrheit eine ist, aber die Art, sie auszudrücken, verschieden sein mag. Unser Ideal ist die Wahrheit. Laßt uns sehen, was Soamiji zu diesem Thema zu sagen hat: “Verbinde deine Seele mit Naam.”

 

Uns wird empfohlen, unsere Seele mit dem Wort zu verbinden. Das besagt, daß unsere Aufmerksamkeit gegenwärtig auf etwas anderes als auf das Wort gerichtet ist. Was ist mit Aufmerksamkeit gemeint? Es ist das Bewußtsein, ein Zustand der Wachheit oder Bewußtheit. Wir mögen es Aufmerksamkeit, Geist oder Seele nennen. Dieser Lebensstrom ist es, der von unserem Selbst (Seele) ausgeht, welcher als die treibende Kraft in uns wirkt. Soamiji rät uns, diesen Strom mit dem Wort zu verbinden. Nun, wo ist die Quelle dieser Ströme? Sie ist am Sitz der Seele, zwischen den beiden Augenbrauen. Was geschieht zur Zeit des Todes? Das Leben zieht sich von den Füßen aufwärts zurück und steigt auf hinter die Augen. Die Kraft, welche hinter den Augen konzentriert ist, ist unser wahres Selbst. Nachdem sich jene Kraft zurückgezogen hat, ist der Körper von keiner Bedeutung. Das ist die wichtigste und am wenigsten beachtete Sache.

 

Um in diese Sache tiefer einzudringen, muß man erkennen, daß die Seele eine vom Körper getrennte Wesenheit ist. Wir müssen lernen und praktizieren, die Seelenströme von den niedrigeren Körperzentren zum Augenbrennpunkt zurückzuziehen. Dieser Vorgang ist ähnlich dem, dem sich die Seele zur Zeit des physischen Todes unterzieht. Wir müssen uns über das Körperbewußtsein erheben. Das theoretische Wissen von diesem Vorgang ist nicht genug. Praxis ist weit wichtiger. Eine Unze Praxis ist mehr als Tonnen von Theorien.

 

So müssen wir unsere Seele mit dem Wort verbinden. Laßt uns nun sehen, was das Wort (Naam) bedeutet. Das Wort hat zwei Aspekte. Der eine ist die Bezeichnung und der andere ist jene letzte Kraft, auf welche sich die Bezeichnung bezieht. Zum Beispiel ist das Wasser selbst nur eine Sache, aber es wird durch viele Namen bezeichnet, z. B. mit Wasser, aqua, H20 usw. Gleichermaßen ist die Wahrheit eine, aber die Weisen haben sie auf verschiedene Art beschrieben. Guru Nanak sagt: “Ich möchte mich allen Deinen Namen opfern, o Herr.” Guru Gobind Singh (der 10. Sikh-Guru) sammelte in seinem Werk “Jaap Sahib” Hunderte von Namen Gottes. Diese Namen gibt es zusätzlich zu jenen, die bereits in den verschiedenen Schriften erwähnt sind. Trotz Hunderten von Namen ist es ein Gott. Gleichermaßen gibt es viele Religionen, aber ihr Ziel ist eines.

 

Wir müssen die Gotteskraft mit Hilfe von gesprochenen Namen verstehen. Dies ist unser erster Schritt. Obwohl der Name vom Benannten nicht verschieden ist, scheint es doch so, bis man mit dem Benannten tatsächlich in Kontakt kommt. Jemand versucht eine Mango und erklärt, daß sie süß ist. Aber jemand, der weder eine Mango gesehen, noch Zucker probiert hat, kann nicht wissen wie süß sie ist. Somit ist das Erkennen Gottes von höchster Wichtigkeit. Wir müssen einen Anfang mit gesprochenen Namen machen. Es ist unglücklich, das Menschen über die verschiedenen Namen Gottes, wie sie von den Gründern der unterschiedlichen Religionen gegeben wurden, streiten. Alle diese Namen beziehen sich auf den höchsten Herrn und sie alle verdienen demnach unsere Achtung. Das Wahre ist die Gotteskraft, auf welche sich diese Namen beziehen. Jene Kraft ist die ewige Wahrheit. Sie ist eine, wird immer eine bleiben und wird Naam oder das Wort genannt.

 

Das Wort ist der Ursprung der gesamten Schöpfung und kann nur mit der Hilfe eines Satguru (wahren Meisters) erfahren werden. Guru Nanak hat diesen Punkt deutlich im Jap Ji erklärt: “Was immer ins Sein kam, ist die Schöpfung des Wortes.” Das Wort ist die Kraft, welche im kleinsten Teilchen des Universums existiert. Das ist das göttliche Bindeglied, welches den Körper mit der Seele verbindet. Wenn dieses Bindeglied bricht, führt das zum physischen Tod. Es ist dasselbe Band, welches das Universum und höhere spirituelle Ebenen erhält. Wenn dieses göttliche Bindeglied zurückgezogen wird, dann erfolgt die gänzliche Auflösung.

 

Jetzt erhebt sich die Frage, wenn wir mit dem göttlichen Bindeglied verbunden sind, welches ist die Stelle im Körper, wo die beiden zusammentreffen? Guru Nanak berichtet uns, daß man mit dem Wort in Verbindung kommen kann, nachdem man die sechs Chakras (ganglionischen Zentren) durchquert und das Aggya Chakra (hinter und zwischen den beiden Augenbrauen) erreicht hat. Die göttliche Verbindung kann nur dort und nicht irgendwo anders im Körper hergestellt werden. Rishi Patanjali und auch andere frühere Heilige haben diesen Vorgang erklärt. Wenn man das Aggya Chakra erreicht, nachdem man sich über die sechs niedrigeren Chakras erhoben hat, ist man mit dem himmlischen Tonstrom, dem Anhat-Ton, verbunden und geht in Sahasrar, die erste spirituelle Ebene, ein. Der Anhat—Ton ist das göttliche Bindeglied; er ist das Wort oder die göttliche Kraft, welche in jedem menschlichen Wesen offenbart ist. Dies ist die Ursprungsquelle aller Existenz. Naam (das Wort), sagt Gurbani, ist unsichtbar, unergründlich, grenzenlos und süß, jenseits aller Beschreibung. Es hat eine immerwährende göttliche Berauschung und Wonne. Wer sie auch immer erfährt, vergißt alle weltlichen Vergnügungen. Die Seele ist ein Tropfen des Ozeans allen Bewußtseins, ist jedoch durch zahllose Hüllen des Körpers, des Gemüts und der Sinne bedeckt. Solange ein Mensch von der materiellen Welt in Anspruch genommen ist, merkt er nichts von dem göttlichen Naam in sich.

 

Was bedeutet Naam? Laut dem Gurbani öffnet die Verbindung mit Naam innen einen großen Ausblick auf das göttliche Licht - das Licht Gottes. Naam bezieht sich auch auf das Tonprinzip, den Ton grenzenloser Freude. Somit gibt es zwei Arten des Ausdrucks von Naam - der Gottcskraft - Licht und Ton. In den Veden ist Naam als Udgit oder Naad, die Musik des Jenseits, beschrieben. Gemäß den Veden hat Naad vierzehn Sphären geschaffen.

 

Die Moslem—Weisen nennen es Kalma. Sie glauben ebenfalls, daß Kalma vierzehn Tabaqs (Sphären) geschaffen hat. Maulana Rumi betete einmal: “O Gott, führe mich zu dem Ort, wo die Unterhaltung ohne Worte geführt wird.” Christus sagte: “Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.” Der Gurbani sagt: “Naam hat die Erde und den Himmel geschaffen. Alles Licht strömte von Naam aus. Die ganze Schöpfung kam durch Naam ins Sein, welches in allen menschlichen Wesen widerhallt.”

 

Das Wort war sogar schon, da, bevor das Universum ins Sein kam. Das Wort ist somit der Ursprung aller Schöpfung. Heilige aller Religionen haben ähnliche Gedanken zu diesem Thema zum Ausdruck gebracht:

 

“Das Wort ist in allen vier Yugas die Quelle der Erlösung für die menschlichen Wesen gewesen.”

Gurbani

 

Gott ist wortlos, namenlos und jenseits aller Beschreibung. Als Er ins Sein kam, wurde es Naam - das Wort - das Licht-Ton-Prinzip - genannt. Einer, der sich mit Naam verbindet, ist fähig, einen Kontakt mit Gott herzustellen. Hafiz Sahib, ein großer persischer mystischer Dichter, sagte: “Niemand kennt den Wohnsitz des Geliebten, aber es ist sicher, daß der Klang der Glocken von dort kommt.” Wenn ihr der Weise des Tones folgt, werdet ihr seine Quelle erreichen. Somit ist das Wort, Licht und Ton, das sicherste Mittel, das Ziel zu erreichen, der Weg zurück zu Gott.

 

Um einen Kontakt mit dem göttlichen Licht zu bekommen, muß man sich durch Selbstanalyse über das Körperbewußtsein erheben. Nur dann ist ein Kontakt mit dem göttlichen Ton möglich. Durch die Verbindung mit Naam findet man Frieden und ewige Wonne.

 

“Gesegnet sind die, welche mit dem Wort verbunden sind.

O Nanak! Wer immer auf die ewige Musik hört, erlangt Erlösung.”

 

Gurbani

 

Die Menschen verlieren sich im allgemeinen in verschiedenen Namen Gottes. Die ganze Welt spricht von Naam, aber es gibt nur wenige, die die wahre Bedeutung von Naam kennen. Es ist eine praktische Sache. Wenn wir uns nicht durch Erheben über das Körperbewußtsein selbst erkennen, kann die Seele nicht einen Kontakt mit der Überseele herstellen. Wir müssen deshalb unsere Seele mit Naam verbinden:

 

“Jene, die sich mit dem Wort verbunden haben, deren Mühen werden enden,

Und ihr Antlitz wird voll Glanz erstrahlen.

Nicht nur werden sie erlöst sein,

O Nanak, sondern viele andere werden mit ihnen die Freiheit finden.”

 

Jap Ji

 

Wieder haben wir im Gurbani:

 

“Ein Gurmukh (Geliebter des Meisters) kann Millionen Seelen erlösen, indem er nur ein Fünkchen seines Lebensimpulses verleiht.”

 

Emerson sagt: “Der Grundton zum Erfolg sind die eigenen Gedanken.” Um auf irgendeinem Weg des Lebens einen Fortschritt zu erzielen, muß man seine Aufmerksamkeit auf jenes spezielle Ziel konzentrieren. Gleichermaßen wird man spirituell groß werden, wenn man seine Aufmerksamkeit auf das Überselbst konzentriert. Bulleh Shah, ein Moslem—Heiliger, fragte seinen spirituellen Führer, wie man Gott finden könnte. Der Führer sprach: “Es ist so leicht, wie das Zurückziehen der Aufmerksamkeit von hier (der Welt) und ihr Verbinden mit dort (dem Wort). Unser “wirkliches Selbst” ist unsere Aufmerksamkeit. Wir sind Seele und nicht der Körper, aber wir sind von unserem Körper in Anspruch genommen.”

 

Soamiji berichtet uns:

 

“Möge irgendeiner von uns seine Aufmerksamkeit mit dem Wort verbinden. Dieser Körper und der Wohlstand werden von keiner Hilfe sein, wenn man sich der negativen Kraft gegenübersieht.”

 

Der menschliche Körper ist der erste Gefährte der Seele. Er kommt zuerst mit der Seele, wenn das Kind geboren wird. Aber selbst dieser Gefährte verläßt uns zur Zeit des Todes, ganz zu schweigen von den anderen weltlichen Verbindungen, die wir eingegangen sind. Unser eigenes Dasein ist durch den ständigen Kontakt mit der physischen Welt auf deren Ebene herabgesunken. Das Ergebnis ist, daß wir wieder und wieder auf diese vergängliche Welt kommen müssen. Im Gurbani ist gesagt:

 

“Die Seele geht dorthin, wo eine Bindung besteht.”

 

Wenn wir fähig sind, das Selbst während unserer Lebenszeit zu analysieren und durch Erhalt eines höheren Kontaktes mit Naam lernen, uns über das Körperbewußtsein zu erheben, erfahren wir eine solche Glückseligkeit, daß wir alle weltlichen Vergnügungen und Bindungen vergessen:

 

“Gegen die göttliche Wonne sind weltliche Vergnügungen nichts.”

 

Gurbani

 

Das ist der Grund, weshalb die Heiligen lehrten:

 

“O Freund, gib die schalen sinnlichen Vergnügungen auf und trinke das süße Elixier von Naam.”

Gurbani

 

Wenn jemand eine Kostprobe der wahren Wonne bekommen hat, werden die Vergnügungen schal. Die wahre Wonne ist entweder in unserem inneren Sein oder in Naam — der wirkenden Gotteskraft — da die Seele von seinem Wesen ist.

 

Die Seele ist ein Funken des göttlichen Geistes. Sie ist Wonne in sich selbst und eine bewußte Wesenheit. Es ist die Seele, die die Quelle aller Seligkeit ist und nicht der Körper und die weltlichen Dinge. Die Heiligen haben uns gesagt, daß die weltlichen Dinge, auf die unsere Aufmerksamkeit gerichtet ist, keine wahre Hilfe für uns sind. Diese weltlichen Dinge bleiben nicht nur zur Zeit des Todes zurück, sondern die ständige Bindung an sie bringt die Seele wieder und wieder auf diese Welt zurück. “Was nützt es dem Nenschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele.” Die Seele wohnt in diesem Haus (Körper). Sie muß aus diesem sterblichen Bau alles zurücklassend, heraus. Wenn die Zeit kommt, wo man diesen Körper verlassen muß, ist man durch die Bindungen an den Körper sehr unglücklich. Reue ist dann von keinem Nutzen. Wenn die Seele während der Lebenszeit des Menschen einen Kontakt mit dem Jenseits herstellt, wird sie vollkommenen Frieden erlangen. Aber wir denken nie an die jenseitige Welt. Im allgemeinen folgen wir dem Grundsatz: “Eßt, trinkt und seid fröhlich.” Wenn uns jemand an den Tod erinnert, ignorieren wir das nur, indem wir sagen, daß wir uns damit befassen werden, wenn er kommt. Das ist kein weiser Weg. Wenn eine Taube angesichts einer Katze die Augen schließt, wird die Katze sie nicht schonen. Jeder muß seinen Körper verlassen. Bei dieser Regel gibt es keine Ausnahme.

 

“Kaiser oder Könige, reich oder arm,

alle müssen gehen, wenn sie an der Reihe sind.”

 

Gurbani

 

Wir alle müssen gehen, aber wir wissen nicht wann. Wir sollten auf diese Veränderung vorbereitet sein. Sind wir es?

 

“Jeder fürchtet den Tod und will bis in Ewigkeit leben. Wenn man mit der Gnade des Guru lernt während des Lebens zu sterben, kann man ein bewußter Mitarbeiter des Herrn werden. Wer immer so stirbt, erlangt Erlösung.”

 

Gurbani

 

Wenn ihr zu sterben lernt, indem ihr euch über das Körperbewußtsein erhebt, werdet ihr ewiges Leben erlangen. Alle Heiligen berichten uns, daß Gott uns mit drei Körpern ausgestattet hat: dem physischen, astralen und supramentalen oder kausalen. Auf der physischen Ebene (Pind) sind wir schon durch die Sinne aktiv. Nach dem Verlassen des physischen Körpers bekommt die Seele die astrale Form. Mit den astralen Sinnen kann sie die astrale Ebene durchqueren. Gleichermaßen kann die Seele nach Erhalt der supramentalen Form die kausale Ebene (Brahmand) betreten. Jenseits dieser drei Ebenen erreicht die Seele Selbsterkenntnis. Nur auf dieser Stufe wird man fähig, zu erkennen, wer man wirklich, ist.

 

Soamiji sagt:

 

“Die günstigste Zeit, friedvolle Glückseligkeit zu erreichen ist, wenn man das Feuer unaufhörlicher Wünsche vermeidet.”

 

Die Welt wird durch unsichtbare Feuerflammen verzehrt. Guru Nanak hat gebetet: “Es ist das Feuer der Wünsche, das sich überall verbreitet hat.” Obwohl wir ihre Opfer sind, sind wir unfähig, das zu bemerken. Nur Heilige kennen die wahre Bedeutung dieses Feuers. Doch nur menschliches Leben ist imstande, von dieser lodernden Brandstelle wegzukommen. Das ist der Grund, weshalb das menschliche Leben als die Krone der Schöpfung angesehen wird. Aber ohne ernsthafte Anstrengung in der rechten Richtung kann es keine Erlösung geben. Wenn wir z. B. sengende Hitze meiden müssen, haben wir in einem Raum mit Klimaanlage Zuflucht zu suchen. Was uns betrifft, so ist der Raum mit Klimaanlage in uns. Wir müssen uns von außen zurückziehen und in ihn eintreten, um glückselige Ruhe von allen Trübsalen der Welt zu finden. Es ist hohe Zeit, daß wir uns nach innen wenden. Wenn wir diese von Gott gegebene Gelegenheit verpassen, sind wir nicht besser als Tiere. Der menschliche Körper hat nur einen Wert, solange die Seele in ihm wohnt. Wir sollten während dieser Zeit den besten Nutzen daraus ziehen.

 

Der Mensch ist in Flammen leidenschaftlicher Wünsche, Ärger, Gier, Verhaftetsein und Eitelkeit eingehüllt. Man kann nur durch den inneren Kontakt mit dem Wort von der Täuschung frei werden. Die wichtigste Aufgabe, die daher vor uns liegt, ist, unsere Aufmerksamkeit von außen zurückzuziehen und mit der inneren göttlichen Melodie in Einklang zu gelangen. Dann kommt ewiger Friede in der Form des Wortes. Wer immer diese wesentliche Aufgabe erfüllt hat, ist wirklich erfolgreich im Leben. Andererseits haben noch so vieles Lernen, Name und Ruhm keine wirkliche Bedeutung. Es ist höchste Zeit, daß wir lernen, uns über das Körperbewußtsein zu erheben und das wahre Selbst in uns zu erkennen.

 

“Übe Kontemplatioii über die Form des Satguru und diene ihm treu,

und er wird dich vor allem Schaden bewahren.”

 

Soamiji

 

Soamiji erzählt uns jetzt, wie die Seele mit der Kraft von Naam zu verbinden ist. Er sagt, daß drei Schritte gemacht werden müßten, um sich über das Körperbewußtsein zu erheben. Der erste ist Simran (Kontemplation), die ständige Erinnerung an den Allmächtigen. Der zweite ist, dem Meister zu dienen, der dritte ist die Kontrolle aller Wünsche. Wir sind immer damit beschäftigt, über weltliche Angelegenheiten nachzudenken. Wenn wir einen Kontakt mit dem Wort Gottes herstellen möchten, müssen wir zuerst ständig durch irgendwelche Namen unserer Wahl an Ihn denken. Es sollte unser erstes und oberstes Ideal sein, sich die Gewohnheit des Erinnerns an Ihn in jeden Moment unseres Lebens einzuschärfen. Wir müssen weltliche Gedanken durch das Denken an das Wort ersetzen. Denkt unaufhörlich so stark an Ihn allein, daß ihr den Schmerz des Getrenntseins von Ihm zu spüren beginnt. Somit ist der erste Schritt das Denken an Ihn. Dieses Gedenken führt zu Liebe, was wiederum den Trennungsschmerz bringt. Dies erzeugt ein starkes Verlangen nach dem Geliebten.

 

“Nur um Seiner zu gedenken und nach Ihm zu schmachten, lobpreise Ihn allein unaufhörlich. Meditiere über Ihn mit aller Liebe in dir.”

 

Gurbani

 

Simran sollte mit intensiver Liebe für Gott geübt werden. Liebe bringt Konzentration. Man vergißt die ganze Welt, während man an den Geliebten denkt.

 

 

Ein anderer Zweck des Simran ist, daß sich die Seele mit ihrer wahren Form identifiziert. Noch ein anderes Ziel des Simran ist, das Selbst zu befähigen, sich zu erkennen. Es ist so, daß sich die Seele vollkommen mit dem physischen Körper identifiziert hat. Sie muß vom Körper zurückgezogen und an ihrem Sitz im Zentrum der Augenbrauen konzentriert werden. In der Gita sagt Lord Krishna, daß die Großen die Höhlung durchqueren und von einer Stelle, die über der Nase liegt, beginnen.

 

Es gibt verschiedene Arten, Simran zu üben - mit Hilfe eines Rosenkranzes oder mit der Zunge oder in der Kehle und im Herzen. Heilige empfehlen jedoch diese Methoden nicht, da sie leicht mechanisch werden und dem Gemüt erlauben, abzuschweifen. Somit ist die Konzentration der Aufmerksamkeit durch solche Methoden kaum möglich.

 

Die Heiligen haben deshalb angeraten, den Simran mit der Zunge des Gedankens zu praktizieren. Alle Heiligen, einschließlich Maulana Rumi, Guru Arjan und Soamiji, haben diesen spirituellen Pfad aufgezeigt. Guru Arjan betete: “O Heilige, habt Mitleid mit uns; wir müssen noch lernen, unseren Seelen zu dienen.”

 

Wir wirken auf den mentalen und sinnlichen Ebenen. Bis wir lernen, uns über das Körperbewußtsein zu erheben, bleibt unser Zustand unverändert. Yogis versuchten durch Kumbhak das Atmen zu kontrollieren, um Konzentration der Aufmerksamkeit zu erreichen Es ist ein schwieriger Prozeß und nicht jeder kann ihn praktizieren. Die Heiligen greifen deshalb nicht in die Funktion des Atmens ein. Sie konzentrieren ihre Aufmerksamkeit am Sitz der Seele, hinter und in die Mitte der beiden Augen durch Simran mit der Zunge des Gedankens. Wenn das mit tiefer Aufmerksamkeit getan wird, hört die Seele auf, durch die Poren des Körpers hinauszuströmen. Der Körper wird dann gefühllos. Nur danach kann die konzentrierte Seele den Kontakt mit Gott bekommen.

 

Doch ist der Simran mit der Zunge des Gedankens nicht so leicht wie es erscheinen mag. Er kann nur erfolgreich durch die Segnungen eines kompetenten Meisters geübt werden. Nun besteht ein Unterschied zwischen dem Praktizieren des Simran durch Wiederholen der Namen, die durch einen kompetenten Meister gegeben wurden und dem Namen oder den Namen, die jemand aus den Schriften eines religiösen Glaubens nimmt. Die Namen, die durch einen kompetenten lebenden Meister zur Zeit der Initiation gegeben werden, sind mit seiner Gedankenübertragung geladen und haben eine gewaltige Kraft in sich. Diese Art von Simran steht deshalb über allen anderen Simran-Formen. Die Veden und andere Schriften führen an, daß man, um Gott zu suchen, nach der Führung eines wahren Meisters suchen muß. Außer den geladenen Namen gibt der Meister auch einen praktischen Kontakt mit der göttlichen Kraft. Jetzt ist die Frage, wie man diese kompetente Führung bekommen kann.

 

Soamiji heißt uns, dem Meister zu dienen. Man kann dem Meister auf viele Arten dienen: physisch, finanziell, intellektuell und spirituell. Man sollte ein keusches und reines Leben führen. Haltet euren Körper immer zu selbstlosem Dienst tätig. Das ist ein physischer Dienst. Was den finanziellen Dienst betrifft, so spendet einen Teil eures Einkommens für wohltätige Zwecke. Nach der Erfüllung eurer familiären Verpflichtungen müßt ihr einen Teil eures Verdienstes im Namen Gottes geben. Dies ist eine Pflicht, die man nicht vernachlässigen darf. Dienst mit Herz und Gemüt bedeutet Liebe für alle, gegen niemanden Haß haben und die Wahrheit beachten. Der Dienst der Seele ist von höchstem Hang. Um den zu tun, muß man sich über das Körperbewußtsein erheben und das innere Auge öffnen. Hazoor pflegte zu sagen, daß ein Meister einen oder zwei Diener halten mag, ihm zu dienen. Er braucht unseren Dienst nicht im gewöhnlichen Sinne. Wenn wir nur seine Gebote befolgen, unser Leben keusch und rein halten, dienen wir nicht nur dem Meister, sondern auch uns selbst. Der Meister liebt die am meisten, die ihren eigenen Seelen dienen und ein frommes Leben führen. So ermahnt uns Soamiji, sich das Gefühl des Dienens zu eigen zu machen und sich sinnlicher Wünsche zu enthalten.

 

Alle Wünsche sind in der Sinnlichkeit enthalten. Das Beachten der Keuschheit ist am wichtigsten. Gerade wie Licht und Dunkelheit nicht zusammen sein können, so sind das Wort und sinnliche Wünsche nicht vereinbar. Deshalb müssen wir Keuschheit beachten. Verheiratete Leute brauchen nicht zu verzweifeln. Sie sollten ein diszipliniertes Leben in Übereinstimmung mit den Schriften führen, wo eheliche Beziehungen nur zur Zeugung erlaubt sind. Grihastashram (Familiensystem)ist eine große Einrichtung. Die meisten Heiligen oder großen Seelen (Mahatmas) waren Familienväter und erfüllten ihre familiären Verpflichtungen. Hazoor sagte, daß jene, die ihre Kinder rein und keusch aufziehen möchten, selbst so sein sollten. Kinder neigen dazu, ihren Eltern nachzueifern.

 

Soamiji heißt uns somit drei Schritte zu machen, wenn wir uns über das Körperbewußtsein erheben und Kontakt mit Naam bekommen möchten, Simran zu praktizieren, dem Satguru zu dienen und ein keusches Leben zu führen.

 

Soamiji sagt, daß man eine Kostprobe des göttlichen Nektars mit der Hilfe eines wahren Meisters nur haben kann, nachdem man sein Gemüt und die sinnlichen Wünsche unter Kontrolle gebracht hat. Gegenwärtig strömt die Seele durch die Sinne hinaus. Bezähmt eure Sinne und haltet euer Gemüt ruhig. Ihr werdet dann wissen, wer ihr seid. Erst wenn ihr euch selbst erkannt habt, wird sich die Frage des Erkennens des Überselbst erheben. Jene, die ihre Sinne bezähmt haben, können sich vom Einfluß der Feinde wie Lust, Ärger, Gier, Verhaftetsein und Eitelkeit befreien. Diese fünf tödlichen Feinde fallen uns durch die fünf Sinne an. Ihr könnt deren verhängnisvollen Anfechtungen nur entkommen, wenn ihr euch über das Körperbewußtsein erhebt. Die Upanishaden sagen: “Die Seele fährt einen Körper—Wagen, der durch die Sinnen—Pferde auf dem Feld sinnlicher Vernügungen gefahren wird, mit dem Gemüt als Zügel und dem Intellekt als Fahrer.” Deshalb betont Soamiji die Notwendigkeit, die Sinne und das Gemüt zu schulen. Wenn das geschehen ist und die Seele sich über das Körperbewußtsein erhebt, ist der Meister dort innen, um das göttliche Elixier von Naam zu geben. Nun, sind diese Lehren für irgendeine Glaubensrichtung gedacht? Die Lehren aller großen Seelen sind für die gesamte Menschheit gemeint und nicht für die Nachfolger irgendeiner besonderen Religion. Hazoor pflegte zu sagen: “Gehe zu der Tür, wo der Satguru voll des Mitleids und der Barmherzigkeit wartet, um dich zu empfangen.” Welches ist diese Tür? Es ist die Tür im Zentrum und hinter euren beiden Augenbrauen. Wenn die Seele einmal eine Gelegenheit bekommen hat, das Elixier von Naam zu kosten, hat sie einen Startpunkt für ihre spirituelle Reise zum letztlichen Bestimmungsort. Darüber hinaus bringt es Freiheit vom Netz des Gemüts. Das Gemüt ist eine gewaltige Hürde auf dem spirituellen Pfad. Die Welt im großen ist immer sein Opfer gewesen. Selbst Mahatmas und Rishis (große Seelen) der Vergangenheit, die verschiedene Methoden der Gemütskontrolle versuchten, erlagen an irgendeinem Punkt seiner machtvollen Wirkung. Deshalb müssen wir das Gemüt kontrollieren. Wie kann das geschehen? Das Gemüt kann nicht durch äußeres Streben, wie Lernen oder Studieren der Schriften, unter Kontrolle gebracht werden. Selbst wenn es für eine Weile unter Kontrolle bleibt, kommt es wieder außer Kontrolle, da es ständig hinter sinnlichen Vergnügungen her ist. Hauptsächlich gibt es zwei Anziehungspunkte für das Gemüt - schöne Dinge anzusehen ünd süße Melodien zu hören. Wenn ihr nun melodische Musik hört, wird eure Aufmerksamkeit auf sie gelenkt sein. Der einzige Weg, das Gemüt unter Kontrolle zu bekommen, ist, es mit Naam zu verbinden, welches diese beiden Anziehungspunkte hat. Auf verschiedenen inneren spirituellen Ebenen kann man wunderbare Visionen haben, wie auch bezaubernde Melodien hören. Wenn das Gemüt innen faszinierendere Erfahrungen hat als außen, ist es automatisch bezwungen.

 

Somit wird man nur durch das Herstellen einen Kontaktes mit Naam wunschlos. Nach einem Gleichnis tauchte Lord Krishna einmal in den Fluß Yamuna, wo eine tausendköpfige Kobra lebte. Lord Krishna vollführte einen Tanz auf dem Kopf der Kobra nach einer Melodie seiner Lieblingsflöte und bezwang die tödliche Schlange. Was bedeutet das Gleichnis? Die tausenköpfige Kobra ist das Gemüt. Das Gemüt vergiftet uns auf unzählige Weise. Durch das Abstimmen auf den göttlichen Tonstrom innen kann das Gemüt bezwungen werden. Es gibt kein anderes Hilfsmittel. Ein Moslem—Mystiker hat gesagt, wenn du fest beschlossen hast, Gott zu erreichen, mache einen Schritt auf dein Gemüt und mit deinem zweiten Schritt wirst du in Gottes Reich sein.

 

Soamiji rät uns nun, das Zaudern aufzugeben und ohne Verzug mit der Meditation zu beginnen. Sahaj-Yoga, der durch die Heiligen aufgezeigte Pfad, hat drei Aspekte: Simran, Meditation und das Auffangen des göttlichen Tonstromes. Simran hebt die Seele über das Körperbewußtsein. Wenn das einmal geschehen ist, bringt Meditation oder Kontemplation mit ganzer Aufmerksamkeit einen Ruhepunkt zu ihrer Stütze, bis sie den göttlichen Tonstrom auffängt und hört.

 

Shamas—i—Tabrez sagt: “In jedem Moment ruft ein göttlicher Ton meine Seele, zum Herrn zu kommen. Tulsi Sahib sagt ebenfalls: “Horche mit gespannter Aufmerksamkeit im Bogengang der wahren Kaaba (Körper) und du wirst einen Ruf vom Jenseits hören.” Dieser Körper ist der Tempel Gottes und die Stirne ist der Bogengang des Tempels, wie durch Tulsi Sahib beschrieben. Zaudern ist ein Dieb der Zeit. Wir neigen dazu, die Meditation aus dem einen oder anderen Vorwand hinauszuschieben. Beginnt sogleich mit der Meditation, so daß ihr aus dem sterblichen Körper, welcher der Bereich der negativen Kraft ist, herauskommt. Nach allem muß dieser Körper zurückgelassen werden. Wenn wir lernen, ihn während des Lebens zu verlassen, wird der Tod uns nicht beunruhigen. Ihr werdet dann sorgenfrei sein.

 

Soamiji sagt, daß nur der Satguru fähig ist, die Seele über das Körperbewußtsein zu erheben. Deshalb bete mit jedem Atemzug um die Gnade eines wahren Meisters. Über die Wirksamkeit des Simran habe ich schon gesprochen, er bringt die Seele über das Körperbewußtsein. Ein weiterer gleich wichtiger Punkt ist, daß die Seele an den Körper gebunden ist, und wenn nicht ein kompetenter Meister mit seiner Gedankenübertragung durch persönliche Aufmerksamkeit hilft, kann die Seele nicht gelöst und über das Körperbewußtsein gehoben werden. Hier liegt die Größe und Wichtigkeit des Satguru. Tatsache ist, der wirkliche Prüfstein eines Guru liegt darin, daß er fähig ist, die Seele zu ihrem eigenen Sitz zu bringen. Wir müssen deshalb um seine Gnade und Hilfe beten. Alle großen Seelen haben in ähnlicher Weise gebetet. Maulana Rumi bezeugt das, indem er fragt: “Wer ist fähig, die Menschheit aus diesem rätselhaften Gehäuse (Welt) zu retten? Nur entweder ein Prophet oder ein Meister, der dazu beauftragt ist.” Wir müssen somit die Hilfe einer verwirklichten Seele suchen, aber es muß tatsächlich eine verwirklichte Seele sein. Wenn ein sogenannter Meister seine eigene Seele nicht über das Körperbewußtsein erheben kann, wie kann er anderen helfen Die Verantwortung eines kompetenten Meisters ist wirklich groß. Er leitet und hilft uns nicht nur in dieser Welt, sondern er ist auch ein Fackelträger auf unserer inneren Reise.

 

Soamiji betont deshalb, der einzige Ausweg ist, zu einem kompetenten Meister zu beten. Aus Barmherzigkeit wird er uns eine Erfahrung des Überbewußtseins geben. Dann folge seinen Geboten, denke ständig an ihn mit all deinem Herzen und bleibe immer eifrig, ihm zu dienen.

 

Tulsi Sahib bittet uns ebenfalls, durch den Schleier der Dunkelheit hinter den Pupillen der Augen durchzuschauen. Wie kann das gemacht werden? Er sagt uns, daß wir zu einer gottverwirklichten Seele gehen sollen. Ein solcher Meister wird euch eine innere Erfahrung geben, euch über das Körperbewußtsein heben und euch sagen, wie ihr durch die innere Dunkelheit durchsehen könnt. Euer inneres Auge wird somit geöffnet werden. Alle Heiligen stimmen in diesem Punkt überein. Soamiji hat uns geraten, mit Liebe die Gemeinschaft eines wahren. Meisters zu suchen. Geht mit Hingabe dorthin, indem ihr alle weltlichen Gedanken hinter euch laßt. Ihr solltet dann nur einen Gedanken haben - den Gedanken an euren Meister. Sitzt in Einsamkeit da und lauscht voller Aufmerksamkeit auf das, was der Meister zu sagen hat.

 

Soamiji erklärt jetzt die Wichtigkeit des Satsang. Er sagt: “Besucht den Satsang mit aller Ernsthatfigkeit.” Wir müssen das Geheimnis des Lebens und des Todes lösen. Begreift und macht euch zu eigen, was dort gelehrt wird. Wir sind begünstigt, wenn wir mit einem wahren Meister in Verbindung kommen und innere Erfahrung durch seine Gnade erhalten. Wenn wir nicht nach seinen Geboten handeln, verzögert sich unser spiritueller Fortschritt. Das ist der Grund, weshalb so viel Nachdruck darauf gelegt wird, unnötige weltliche Dinge abzulegen. Dieser Weg der eigenen spirituellen Erfahrung wird weiter wachsen, bis eine strahlende Form des Meisters innen erscheint. Er wird mit euch sprechen und euch leiten. Um genaue Führung vom Meister zu erhalten, widmet eine entsprechende Zeit der Meditation und formt euer Leben nach den Lehren des Meisters. Wir müssen unserem Ziel treu bleiben, da wir es uns in unserem gegenwärtigen Zustand nicht leisten können, in unseren Bemühungen nachzulassen, wenn wir uns noch über das Körperbewußtsein zu erheben haben.

 

Zuletzt erklärt Soamiji, was Naam (das Wort) ist, welches das Ziel und was unser Ideal ist. Er sagt, unser Ziel ist, unsere Seele mit Sat Naam (wahres Wort), der ewigen, namenlosen Gotteskraft, zu verbinden. Wir müssen uns zuerst über das Körperbewußtsein erheben und die unterste Verbindung bekommen. Nach allmählichem Überqueren der verschiedenen höheren Ebenen wird die Seele zuletzt dort ankommen, wo es nichts als allumfassende Wahrheit gibt. Die drei Regionen — die unterste, die feinstoffliche und die kausale - sind zerstörbar. Jenseits dieser drei Regionen ist Sat Lok oder Sach Khand, welches der Wohnsitz des Allmächtigen ist. Dies ist unser Ziel und wir müssen es erreichen. Zu der Zeit als Jesus Christus seinen sterblichen Körper verließ, unterwies er seine Schüler, zuerst das zu vollenden, was er sie gelehrt hatte. Die menschliche Geburt hat euch eine goldene Gelegenheit gegeben. Macht den besten Gebrauch davon.

 

 

DER INNERWÄHRENDE FRIEDE

 

Mache Reinheit zu deinem Schmelzofen und Geduld zu deiner Schmiede;

Des Meisters Wort zu deinem Amboß und wahres Wissen zu deinem Hammer.

Mache Ehrfurcht vor Gott zu deinem Blasebalg und entzünde damit das Feuer

der Härte;

Und im Schmelztiegel der Liebe schmelze den göttlichen Nektar;

Nur in einer solchen Prägung kann der Mensch eins werden mit dem Wort.

Doch diejenigen allein, die in Seiner Gunst stehen, können diesen Pfad beschreiten;

O Nanak, auf wen Er voller Gnade schaut, den erfüllt Er mit Ewigem Frieden.

 

Die Luft ist der Meister, das Wasser der Vater und die Erde die Mutter;

Tag und Nacht sind die beiden Ammen, in deren Schoß sich die ganze Welt abspielt.

Unsere Handlungen, ob gut oder schlecht, werden vor Sein Gericht gebracht,

Und durch unsere eigenen Taten werden wir uns aufwärts bewegen oder in die Tiefe gestoßen.

Jene, die sich mit dem Wort verbunden haben, deren Mühen werden enden,

Und ihr Antlitz wird voll Glanz erstrahlen.

Nicht nur werden sie erlöst sein,

O Nanak, sondern viele andere werden mit ihnen die Freiheit finden.

 

 

KOMMT HER ZU MIR ALLE

 

von L. Gurney Parrot

 

“Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater.

 

Joh. 6:44

 

“Diejenigen, von denen es Gott will, werden von selbst zum Gottmenschen gezogen, oder der Gottmensch findet sie auf, wo immer sie sein mögen.”

 

Kirpal Singh

 

Diese Worte sind wahr. Ich weiß es aus Erfahrung, nicht aus bloßem Glauben. Dies ist ein Bericht, wie ich zum Meister, Sant Kirpal Singh, kam, dem Gipfel meiner lebenslänglichen Suche nach Gott und meine ersten Schritte auf dem spirituellen Pfad.

 

1957, nach zweijährigem Aufenthalt in Nilgiri Hills, verließ ich Bombay, um nach London zu fliegen. Ich hatte Gelegenheit, am Flughafen einen jungen indischen Beamten kennenzulernen und führte in den nächsten neun Jahren einen gelegentlichen Briefwechsel mit ihm. Der Herbst 1966 fand mich in Malta, wo ich schwere geistige Niederlagen erlitt. Ich war elend und ganz aus dem Gleichgewicht, völlig unfähig, spirituelle Kraft und geistiges Verständnis in mir zu entwickeln, die ich glaubte, in den langen Jahren des Studiums und der Bemühungen errungen zu haben.

 

In diesem Gemütszustand schrieb ich an meinen Freund in Bombay, daß ich daran dachte, wieder nach Indien zu kommen. Ich bekam eine begeisterte Antwort. Er schrieb, daß ich dann unbedingt seinen Meister, Sant Kirpal Singh, besuchen müsse, der während der Weihnachtswoche in Bombay sei. Es folgte eine begeisterte Lobrede auf seinen Meister, die mich völlig kalt ließ. Ich hatte ziemlich umfassende Kenntnisse der verschiedenen Bücher über die Weltreligionen, besonders der Veden, der Upanishaden, der Bhagavad—Gita und der verschiedetien Formen des Yoga. Ich hatte auch die Lehren Ramakrishnas und die Werke Vivekanandas studiert, für die ich eine große Verehrung und Liebe hatte.

 

Indessen war ich zu dem Schluß gekommen, daß - welche Wahrheiten auch immer in diesen Persönlichkeiten und Schriften waren - sie mir doch der Vergangenheit anzugehören schienen, und es war mir zweifelhaft, ob sie noch Bedeutung für die Gegenwart hatten. Es hat frühere Meister gegeben; aber gab es heute noch welche - gab es noch einen? Ich bezweifelte es. Wie es auch sei, ich war nicht in Stimmung für einen Meister. Ich wußte nichts über Kirpal Singh. Ich hatte noch nicht einmal gewußt, daß mein Freund einen Meister hatte. So war meine Stimmung aber dennoch hielt ich an meinem Plan fest. Warum? Ich weiß es nicht. Drei Wochen lang versuchte ich, eine Schiffskarte zu bekommen - umsonst. In einer plötzlichen Anwandlung entschloß ich mich, nicht zu fahren und schrieb meinem Freund ab.

 

Wenige Tage später indessen wurde ich mir auf einmal einer sanften, ungesehenen Gegenwart bewußt und hörte deutlich eine Stimme sagen: “Fahre nach Indien.” — Einbildung? Vielleicht. Ich besorgte mir sofort eine Rückflugkarte nach Bombay, wo ich am 19. Dezember ankam und herzlich am Flughafen empfangen wurde.

 

Am nächsten Morgen nahm mich mein Freund mit zu dem Hause, wo der Meister wohnte. Ich war immer noch in einer kritischen und unguten Stimmung, als ich selbstbewußt in meinen Socken (die Schuhe mußten abgelegt werden) in einem Korridor stand, apathisch die Menschen betrachtend, die in einem Raum am Ende des Korridors auf Einlaß beim Meister warteten. Ich kam mir sehr töricht vor, als Außenseiter und Eindringling, als einziger Europäer hier — ganz englisch - ohne die geringste Ahnung, was das alles sollte, und gerade nicht optimistisch, ob der Meister mich überhaupt sehen wollte, oder wenn, mich wahrscheinlich hinauswerfen würde. Das Wort des Meisters Jesus: “Wer zu mir kommt, den weise ich nicht zurück”, hatte ich ganz vergessen.

 

Plötzlich wurde ich aus meinen Träumen gerissen. Jemand berührte mich am Ellenbogen und sagte: “Der Meister möchte Sie jetzt sehen.” Ich wandte mich und sah einen lächelnden jungen Mann mit blauem Turban und rief unwillkürlich: “Sehen? – mich?” “Ja” antwortete er. “Kommen Sie bitte”. In einem Aufruhr widerstreitender Gefühle folgte ich ihm.

 

Als ich den Raum betrat, erhob sich eine hochgewachsene kräftige bärtige Gestalt von der Couch und kam mir entgegen, um mich zu begrüßen, nahm meine beiden Hände in seine und sagte: “Hallo”. Das überraschte mich. Ich hatte irgendeine orientalische Begrüßung erwartet, fromme Worte, einiges, das auf Religiosität hindeutete — aber nichts dergleichen. Es war nichts Ungewöhnliches in seiner Kleidüng — weißer Turban, schwarzer dreiviertellanger Rock, lange Hosen und Schuhe — keine religiösen Embleme, keine Gebete, kein Weihrauch, keine Musik. Aber gerade diese Einfachheit und Natürlichkeit, die durch sich selbst wirkte, beeindruckte mich mehr als Pomp und Pracht es hätten tun können.

 

Mit liebenswürdiger Höflichkeit holte der Meister einen Sessel herbei und setzte mich hinein, seinen Platz wieder auf der Couch einnehmend. Nun saß er niedriger als ich - so bescheiden ist er — so daß ich auf ihn herabsehen mußte. Plötzlich überwältigte mich eine solch stürmische innere Bewegung und erkannte, daß ich unmöglich in dieser Situation bleiben konnte und glitt auf den Boden zu seinen Füßen. In diesem Moment geschah unbewußt ein augenblickliches Wiedererkennen und Annehmen der spirituellen Gnade und Kraft, die vom Meister ausging. Er lächelte nur und sagte ruhig: “Erzählen Sie mir von Ihnen.” “Sie wissen es schon, Meister,” antwortete ich. “Was ist da zu sagen?” “Das macht nichts”, sagte er. “Erzählen Sie etwas und wir werden daran anknüpfen.” Ich versuchte, von meinem vergangenen Leben zu sprechen, aber die Bewegung packte mich und ich mußte nach einigen Sätzen innehalten, mühsam um Selbstbeherrschung kämpfend. Als der Meister meine Not sah, machte er eine kleine Geste und augenblicklich war ich ruhig. Er fuhr fort, von Christus und seinen Lehren zu sprechen, vom Reich Gottes in uns und von dem Licht “das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt.” — Als ich aufstand, um zu gehen, sagte er: “Kommen Sie morgen früh wieder, gegen 8 Uhr.”

 

Am nächsten Morgen fand ich mich in einem großen Raum unter ungefähr 70 oder 80 Menschen, die auf dem Boden kauerten, während ich (dank Meisters Fürsorglichkeit) auf einem Stuhl im Hintergrund saß. Der Meister nahm seinen Platz vorne vor den Versammelten ein und hatte die Männer zur Rechten, die Frauen zur Linken. Mit Wenigen einfachen Worten sagte er uns, daß die Meisterkraft uns einen Blick nach innen geben würde und daß jeder von uns spirituelle Erfahrung haben würde, entsprechend seiner spirituellen Entwicklung und Empfänglichkeit. Alles was wir zu tun hatten, war, unser Gemüt nach innen zu kehren, unsere Gedanken zu beruhigen und unsere Aufmerksamkeit am Punkt zwischen den Augenbrauen zu sammeln, dort in Achtsamkeit still und voller Ruhe zu warten, ohne irgendeine Anstrengung oder Sorge.

 

Es war ein wunderbarer Zustand. Hier wurde in der einfachsten Weise, wieder ohne eine der üblichen ritualen Begleiterscheinugen einer Annäherung an Gott, die Erklärung gegeben, daß einzig durch des Meisters Gnade unser inneres Auge, das “Dritte Auge”, geöffnet würde und wir das Licht Gottes sehen sollten. Nur die Kraft eines Gottmenschen (das Wort wurde Fleisch) vermag das. Als ich mich sammelte zur dann folgenden Meditation — und es ist nicht verwunderlich, daß ich für einige Zeit die Kontrolle über meine wirbelnden Gedanken verlor - muß ich bekennen, daß ich noch wachsam und kritisch war und noch recht skeptisch. Hier war der praktische Beweis der Wahrheit, die von allen Religionen gelehrt wird. Mit der Theorie war ich vertraut - hier war die Praxis. Doch unbegreiflicher als alles war mir die bloße Tatsache, daß ich daran teil hatte. Kann man mich wegen meiner Zweifel tadeln? Niemand konnte sich unwürdiger fühlen als ich, ein solches Geschenk zu erhalten; es konnte einfach nicht möglich sein!

 

Einige Zeit schien es wirklich so; denn nichts ereignete sich, und der Dämon Zweifel erhob wieder sein häßliches Haupt. Mit Anstrengung schickte ich diese Gedanken weg und nahm die Meditation wieder auf, doch nicht, ohne vorher einen schnellen Blick auf die Runde zu werfen, um zu sehen, ob irgendetwas Außergewöhnliches vorging! Nein, da waren sie alle, ruhig dasitzend mit geschlossenen Augen, und vorne war der Meister, und die Sonne schien durch die Fenster herein, und draußen sangen die Vögel. Ich schloß wieder die Augen.

 

Plötzlich kam innen das Licht, langsam wie die anbrechende Dämmerung, und wuchs intensiv, bis es schien, als würde die Sonne sich über den Horizont erheben, und in diesem Licht stiegen andere Erscheinungen auf, über die nicht gesprochen werden darf.

 

45 Minuten nach meiner Uhr beendete der Meister die Meditation und fragte jeden einzelnen unter vier Augen, was er gesehen hatte, erklärte und erläuterte. Es ist unmöglich, mein Staunen, meine Freude, ja mein Entzücken zu schildern. Hier war der praktische Beweis: “Glaube den Worten einer Meisterseele nicht eher, bis du mit eigenen Augen siehst wovon er spricht. (Sant Kirpal Singh in “Gottmensch” S. 80). Und wenn die Theorie der Religion mir hierdurch demonstriert war — “im Laboratorium der Seele” — durch wen war sie realisiert? Und wer war dieser scheinbar gewöhnliche Mensch, der spirituelle Erfahrungen gehen konnte? Wer gab sie so als freies Geschenk? Wer sprach mit “Autorität”? Aber halt — da war noch ein weiterer Schritt zu tun, bevor eine volle Antwort gegeben werden konnte, und so wurden wir angewiesen, uns in ungefähr einer Stunde noch einmal zu versammeln, diesmal für den Tonstrom, das Wort, oder die Stimme Gottes.

 

War ich schon fast betäubt von den wunderbaren Enthüllungen der ersten Meditation — was würde in der zweiten geschehen? Wieder versammelten wir uns und sollten die Hände auf die Stirn legen und die Daumen in die Ohren, um äußere Geräusche abzuschließen, und ohne Anstrengung lauschen, was sich innen auftun würde. Wieder geschah lange Zeit nichts, und dann kam der Ton, einfallend in fünf Kategorien. Da endete diese höchst wundervolle Erfahrung. Unmöglich, die Freude und Gemütsruhe zu schildern, die Gewißheit der Realität des Geistes, wenn sie einmal gesehen.

 

Auf einmal kommt ein Rückfall in den früheren Zustand — wer ist dieser Mensch, der wirklich tut, was er verspricht, im Schauen und im Hören?

 

Als ich an diesem Abend zu meinem Hotel zurückfuhr, wurde mir plötzlich bewußt, daß all mein Elend und aller Kummer von mir gewichen und ich bis zum Rande von Seligkeit erfüllt war. Da verstand ich wie nie zuvor den Sinn jener Worte: “Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid.”

 

Als ich in mein Zimmer ging, schaltete ich das Licht an, und als ich mich aus irgendeinem Grunde umwandte, schloß ich die Augen, und da stand der Meister vor mir in seiner strahlenden Gestalt, lächelnd, leuchtend wie Gold! Ich öffnete die Augen und schloß sie wieder und wieder war er da, ich öffnete sie und ging völlig ergriffen durch den Raum — und er war noch da. Da rief ich laut in jubelndem Staunen: “Es ist wahr, es ist alles wahr — es ist wirklich alles wahr!”

 

Weihnachtsabend 1966, nie werde ich ihn vergessen!

 

 

HAZOOR BABA SAWAN SINGH JI ZUM RUHME

 

Die Strahlende Sonne, der Urtyp himmlischen Lichts,

ist als Meister Sawan erstanden.

Wen Seine Strahlende Schönheit auch immer trifft,

der ist außer sich und trunken wie ein Verliebter.

Jeder spricht von Ihm, Sein Ruhm ist in aller Munde —

und die Welt selbst ertönt Ihm zum Preise.

Unermeßlich ist das magnetische Feld Seiner Liebe,

das unvergleichlich und zugleich unbeschreiblich ist.

Welch bezaubernde Schönheit hat mein Herz entflammt

mit den funkelnden Strahlen aus Seinen Augen!

Möge Sein Bild im Tempel meines Herzens bleiben;

Tag und Nacht will ich über ihn meditieren.

Möchte die Erinnerung an Sein Sttahlendos Antlitz

immer meinen Geist beherrschen.

Wer nach Wahrheit sucht,

muß sich im liebenden Sonnenschein Meister Sawans erwärmen.

 

Er ist die personifizierte Demut, liebevoll in Seiner Rede —

es gibt keinen in der weiten Welt, der Ihm gleicht.

Nie habe ich einen ähnlichen gesehen, noch je von ihm gehört,

o, allein Sein Name ist mir teuer!

Wer Ihn auch nur für eine kurze Weile sieht,

wandert sein Leben lang rastlos einher mit Sawan‘s Lobpreis auf den Lippen.

Er ist die Stütze aller, hier und danach bis in Ewigkeit,

und Seine Getreuen sind immer gesegnet.

Im Himmel und auf Erden gedenken alle Seiner;

denn Sein bloßer Anblick ist bezaubernd,

Das Idol meines Herzens lebt an den Ufern von Beas,

und Sein Wort ist allen Gesetz.

Ich will nicht den Himmel noch das Paradies mit all seiner Pracht,

denn die Schwelle meines Meisters steht über allem.

Ihr alle, die ihr die Wahrheit sucht - folgt dem Großen Meister;

denn das Meer Seiner Güte ist übervoll.

 

Seine göttliche Gnade fließt allen zu

und sieht nicht auf Stand oder Glauben.

Wer zu Ihm kommt, wird reichlich belohnt;

denn die Schatzkammer von Sawan ist für alle offen.

Wer kann die Vorzüge Sawan‘s besingen; da Seine Glorie alles überstrahlt?

Wie kann Jamal*, der Sklave Sawan‘s, Sein Heiligtum verlassen?

 

Kirpal Singh

 

* (Schriftsteller)—Deckname Kirpal Singhs

 

 

DIE NOTWENDIGKEIT DER SPIRITUALITÄT

 

von Annemarie Ruthenberg

 

Spiritualität, meist mit intellektuellem Denken oder religiösen Betrachtungen verwechselt, kann man nur von einem wahren lebenden Meister empfangen. Sie ist die höchste Gabe des Einen, der kompetent ist, sie seinen wahren Ergebenen zu verleihen. Und sie ist die einzige himmlische Gabe, nach der wir während dieses Erdenlebens streben sollten. Wenn wir sie nicht erlangen, war dieses Leben vergebens.

 

Spiritualität ist Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis. Ohne Spiritualität kann uns aller Wohlstand und Reichtum dieser Welt nicht helfen. Niemand und nichts kann uns das richtige Wissen von unserer Seele und von Gott geben, wenn wir nicht den wahren Meister-Guru suchen und finden, der allein uns darüber unterrichten und uns in die Wissenschaft des Jenseits einweihen kann und der unsere Seelen mit dem heiligen Licht und dem Ton-Strom (oder dem Wort) in Berührung zu bringen vermag.

 

Der Meister lehrt uns, daß Spiritualität ein anderer Name für Surat Shabd Yoga ist, d. h. für die Wiedervereinigung des Surat — des Bewußtseins oder der Seele - mit Shabd, dem heiligen Tonstrom oder dem Wort. Spiritualität liegt und führt weit jenseits aller Glaubensbekenntnisse und Religionen. Sie hängt nicht von unserem blinden persönlichen religiösen Glauben oder Bekenntnis ab, denn sie ist eine Wissenschaft wie jede andere Wissenschaft auch und ergibt Resultate von mathematischer Genauigkeit, die man erfahren kann, wenn man den Lehren und Geboten eines wahren Meisters folgt, der uns zeigt, wie ein wahrhaft spirituelles Leben zu führen ist.

 

Kein Erfolg oder Fortschritt in dieser Welt kann uns näher zu Gott führen oder kann uns inneren Frieden und Erlösung geben. Ein Mensch, der kein wirklich spirituelles Leben führt, hat den Zweck seiner irdischen Existenz verfehlt. Wir können uns nicht selbst von unseren karmischen Schulden, von den Bindungen des Gemüts und der Materie, von der Welt oder den Sinnen befreien. Wir müssen versuchen, den Meister-Guru zu finden, der allein uns den Ausweg zeigen und den einzigen Pfad zu Gott führen kann. Solange wir ihn nicht gefunden haben, bleibt unser Suchen nach Gott an den Sinnenplan gebunden, und unsere Gebete bleiben nur im Gemüt und Intellekt.

 

Spiritualität ist eine tatsächliche praktische Erfahrung von Gott und kann daher nicht in Kirchen oder Tempeln gepredigt werden, da die verschiedenen Religionen im Laufe der Zeit den ursprünglichön Grundbegriff verloren haben und nur ein Kodex oder Gesetz für soziales Verhalten oder ethische Prinzipien geworden sind. Sie kann auch nicht in Büchern gefunden werden. Wahre Religion oder wahre Spiritualität bedeuten die Verbindung der Seele mit Gott im Innern, und die Lehren der wahren Meister sagen uns, daß beide — Gott und die Seele — im gleichen Tempel wohnen: im menschlichen Körper. Aber sie sind von einander getrennt und können nicht zu einander finden, da der Mensch von Egoismus und seinem eigenen Willen erfüllt ist und infolgedessen nicht dazu neigt, Gott zu suchen und nach Seinem Willen zu handeln. Die meisten bekannten Religionen lehren, daß die Erlösung oder Befreiung nach dem Tode kommen wird. Sie wissen nicht mehr, das Erlösung ohne Spiritualität undenkbar ist. Sie halten religiöse Gefühle schon für Spiritualität, da sie nicht wissen, daß letztere nicht von dieser Welt ist und man sie nur von einem wahren lebenden Meister erlangen kann. Spiritualität kann man auch nicht durch Körperübungen gewinnen, wie manche Menschen glauben, denn sie geht weit über den Körper und den Sinnenplan hinaus.

 

Das Streben nach Spiritualität beginnt daher mit dem Suchen nach dem wahren Meister—Guru, der allein sie geben kann. Spiritualität kann nicht gelehrt oder gelernt werden, aber der wahre Meister gewährt sie jenen, die ernsthaft nach der Gott—Verwirklichung suchen. Er gibt seine Instruktionen an die Aspiranten der Spiritualität, infiziert sie zum Zeitpunkt der Initiation mit seinem Lebensimpuls und verbindet den Geist des Schülers mit der Meisterseele oder Gott selbst, indem er das heilige Licht im Innern anzündet und den heiligen Tonstrom hörbar macht.

 

So kann Spiritualität nur von dem Einen, der vollkommen davon erfüllt und damit infiziert und darin eingebettet und daher autorisiert ist, sie weiterzugeben, aufgefangen werden, wie man eine Infektionskrankheit auffängt: von dem Meister-Guru selbst. Er ist das einzige und wahre Schatzhaus der Spiritualität und verteilt sie an alle, die ernsthaft danach suchen, denn sie ist der einzige Ausweg aus ihren Schwierigkeiten und der einzige Pfad zu ihrer Erlösung und Befreiung.

 

Nur der wahre Meister kann Spiritualität vermitteln, der Guru, der direkt von Gott mit dem Göttlichen Auftrag in diese Welt gekommen ist, die suchenden und irrenden menschlichen Seelen zu lehren und Heim zu führen. Wir müssen unser Herz und unsere Seele weit öffnen, um seine himmlische Gabe zu empfangen. Er allein kann die “Tür” zu Gott öffnen, von der Christus sagte:

 

“Ich bin die Tür; so jemand durch mich eingeht, der wird selig werden und wird ein— und ausgehen und Weide finden.”

 

Joh. 10,9

 

Und er allein kann diese Tür wieder schließen, wenn nötig.

 

Wir sehen also, daß die Notwendigkeit der Spiritualität die gleiche ist wie die Notwendigkeit, den wahren Meister zu finden, da das eine ohne das andere undenkbar ist. Niemand sollte glauben, daß er Spiritualität gewinnen könnte ohne absoluten Gehorsam seinem Meister gegenüber. Es ist ganz nutzlos, immer aufs neue zu versichern: “Meister, ich liebe Sie”, wenn man ihm nicht in allen Punkten gehorcht. Sicher, wir dürfen und müssen uns auf seine unendliche Gnade und sein Mitleid verlassen und darauf trauen, aber wir können uns seine Gnade nur durch vollkommene demütige Selbstauslieferung und hingebungsvollen Gehorsam zuziehen. Wir müssen unseren Willen zu seinem Willen machen, dann werden wir seine Gnade und sein Wohlgefallen herbeiziehen in vollem Ausmaß und werden Spiritualität gewinnen - Gotterkenntnis - Erlösung.

 

Der Meister sagt:

 

“Wenn ihr mich liebt, haltet meine Gebote.”

 

Die ernsthaften Sucher nach der Spiritualität müssen daher versuchen, nach den Instruktionen des Meisters zu handeln. Sie sollen sich an die rein vegetarische Diät und die Seh- und Hörübungen halten wie vom Meister gelehrt. Sie müssen ein Tagebuch führen über die Zeit, die sie für ihre Meditationsübungen aufgewandt haben, und über die Fehler, die sie hinsichtlich Ahimsa (Nicht-Verletzen) Wahrheitsliebe, Keuschheit (Reinheit)‚ Liebe für alle, Diät und selbstlose Dienste gemacht haben. Dieses Tagebuch soll zur weiteren Führung und Hilfe alle drei Monate an den Meister gesandt werden.

 

Je mehr der Schüler versucht, die Instruktionen des Meisters in jedem Punkt zu befolgen, desto mehr wahre Hingabe an den Meister wird er entwickeln. Der Schüler muß lernen, seinen eigenen Willen vollkommen aufzugeben — seinen Willen und sein kleines Ego — und sich selbst völlig in den Willen des Meisters zu überantworten. Je mehr er dies mit Erfolg tut, desto mehr wahre Empfänglichkeit für die Gnade und die innere und äußere Hilfe und den Beistand seines Meisters wird er entwickeln. Der Meister kennt so viele Wege, uns zu führen, und wir sollten stets unser grenzenloses Vertrauen in ihn stärken und sollten unsere ganze Aufmerksamkeit auf den Punkt hinter und zwischen den Augenbrauen gesammelt halten, wo er in jedem Augenblick darauf wartet, uns zu begegnen.

 

Wir können seine Gnade und seine inneren Weisungen und Segnungen nur im gleichen Maße empfangen wie wir unsere Liebe zu ihm und unsere innere Hingabe und Empfangsbereitschaft entwickelt haben. Solange unsere Aufmerksamkeit in der äußeren Welt spielt, können wir nicht gleichzeitig auf die Stimme des Meisters lauschen und können keine Spiritulität gewinnen. Aber je erfolgreicher wir das heilige Licht und den heiligen Tonstrom berühren — das Wort — desto mehr wird unsere Hingabe, unsere Liebe und Empfänglichkeit und — nicht zu vergessen — unsere tiefe Dankbarkeit gegenüber dem geliebten Meister zunehmen, der uns zurückführt zu unserer wahren Heimat in Gott.

 

“Bleibet in mir und ich in euch. Gleichwie die Rebe kann keine Frucht bringen von ihr selber, sie bleibe denn am Weinstock, also auch ihr nicht, ihr bleibet denn in mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun.”

 

Joh. 15,4-5

 

 

AUSZÜGE AUS “SPIRITUELLES ELIXIER”

 

(Fragen, die durch den Meister beantwortet wurden)

 

Frage: Müssen wir, bevor wir sterben, allen vergeben, die uns Unrecht getan haben, um nach dem Tode auf den höheren Ebenen fortschreiten zu können?

 

Antwort: Wir sollten lernen, zu vergeben und zu vergessen, denn es ist ein goldenes Lebensprinzip, um Frieden und Harmonie zu erlangen, was so sehr hilfreich ist beim Erlangen einer ruhigen und kontemplativen Stimmung, die uns wiederum mit erfolgreichen Meditationen segnet. Rache zu üben ist feige, aber die Fehler anderer zu vergeben, ist eine Sache tugendhaften Adels. Den Initiierten wird geraten, jeden Tag, ehe sie sich zurückziehen, nach dem Stand ihres Karmas zu sehen, um festzustellen, ob sie sich während des Alltags jemandes Mißfallen zugezogen oder jemandem Unrecht, getan haben. Falls sie es taten, sollten sie es bereuen und die göttliche Gnade erbitten. Wenn auf ähnliche Weise andere ihnen Unrecht getan haben, sollte dies im Namen des Meisters vergeben werden. Es gibt ein sehr gutes Beispiel in der Bibel, wo es heißt, daß man vor dem Gebet die Fehler und Unzulänglichkeiten seines Bruders, der einem Unrecht getan hat, vergeben sollte, so daß der Vater im Himmel auch die eigenen Mängel nachsieht. Durch die alltägliche Praxis müssen wir einen Sinn des Vergebens entwickeln. Wir müssen allen vergeben, die uns Unrecht getan haben, bevor wir diese irdische Ebene verlassen, da es für den Fortschritt der Seele auf den inneren Ebenen hilfreich ist.

 

Frage: Soll ich, wenn möglich, solche meiden, die mir wegen ihrer weltlichen Art und negativen Schwingungen, speziell bei längerer Verbindung, Leid bringen?

 

Antwort: Sage mir, mit wem du umgehst und ich will dir sagen, wer du bist. Der Umgang, den wir pflegen, formt unseren Charakter, und die spirituellen Aspiranten sollten darum vorsichtig und sehr wachsam sein. Die weltlich gesinnten Menschen sind für gewöhnlich in Körper- und Sinnenfreuden verstrickt, und ihr Handeln wirkt sich nachteilig auf den spirituellen Aspiranten aus. Ihr sollt wissen, daß euer Weg der ins Jenseits ist, wohingegen die Weltklugen ihre eigenen Bestrebungen in der Befriedigung der Sinne verfolgen. Ihr solltet eine nicht geistesverwandte Gesellschaft im weiteren Interesse eures spirituellen Fortschritts meiden. Auch das Lesen unanständiger Literatur wirkt sich nachteilig aus und sollte darum gewissenhaft vermieden werden.

 

Frage: Haben wir als Satsangis ein besonderes Ziel oder eine besondere Verantwortung?

 

Antwort: Ja, als Initiierte haben wir eine Pflicht auf uns genommen, und mit der Pflicht eine bestimmte Verantwortung. Ein Schüler des Ruhani Satsang nimmt die wichtigste und schwierigste Aufgabe der Welt auf sich, nämlich, sich selbst und seine Mitmenschen zu befähigen, Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis zu erlangen. Somit ist unser Ziel das Wissen vom Jenseits. Die Wissenschaft der Seele sucht die menschliche Seele durch Überschreiten der physischen, astralen und kausalen Seinsebenen, eins zu machen mit Gott. Aus diesem Grunde ist sie völlig unabhängig. Äußere Formen und Zeremonien, Riten, Rituale, Opfergaben, Nachtwachen oder Pilgerfahrten sind rein äußerliche Praktiken, genannt Apara Vidya. In unseren Satsangs sollten wir die Wissenschaft vom Jenseits nicht mit irgendwelchen anderen Bewegungen vermischen, die sich nicht mit dieser Wissenschaft befassen. So ist es das Hauptziel unseres Lebens, uns selbst zu erkennen und Gott zu erkennen. Wir dürfen niemals davon abweichen und müssen bei allem was wir tun überlegen, ob es uns unserem Ideal näher bringt oder ob wir uns weiter davon entfernen, und unsere Verantwortung ist, allen ein gutes Beispiel zu geben.

 

Frage: Ist ein disziplinierter Initiierter einer, der die Satsangs regelmäßig besucht, an der vegetarischen Diät festhält und den Praktiken unter Beachtung der Selbstprüfung Zeit widmet?

 

Antwort: Ja, das sind die Haupttugenden eines disziplinierten Initiierten, die sich mit liebevoller Bescheidenheit eingeprägt und angeeignet werden sollten.

 

Frage: Sollen wir versuchen, die vielen sozialen Probleme, denen sich die Menschheit gegenübersieht, durch höhere Bildung und Forschung tagsüber zu studieren und unsere späten Stunden in Meditation zu verbringen, oder können wir diesen Problemen den Rücken kehren, um uns mit unserer Suche nach Gott zu befassen?

 

Antwort: Die disziplinierten Initiierten sollten sich bemühen, ihre weltlichen Pflichten als eine Routinesache nach bestem Vermögen zu erfüllen, aber mit einer ruhigen Losgelöstheit. Die Gottverwirklichung sollte als die einzige Sache von großer Bedeutsamkeit betrachtet werden, und allen anderen Dingen sollte man, so nötig, ernsthaft nachkommen, damit es euch die innere Befriedigung gibt, daß ihr euren Teil wohlgetan habt.

 

Frage: Wie wird die Christuskraft von einem Meister auf den anderen übertragen?

 

Antwort: Sie wird durch die Augen übertragen. Es ist jedoch eine Tatsache, das der auserwählte menschliche Pol, durch den die Meisterkraft zur Befreiung und Führung der Menschheit wirkt, schon viel früher dafür bestimmt wurde. Es gibt lebendige Beweise in dieser Hinsicht, daß die Lieben, die nie zuvor etwas über Sant Mat gehört haben und in weit entfernten Ländern leben, Visionen des Meisters hatten, lange bevor er die Rolle des lebenden Meisters übernahm. Es ist die göttliche Form, die zur Führung der Menschheit wirkt. Sie sind durch die Gotteskraft oder Christuskraft erwählt und nicht durch die Öffentlichkeit oder durch übermittelte Dokumente.

 

Frage: Sind alle Meister groß?

 

Antwort: Kabir sagt, daß er alle Meister verehrt, aber dem Einen, der das personifizierte Wort ist, die höchste Achtung zukommen sollte.

 

Frage: Wie bestimmt man einen großen Meister?

 

Antwort: Soamiji Maharaj hat diese Frage im “Sar Bachan” sehr schön beantwortet. Er empfiehlt, wenn man von einem Heiligen oder Meister hört, zu ihm zu gehen und ihm in tiefer Demut und Verehrung nahe zu sein. Schaut dann wie ein Kind mit tiefer Empfänglichkeit in seine Augen und auf seine Stirne. Ihr werdet spüren, daß eure Seele nach oben gezogen wird und die göttliche Ausstrahlung von seinen Augen und seiner Stirne wahrnehmen. Und wenn irgendwelche Fragen euer Herz bewegen, werden sie in seiner Rede automatisch und ohne Bemühung eurerseits beantwortet. Aber vor allem ist der Prüfstein für den vollendeten Meister, eine Verbindung mit dem heiligen “Naam” im Innern zu haben, dessen unterstes Ende in Form des göttlichen Lichts und des heiligen Tonstromes bei der Initiation erlangt werden muß. Darüber hinaus sollte er kompetent sein, seinen Initiierten auf der Astralebene Führung zu geben, und er muß die Seele zur Zeit ihres physischen Todes beschützen.

 

Frage: Was ist ein Sant oder ein Meister?

 

Antwzrt: Ein Sant oder ein Meister ist in der Heiligenterminologie einer, der sich nach Belieben nach “Sach Khand”, der fünften Ebene, begeben und wieder zurückkehren und der euch eine Erfahrung der Verbindung mit dem Wort oder “Naam” geben kann.

 

“Mahatma” ist ein Wort in der Landessprache, mit dem eine hoch entwickelte Seele bezeichnet wird. Diese Worte werden jedoch heutzutage nicht so genau genommen und selbst ein gewöhnlicher Mensch mit einem geringen Grad von Frömmigkeit wird Sant oder Meister genannt. Aber ihr braucht euch nicht um Worte zu sorgen.

 

Frage: Welches ist die Geschichte der Meister?

 

Antwort: Meister sind zu allen Zeiten gekommen. Die ‘Surat Shabd‘—Wissenschaft jedoch wurde zur Zeit von Sant Kabir und Guru Nanak und später durch andere Meister kundgetan.

 

Frage: Ist es möglich, allein auf diesem Pfad Erfolg zu haben?

 

Antwort: Nein. Um auf diesem inneren Pfad Erfolg zu haben, müssen wir einen finden, der ihn bis zu seinen äußersten Grenzen erforscht hat. Ein lebender Meister ist eine unumgängliche Notwendigkeit und ein unentbehrliches Mittel, um die Selbstverwirklichung zu erlangen. Auf der rein physischen Ebene dient er als das lebendige Beispiel eines vollkommenen Lebens. Er kündet uns von unserer wahren Heimat und dem Weg, der dahin führt. Auf der spirituellen Seite gibt er uns Einzelheiten des inneren Pfades, seiner Verwicklungen und Schwierigkeiten bekannt, verleiht seine Aufmerksamkeit bei einer ‘tatsächlichen Erfahrung‘ des Zurückziehens vom Körper und vom inneren Licht und Ton, und führt uns durch die schwierigeren Strecken unserer inneren Reise, bis wir unser Ziel erreichen.

 

Frage: Es gibt viele, die sich selbst Meister nennen. Wie kann man einen wahren Meister erkennen?

 

Antwort: Ein wahrer Meister widmet sich den Zurückbringen der Seelen in die wahre Heimat ihres Vaters. Ein wahrer Meister gibt mehr als bloße Theorie. Er gibt seinem Schüler die Erfahrung. Er zeigt den Weg zu Gott, der im Innern liegt. Gott und der Meister sind innen. Diese Frage bedrängt für gewöhnlich jeden wirklichen Gottsucher. In meiner Jugend stand ich denselben Zweifeln und Fragen gegenüber. Ich wagte nicht, zu einem Meister zu gehen, aus Angst, zu einem unvollendeten Meister zu kommen, wodurch mein ganzes Leben eine einzige Enttäuschung geworden wäre. So betete ich allen Ernstes zu Gott um Führung. Mein Gebet wurde erhört; denn ein wahrer Meister begann mir etwa sieben Jahre, ehe ich ihm physisch begegnete, in meinen Meditationen zu erscheinen, und ich erkannte ihn als denselben Großen Meister, Sawan Singh. So verbleibt die Frage, wie einen wahren Meister zu erkennen. Rein äußerlich sollten wir darauf sehen, daß er keine selbstischen Motive verfolgt. Er sollte von seinem eigenen schwer verdienten Geld leben, und nicht auf äußeren Pomp und Schaustellung bedacht sein. Er wird ein einfaches Leben führen und reine Gedanken haben.

 

Seine wahren Qualifikationen liegen in seiner Befähigung, den Initiierten eine Ersthand-Erfahrung zu geben durch das Öffnen des inneren Auges, um das Licht Gottes zu sehen, und des inneren Ohres, um die Stimme Gottes, das Ton—Prinzip, zu hören. Der Umfang dieser Erfahrung entspricht dem Hintergrund und der Empfänglichkeit des Initiaten. Nach der Initiation ist die einzige Regel für unsere Beurteilung, der eigene innere Aufstieg zu den spirituellen Ebenen. Dadurch kann man selbst sehen und allen Meistern begegnen, den früheren und den gegenwärtigen, wo immer sie sind, in den höheren oder niedrigeren Bereichen.

 

Frage: Wie unterscheidet sich ein Meister von einem gewöhnlichän spirituellen Lehrer?

 

Antwort: Der Meister—Heilige ist äußerlich ein Mensch wie jeder andere von uns, aber durch die Segnungen und die intensive spirituelle Disziplin hat er sich ins kosmische und überkosmische Bewußtsein erhoben. Er ist eins geworden mit Gott und ist ein bewußter Mitarbeiter an Seinem göttlichen Plan. Er ist eine lebendige Verkörperung von Gottes Liebe und tut nichts aus sich selbst. Er wird nicht durch irgendeine Art von Eigennutz bewegt, sondern wirkt einzig und allein zum Vorteil der leidenden Menschheit.

 

Frage: Heißen die Meister die Sünder willkommen?

 

Antwort: Ja; die Seele ist vom gleichen Wesen wie Gott und der Meister schaut auf alle als verkörperte Seelen. Somit sind ihm alle teuer. Er wünscht ihnen, die wahre Heimat des Vaters zu erreichen. Kommt zu ihm ein reuiger Sünder mit einem aufrichtigen Herzen, dann ist er für ihn annehmbar. Wir sind alle Sünder und kommen zu ihm, um gereinigt zu werden.

 

 

SURAT SHABD YOGA

 

(2. Fortsetzung und Schluß)

 

Von ‘tisra—til‘, dem ‘dritten Auge‘ aus, verbreitet sich der spirituelle Strom im Körper. Alles, dessen man somit bedarf, ist, sein Abwärtsfließen an dieser Stelle aufzuhalten, indem man die Sinne unter Kontrolle bringt; denn dann sammelt er sich von selbst und fließt zu seinem Ursprung zurück.

 

Verschließe deine Lippen, deine Ohren und deine Augen; und wenn du dann die Wahrheit nicht entdeckst, steht es dir frei, mich zu verhöhnen.

 

Hafiz

 

Der Sucher hat es nicht nötig, am unteren Ende zu beginnen; alles, was er tun muß, ist, den spirituellen Strom in eine andere Richtung zu lenken und alles weitere wird folgen.

 

Wodurch können wir den Herrn erreichen?

Man braucht nur das Herz umzupflanzen.

 

Inayat Shah

 

Diese Einfachheit der Annäherung, verbunden mit nur geringer Anstrengung, hat viele bewogen, den Surat-Shabd Yoga als den ‘Sahaj Marg‘ oder den leichten Weg zu bezeichnen. Er beginnt dort, wo die anderen Yogas normalerweise enden. Sahasrar, die Region des tausendfältigen Lichts, welche das Ziel der gewöhnlichen Yogi—Reise kennzeichnet, nachdem die verschiedenen Körperchakras durchquert sind, ist in etwa die erste Stufe, die der Übende des Surat—Shabd Yoga nehmen muß. Weiter vermindert dieser Yoga die Anstrenung beim Übersteigen des Physischen in in hohem Maße, weil er davon abläßt, auf die Pranas und Kundalini-Energien störend einzuwirken. Durch die Berührung dem Ton-Prinzip werden die Sinnesströme automatisch nach oben gezogen, ohne daß der Übende dieses Ziel bewußt anstrebt, und die motorischen Ströme beeinträchtigt würden. Dies vereinfacht nicht nur das Eingehen in don Samadhi—Zustand, sondern ebenso den des Zurückkehrens. Der Adept auf diesem Pfad braucht keine äußere Hilfe, um wieder zum physischen Bewußtsein zu gelangen — wie es bei einigen anderen Yogaformen der Fall ist, denn der spirituelle Aufstieg wie auch der Abstieg kann aus völlig freien Stücken erfolgen und in Gedankenschnelle erreicht werden. Die Methode des transzendenten Hörens ist nur eine Ausweitung dessen, was wir normalerweise täglich tun. Wenn wir einem verwickelten Problem gegenüberstehen, sammelt sich unsere ganze bewußte Energie an einem einzigen Punkt - dem Sitz der Seele — ohne daß dabei die pranisch—motorischen Energien, die automatisch in unserem Körper wirksam sind, beeinträchtigt würden. Einer, der Surat-Shabd übt, erlangt diese Konzentration willentlich und zielbewußt durch ‘simran‘ und ‘dhyan‘, und sobald er sich mit dem tönenden Wort verbunden hat, wird der sonorisch—spirituelle Strom, der noch im Körper ist, unweigerlich aufwärts gezogen und dadurch ist das vollständige Übersteigen des Physischen erreicht.

 

Diese Natürlichkeit und Leichtigkeit des Sahaj macht den Surat-Shabd Yoga allen zugänglich. Die Musik des Göttlichen Wortes vibriert in allen gleich, und einer, der diesen Pfad verfolgt, bedarf keines speziellen physischen oder intellektuellen Rüstzeuges. Er steht den Alten genauso offen wie den Jungen, den Sündern wie den Heiligen, den Einfachen wie den Gebildeten, Frauen und Kindern wie den Männern. In der Tat machen Frauen und Kinder dank der ihnen eigenen einfacheren Denkweise und ihrem spontanen Vertrauen anfangs oft schnellere Fortschritte bei dieser Methode als ihre mehr weltklugen Brüder; wenngleich ein voller Erfolg auf diesem Gebiet von unerschütterlicher Ausdauer und Bemühung abhängt, die nicht immer in Erscheinung treten. Da keine strenge und umfassende Schulung bezüglich der Ernährung und keine körperlichen Übungen verlangt werden, ist ein ‘sanyasa‘ oder völliger Verzicht auf die Welt nicht notwendig und sie kann von den ‘grahstis‘, den Verheirateten, genauso verfolgt werden wie von den ‘brahacharis‘, die das Zölibatgelübde abgelegt haben. Wenn die pranischen und vigyanischen Systeme die natürlichen sein würden, dann müßten wir zu dem Schluß kommen, daß die Natur parteiisch ist; denn die physischen und geistigen Fähigkeiten, die sie voraussetzen, sind unter den Menschen sehr ungleich verteilt. Wenn die Sonne und die Luft für alle da sind, warum sollten dann die spirituellen Gaben nur ein paar wenigen Auserwählten vorbehalten sein? Überdies können Prana und Vigyana bestenfalls bis zu der Ebene ihrer Herkunft führen; und da sie nicht rein spiritueller Natur sind, wie vermöchten sie dann einen zum Bereich des reinen Geistes zu bringen?

 

Wenn es jedoch heißt, daß der Surat—Shabd Yoga die vollkommenste und natürlichste Yoga—Wissenschaft ist, so bedeutet das nicht, daß er keine Bemühungen erfordert und daß man sich nur auf ihn zu verlegen braucht, um Erfolg zu haben. Wenn das der Fall wäre, würde die Menschheit nicht so im Finsteren umhertappen wie heutzutage. Tatsache ist, daß kompetente Lehrer dieser Krone aller Wissenschaften selten sind und daß, selbst wenn man einen solchen findet, nur wenige vorbereitet sind, um sich der Schulung zu unterziehen, die erforderlich ist. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Die meisten Menschen sind so tief in die Liebe für die Welt verstrickt, daß sie selbst dann, wenn sie einen Schimmer der inneren Schätze erblickt haben, ihre weltlichen Wege nicht aufgeben wollen, um sich auf das zu konzentrieren, dessen Besitz einen zum Herrn von all dem macht. Da bei diesem Yoga die Betonung stets auf dem Inneren und niemals auf dem Äußeren liegt, gibt es kaum einen besseren Weg für die Menschen im allgemeinen. Wie viele gibt es, die ihr ganzes Leben äußeren Ritualen und Zeremonien widmen, und wie wenige vermögen selbst nur für Augenblicke vollkommene innere Konzentration zu erlangen, die nicht durch weltliche Gedanken gestört ist. Dies hat Kabir veranlaßt, ihn mit dem Gehen auf eines Schwertes Schneide zu vergleichen, während die Sufis von ihm als das ‘rah-i-mustqim‘, feiner als ein Haar und schärfer als eine Rasierklingc, sprechen; Christus beschrieb ihn als den “schmalen und engen Weg”, den nur wenige jemals beschreiten. Aber für einen, den die Welt nicht lockt und der Gott innig liebt, gibt es keinen einfacheren und schnelleren Weg. Er bedarf keiner anderen Kraft als der seines eigenen Dranges und durch sein aufrichtiges und starkes Verlangen nimmt seine Seele, frei von allen irdischen Bindungen, vom Strom des Shabd zum Ausgangspunkt getragen, den Flug heimwärts, zum Hafen des Friedens und der Glückseligkeit. Und sollte er auf seinem Heimwärtsflug irgendwelchen Behinderungen ausgesetzt sein, so ist ein strahlender Freund immer zugegen, um ihn davor zu bewahren und vor allen Fallgruben zu beschützen. Der Weg durch die höheren Ebenen liegt so vollständig gekennzeichnet vor ihm, wie jener der Hatha—Yogis durch die niederen Körperchakras; und getragen von einer solchen Kraft und von einem solchen Freund geleitet, kann ihn nichts abschrecken oder gefangennehmen und nichts vermag die Stetigkeit seines weiteren Weges zu beeinträchtigen.

 

Ergreife das Kleid von einem, o tapfere Seele, der alle Orte bestens kennt, die physischen, mentalen, supra-mentalen und spirituellen; denn er wird dein Freund im Leben wie im Tode, in dieser Welt und in den jenseitigen Welten bleiben.

 

Jalalud-din Rumi

 

Und Guru Nanak sagt:

 

Wer einen wahren Meister gefunden hat und dem vollkommenen Weg des Heiligen Wortes folgt, wird, lachend und lebend in dieser Welt, völlige Befreiung finden.

 

Und wieder heißt es:

 

Wie der Lotos soll er sich unbefleckt über den Sumpf der Welt erheben; und wie der Schwan soll er, unberührt und unbehindert durch ihre schlammigen Wasser emporfliegen.

 

Der Meister

 

Abgesehen von seiner wissenschaftlichen Methode und dem im Vergleich leicht zu gehenden natürlichen Weg, der frei von den Nachteilen anderer Yogaformen ist, ist ein weiteres bezeichnendes Merkmal des Yoga des Tonstromes der einmalige ünd eindringliche Nachdruck, den er beständig auf die Notwendigkeit eines ‘Satguru‘, ‘Pir—e—rah‘ oder ‘Murshid—i—Kamil‘, einen kompetenten lebenden Meister, legt. Obwohl über dieses Thema bereits gesprochen wurde als die drei Ecksteine einer Betrachtung unterzogen waren, bleibt doch noch vieles auszuführen.

 

Die ‘guru—shish‘ oder ‘guru—sikh‘ Beziehung ist bei allen Formen des praktischen Yoga von Bedeutung; aber hier ist sie in einem einzigartigen Sinn ein Grundfaktor. Denn beim Surat—Shabd Yoga ist der Meister nicht nur ein Wesen, das uns die wirkliche Natur des Seins erklärt, uns die wahren Werte des Lebens kundtut und uns in den zu praktizierenden ‘sadhans‘ unterweist, damit wir innerlich fortschreiten können; er ist all das und noch mehr. Er ist auch der innere Führer und leitet die Seele von einer Ebene zur anderen, bis sie ihre letzte Bestimmung erreicht; er ist ein Führer, ohne dessen Hilfe sie die dazwischenliegendun Stufen fälschlicherweise für das letzte Ziel halten und sie auf Hindernisse stoßen würde, die sie unmöglich überwinden könnte.

 

Man braucht sich nicht zu wundern, daß alle Mystiker, die diesen Weg gegangen sind, über die Rolle des Meisters, so wie sie ist, mit höchster Verehrung und Ehrfurcht gesprochen haben. Von Kabir hören wir:

 

Ich verlange und sehne mich nach dem Staub seiner Füße - dem Staub, der das Universum schuf:

Seine Lotosfüße sind der wahre Reichtum und ein Hafen des Friedens!

Sie gewähren unaussprechliche Weisheit und führen uns den Weg zu Gott.

 

In den Sikh—Schriften heißt es:

 

Liebreich sind die Lotesfüße des Meisters, und so Gott will, sehen wir sie;

Myriaden Segnungen folgen einer solchen Schau.

 

Todi M.5

 

Die Sufis erklären:

 

Und würde ich bis in alle Ewigkeit seine zahllosen Segnungen preisen,

vermöchte ich kaum etwas darüber zu sagen.

 

Jalalud—din Rumi

 

Manche Mystiker gehen sogar so weit, daß sie seine Stellung über diejenige Gottes erheben:

 

Der Meister ist größer als Gott.

 

Kabir

 

Der Meister und Gott, beide sind offenbart;

wen nun soll ich verehren, wem Gehorsam leisten?

Wahrlich wunderbar ist der Meister,

der die Kraft Gottes im Innern enthüllt hat.

 

Sehjo Bai

 

Dies alles mag den Skeptiker zu der Annahme führen, daß es sich hier um die Vergötterung eines Menschen handelt. Und er mag fragen: Wozu diese Vergötterung eines menschlichen Wesens? Wozu soviel Lobpreis auf einen Sterblichen häufen? Die Mystiker haben zuzeiten auf diese Fragen mit heiliger Gleichgültigkeit geantwortet:

 

Die Menschen bezichtigen Khusro des Götzendienstes;

das tu‘ ich wirklich; aber was hat die Welt mit mir zu tun?

 

Amir Khusro

 

Doch zuweilen sind sie ausführlicher darauf eingegangen:

 

Ohne die Großmütigkeit des Meisters erlangt man nichts;

auch nicht durch Millionen verdienstvoller Werke.

 

Gurbani

 

Hingabe an Gott verwickelt uns weiter in dieses (physische) Leben

 — bedenket das wohl. Aber Hingabe an den Meister führt uns zurück zu Gott.

 

Kabir

 

Tritt ein in das Innere und prüfe selbst;

wer von ihnen ist größer: Gott oder der Meister?

 

Gurbani

 

Gott hat mich in die Wildnis der Welt hineingetrieben; aber der Meister hat die endlose Kette der (Seelen-) Wanderung für mich zerbrochen.

Sehjo Brd

 

Alle großen spirituellen Lehrer haben betont, daß die spirituelle Reise ohne die Hilfe eines lebenden Meisters schwer ist und sie unmöglich bis zu ihrem Ende durchgeführt werden kann. Jalalud-din Rumi, der persische Mystiker, deutet nachdrücklich darauf hin, wenn er sagt:

 

Trotz all seinem Licht und der Kraft war Moses umschleiert;

so habe acht, daß du nicht ohne Flügel fliegest!

 

Er bringt seine Meinung noch klarer zum Ausdruck:

 

Suche einen Meister—Geist; denn ohne seine tätige Hilfe und Führung ist diese Reise voller Ängste und Gefahren.

 

Derselbe Ton schwingt in den Evangelien durch die Aussprüche Jesu:

 

Keiner kommt zum Vater denn durch mich.

 

Joh. 14,6

 

Und niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn,

und wem es der Sohn will offenbaren.

 

Matth. 11,27 u. Lukas 19

 

Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn,

daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat;

und ich will ihn auferwecken am jüngsten Tage.

 

Joh 6,44

 

Während er den zwölf Jüngern das Apostelamt übertrug, sagte Jesus zu ihnen:

 

Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt,

der nimmt den auf, der mich gesandt hat.

 

Matth. 10,40

 

Weshalb er auch in der Lage ist, sie, die durch ihn zu Gott kommen, bis aufs äußerste zu erretten; da er ja ewig lebt, um für sie Fürsprache einzulegen.

 

Der Meister ist wirklich der ‘Fürsprecher‘ oder ‘Rasul‘‚ der sich zwischen uns und Gott bewegt und uns mit dem heiligen Wort verbindet; ohne ihn gäbe es wenig Hoffnung auf Erlösung. Keine Freundschaft ist größer als die seine, keine Liebe wahrer als die seine und keine Gabe größer als seine Gnade. Mögen andere durch Zufallsstürme abseits getrieben werden und mag der Tod kommen, um die treuesten Liebenden zu trennen: er allein versagt nie, weder im Leben noch im Tode.

 

Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

 

Matth. 28,20

 

Er allein ist ein Freund, der mich auf meiner letzten Reise begleitet, und mich vor Gottes Richterstuhl behütet.

 

Suhi M. 1

 

Andere Gaben werden vergehen und schwinden, aber seine Gabe, das Wort Gottes, ist unvergänglich, unzerstörbar, immer leuchtend, immer süß, immer frisch, immer nett, ein Segen im Leben und ein noch größerer im Tode.

 

Woher nimmt der Meister diese einzigartige und übermenschliche Kraft, die ihn Gott nahzu gleich macht und ihn in den Augen seiner Schüler sogar über Ihn stellt? Kann sich sterbliches Fleisch mit dem Unsterblichen messen und das Endliche ins Unendliche übertreffen? Dies mag der Welt als ein Paradox erscheinen, aber diejenigen, welche das innere Reich mit offenen Augen betreten haben, sehen darin keinen Widerspruch, sondern einzig das Mysterium von Gottes Größe und Erhabenheit. Der wahre Meister ist einer, der unter Anweisung und Führung seines eigenen Lehrers die Seele zu analysieren gelernt hat, der den inneren Pfad bis zum allerletzten Ende gegangen ist und den Ursprung allen Lichts und Lebens gesehen und sich mit dem namenlosen Einen vereint hat. Und wenn er sich mit dem Namenlosen Einen vereint hat, wird er eins mit ihm und eins mit allem was da ist. Auf der menschlichen Ebene mag er uns so begrenzt erscheinen wie wir es sind, aber auf der spirituellen ist er grenzenlos und unendlich wie Gott selbst:

 

O mein Diener, folge mir, und ich werde dich mir gleich machen. Ich sage “Es werde”, und es ist, und du sollst sagen “Es werde” und es wird sein.

 

Baha U‘llah

 

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.

 

Joh. 1,14

 

Das Wort ist der Meister und der Prophet,

voll tiefer und inhaltsschwerer Weisheit.

 

Rag Ramkali M. 1

 

Als ich das Meer des Körpers aufwühlte, trat eine seltsame Wahrheit zutage;

Gott ward im Meister identifiziert und Nanak vermochte keinen Unterschied zu finden.

 

Rag Asa M. 4

 

Der Guru ist Brahma, der Guru ist Vishnu, der Guru ist Shiva, und der Guru ist wahrhaftig Par-Brahm, dem wir unseren Gruß entbieten.

 

Die Guru—Shishya Beziehung wurde oftmals beschrieben als:

 

Wer ist der wahre Meister für einen Schüler?

Shabd ist fürwahr der Meister und Surat der Schüler des Tones (Dhun).

 

Ramkali M. 1

 

Der Shabd-Guru ist zu tief und unergründlich; ohne (die waltende Kraft von) Shabd würde die Welt nur eine Wildnis sein.

 

Sorath M. 1

 

Das Wort des Meisters ist fürwahr der Meister voll des lebenspendenden Wassers.

Wer seinem Wort folgt, kann wahrlich die Ufer des Zeitlichen durchqueren.

 

Nut M. 4

 

Der Schüler Surat kann den Pfad nur mit dem Shabd—Guru gehen;

während er die himmlischen Mysterien erforscht, findet er Ruhe in der umgekehrten Quelle (des Kopfes).

 

Tulsi Sahib

 

Nimm es als Gewißheit, daß der Shabd—Guru der wahre Meister ist;

der Surat kann wirklich ein Schüler des Dhun werden, wenn er ein Gurmukh (Gefäß für das Wort) ist.

Bhai Gurdas Var 7

 

Der Meistet weilt im ‘gagan‘ (spiritueller Bereich oben)

und der Schüler im ‘ghat‘ (zwischen den beiden Augenbrauen);

wenn die beiden, Surat und Shabd, zusammentreffen, werden sie auf ewig vereint.

 

Es ist eine wesentliche und unteilbare Beziehung zwischen Gott und dem Gottmenschen; denn er dient als menschlicher Pol, durch welchen die Gotteskraft wirkt und den Jivas zur Wiedergeburt verhilft. Es ist müßig, zwischen dem Magnet und dem Magnetfeld einen Unterschied zu machen, und darum heißt es:

 

Hingabe an den Satguru ist Hingabe an den Herrn. Der Satguru sichert die Erlösung, indem er die Verbindung mit Naam (der Gotteskraft) herstellt.

 

Da er weltliche Reichtümer nicht begehrt, mag er arm erscheinen, doch er ist reich in Gottes Unendlichkeit; und sobald diese sterbliche Hülle einmal abgestreift ist, geht er wieder in dieses stille Zentrum zurück, das keinen Begrenzungen unterworfen ist. Das, was ihm seine einzigartige Überlegenheit gibt, ist dieses spirituelle Einssein mit dem Absoluten; und ihn von der menschlichen Ebene aus beurteilen zu wollen, heißt, ihn nicht zu verstehen. So sagt Maulana Rumi: “Nimm einen Gottmenschen nie als Menschen, denn obgleich er so erscheint, ist er doch weit mehr.” Es ist kraft seiner übermenschlichen Fähigkeiten, daß er der Meister wird. Mit dem göttlichen Bewußtsein eins geworden, wird er als Mensch zu Seinem Mittler und spricht nicht in seiner Eigenschaft als Individuum, vielmehr als Sprachrohr Gottes.

 

Seine Hand ist Gottes Hand, und die Kraft Gottes wirkt durch ihn.

 

Maulana Rumi

 

O mein Freund, ich spreche nichts aus mir, ich sage nur, was mir der Geliebte in den Mund legt.

Guru Nanak

 

Ich tue nichts aus mir selber, sondern wie mich mein Vater gelehret hat, so rede ich.

Joh. 8,28

 

Es ist nicht überraschend, daß der Meister als das, was er ist, so hochgehalten wird. Ihn als Werkzeug des Göttlichen zu preisen ist nur eine andere Art Gott zu preisen, und ihn über Gott zu stellen, heißt nicht, das Endliche in Gegensatz zum Unendlichen zu bringen, sondern aufzuzeigen, daß vom menschlichen Standpunkt aus der Aspekt Gottes, der sich ihm zuneigt, um ihn zu Sich emporzuheben (d. h. zentripetale) höher ist als der, welcher ihm nur erlaubt, seine Wege in der Welt der Relativität von einer Geburt zur anderen zu gehen (d. h. der zentrifugale). Wenn auch beide auf der übermenschlichen Ebene als eins und unteilbar gesehen werden.

 

Ein System, in dem der Lehrer in Hinsicht auf die innere und äußere Schulung und den Fortschritt des Schülers so im Mittelpunkt steht, daß nichts ohne seine Weisung und Führung getan werden kann, muß großen Nachdruck auf das Prinzip der Gnade legen; und die mystische Literatur verfehlt nicht diesen Aspekt zu betonen und zu unterstreichen. Aber wenn es einerseits der Meister ist, der dem Schüler alles gibt, darf nicht übersehen werden, daß er, indem er dies tut, nur etwas zurückzahlt, das er seinem eigenen Meister schuldig ist, denn die Gabe, die er verleiht, ist die, welche er selbst empfangen hat, als er auf der Stufe des Schülers war. Und somit beruft er sich gewöhnlich niemals auf sich selbst, sondern mißt seine Kraft der Gnade seines eigenen Lehrers zu. Von einem anderen Gesichtspunkt aus gesehen liegt alles im Schüler selbst und der Meister fügt dem nichts von außen her zu. Nur wenn der Gärtner die Saat gießt und pflegt, wird sie sprießen, doch das Geheimnis des Lebens liegt in der Saat selbst und der Gärtner kann nicht mehr tun, als die Bedingungen zu schaffen, damit sie Frucht tragen kann. Und das ist in der Tat die Funktion des Meisters. Ein altes indisches Gleichnis zeigt diesen Aspekt der Beziehung zwischen Meister und Schüler sehr anschaulich. Einmal, so sagt es, fing ein Schafhirte das Junge eines Löwen und zog es zusammen mit den Tieren seiner Herde auf. Das Löwenjunge beurteilte sich nach denen, die es um sich sah; es lebte und bewegte sich wie die Schafe und Lämmer, war zufrieden mit dem Gras, das sie fraßen und mit dem schwachen Blöken, das sie von sich gaben. Die Zeit ging dahin, bis eines Tages ein anderer Löwe seinen Artgenossen sah, der da inmitten der Herde graste. Er ahnte, was geschehen war und da ihm das Löwenjunge in seiner Notlage leid tat, näherte er sich ihm unbedenklich und brachte es an ein stilles Flußufer, wo er ihm sein eigenes Spiegelbild und das seine zeigte, und stieß, als sie zurückgingen, ein mächtiges Brüllen aus. Nun erkannte das Junge seine wahre Natur und tat das gleiche, während seine bisherigen Gefährten vor ihm die Flucht ergriffen. Es war nunmehr frei, sich seiner rechtmäßigen Umgebung zu erfreuen, und streifte von da an als König des Waldes umher.

 

Solch ein Löwe ist in der Tat der Meister. Er kommt, um die Seele aus ihrem Schlummer aufzustören und indem er ihr einen Sriegel vorhält, zeigt er ihr die ihr angeborene Glorie; ohne seine Berührung bliebe sie weiterhin betäubt, aber wäre sie nicht selbst vom Geist des Lebens, könnte sie durch nichts zum spirituellen Bewußtsein gebracht werden. Der Meister ist jedoch ein brennendes Licht, das die nicht leuchtenden Gefährten entzündet. Das Feuer ist da und der Docht ist da und ergibt nur die Flamme, ohne daß er dadurch einen Verlust erleiden würde. Gleiches berührt Gleiches und der Funke springt über, und das, was dunkel ist, wird erhellt und was tot war, wird lebendig. Und wie beim brennenden Licht liegt sein Vorzug nicht darin, daß es sich um ein individuelles Licht handelt, sondern darin, daß es der Sitz der nicht-individuellen Flamme ist, die weder von diesem noch von jenem Licht stammt, vielmehr von der Essenz allen Feuers. Genauso ist es auch mit dem wahren Meister. Er ist nicht kraft seiner Person ein Meister wie irgendein anderer, sondern er ist ein Meister, der das universale Licht Gottes in sich trägt. Wiederum, gerade wie ein Licht, das noch alleine brennt, auch andere Lichter entzünden kann — doch nicht eines, das schon ausgebrannt ist —‚ so kann auch nur ein lebender Meister den belebenden Anstoß geben, der notwendig ist und nicht einer, der die Welt bereits verlassen hat. Jene, die gegangen sind, waren zwar groß und aller Achtung wert, aber sie waren es vor allem zu ihrer Zeit, und die Aufgabe, die sie für jene, die um sie waren, erfüllt hatten, muß für uns von einem vollbracht werden, der nunmehr unter uns lebt und sich bewegt. Die Erinnerung an sie ist ein heiliger Schatz, eine immerwährende Quelle der Inspiration; aber das Eine, was sie uns lehrt, ist, daß wir in der Welt der Lebenden das suchen müssen, was sie zu ihrer Zeit gewesen sind. Nur ein Kuß eines lebenden Prinzen (Meisters) kann die schlummernde Prinzessin (Seele) zum Leben zurückbringen und nur die Berührung einer atmenden Schönheit kann dem Tier die ihm angeborene ursprüngliche Glorie wiedergeben.

 

Wo die Führung durch einen kompetenten lebenden Meister eine so vordringliche Notwendigkeit ist, nimmt das Suchen und Erkennen einer solchen erhabenen Seele eine überragende Bedeutung an. Es gibt keinen Mangel an falschen Propheten und Wölfen im Schafspelz. Der bloße Begriff Satguru, oder wahrer Meister, deutet auf die Existenz des Gegenteils hin; und es ist dieses Falsche, das unserem Blick auf Schritt und Tritt begegnet. Wie schwierig es auch immer sein mag, einen Gottmenschen zu finden (denn solche Wesenheiten sind selten, unaufdringlich in ihrer Demut, und es widerstrebt ihnen, sich durch auffallende Wundertaten anzukündigen oder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen) ist es dennoch nicht unmöglich, ihn unter den übrigen herauszufinden.  Er ist eine lebendige Verkörperung dessen, was er lehrt und wenn er auch arm scheint, ist er dennoch reich in seiner Armut: “Es mag scheinen, daß wir Bettler sind, doch unsere Taten sind mehr als königlich.” (Shamaz-i-Tabrez). Er wird nicht durch weltliche Dinge berührt und begehrt nichts. Er gibt seine Lehren und Weisungen als freie Gabe der Natur und sucht nie etwas dafür zu erhalten. Er erhält sich durch seine eigene Arbeit und lebt niemals von den Gaben anderer:

 

Beuge dich niemals vor einem, der sich Meister nennt,

doch von der Barmherzigkeit anderer lebt.

Nur der ist ein Meister des wahren Pfades,

der seinen Unterhalt selbst verdient und sich der Armen erinnert.

 

Sarang War M. 4

 

Ferner verwickelt ein wahrer Meistergeist unser Gemüt niemals in Widersprüche. Alle Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen und Bekenntnissen schwinden bei seiner Berührung, und die Einheit der Erfahrung im Innern, die in den verschiedenen Schriften zum Ausdruck kommt, tritt klar und deutlich zutage: “Nur das Auge des Juweliers kann den Rubin auf den ersten Blick erkennen.” (Nand Lal).

 

Das eine immer wiederkehrende Thema einer solchen Meisterlehre ist, daß die innere spirituelle Natur aller religiösen Lehren, trotz aller äußeren Unterschiede, die uns verwirren und aus der Fassung bringen, dieselbe ist. Darum kommen sie nicht, um neue Glaubensansichten und Dogmen zu verbreiten, sondern um das bestehende “Gesetz” zu “erfüllen”.

 

O Nanak, erkenne ihn als den vollendeten Meister,

der alle in einer Herde vereint.

 

Sri Rag M. 1

 

Wenn er zu bekehren, versucht, so sucht er nicht nach äußerlichen Namen und Formen, sondern nach Taufe des Geistes im Innern. Für ihn ist das innere Leben eine Wissenschaft, die Menschen aller Glauhensrichtungen und Nationen zugänglich ist, und wer immer diese Schulung aufnimmt, dem werden alle Dinge zufallen.

 

Es ist die innere Botschaft, die in den Lehren eines wirklichen Meisters stets das Höchste ist. Er kann die wahre Bedeutung der Schriften am besten erklären, aber er spricht nicht als einer, der darin gelehrt ist, sondern als einer, der das, was die Schriften berichten selbst erfahren hat. Er mag die Schriften benutzen, um seine Zuhörer zu überzeugen, daß das, was er lehrt, die älteste Wahrheit ist; aber er selbst ist niemals von ihnen abhängig und seine Botschaft liegt über der bloßen intellektuellen Ebene; sie ist durch die Lebendigkeit und Intensität der direkten Ersthand-Erfahrung inspiriert. “Wie können wir übereinstimmen”, sagte Kabir zu den Buchgelehrten, “wenn ich von der inneren Erfahrung spreche und ihr nur vom Buchwissen.” Er veranlaßt den Sucher immer, sich nach innen zu wenden, indem er ihm von den reichen inneren Schätzen erzählt:

 

Hältst du dich selbst für eine winzige Form, wo in dir das Universum verborgen liegt?

Ali

 

Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; das Reich Gottes ist inwendig in euch.

Lukas 17,20-21

 

Er lädt ihn ein und ermuntert ihn, die Schulung aufzunehmen, welche ihm diesen Reichtum erschließt:

 

Heile dir den Kopf und die Nase vom Schnupfen und atme stattdessen das Licht Gottes ein.

Jalalud-din Rumi

 

Und diese Schulung wird sich, wenn er wirklich ein vollendeter Lehrer ist, nicht auf Hatha—Yoga oder ähnliche extreme Praktiken konzentrieren, sondern auf das transzendente Hören und Sehen, das von einer ständigen äußeren Reinigung unseres Denkens und Tuns begleitet ist und dies mehr durch Mäßigung und in sich gekehrte Selbstkritik als durch Peinigung, Bußübungen oder Askese. Aber das wichtigste und unfehlbarste Zeichen eines Satguru ist, daß seine Lehren nicht nur immer auf diese innere Wissenschaft konzentriert sind, sondern daß er in der Lage ist, dem Schüler bei der Initiation eine bestimmte Erfahrung des inneren Lichtes und Tones zu geben, wie klein sie auch immer sein mag, um damit beginnen zu können. Und wenn der Schüler gelernt hat, sich über das Körperbewußtsein zu erheben, wird seine strahlende Form ungesucht erscheinen, um ihn auf der langen Reise zu führen.

 

Die wunderbare und strahlende Form des Meisters kann nur ein wahrer Meister dem Geist offenbaren.

Nanak

 

Der nicht die Dunkelheit in Licht umwandeln kann, ist kein richtiger Meister, Nanak sagte: “Ich will meinen Meister nicht beim Wort nehmen, bis ich mit meinen eigenen Augen sehe.” Wenn er ein wahrer Lehrer ist, wird er niemals eine Erlösung versprechen, die erst nach dem Tode erfolgt. Demzufolge ist es für ihn immer eine Angelegenheit von jetzt und hier. Wenn einer nicht im Leben Befreiung erlangt hat, kann er nicht darauf hoffen, sie im Tode zu erwerben. Und Jesus hat bei seinen Jüngern immer darauf gedrängt, die Kunst des täglichen Sterbens (das Übersteigen des Körpers) nach seiner Art zu meistern. Er wird weiter betonen, daß die Spiritualität eine Wissenschaft ist, wenn auch eine subjektive, und daß jeder Einzelne ihre Wahrheit im Laboratorium seines eigenen Körpers nachprüfen kann, vorausgesetzt, daß er die erforderlichen Bedingungen schafft: die auf ein Ziel ausgerichtete Konzentration. Das Leben ist ein fortlaufender Vorgang, der kein Ende kennt, wenn es auch auf verschiedenen Seinsebenen einen jeweils unterschiedlichen Aspekt annimmt. Da einer hilflos von einer Ebene zur anderen geht, wird angenommen, daß er auf und für diese Ebene, von der die Seele ausgegangen war, gestorben ist, denn wir haben noch kein Wissen und noch weniger Erfahrung vom Leben auf den anderen Ebenen, wohin man durch die Triebkraft der karmischen Vibrationen geleitet wird. Aus dieser Knechtschaft und diesem zwangsweisen Kommen und Gehen bereitet der Meister den Weg zur Befreiung in diesem Leben vor, indem er die Seele (jiva) mit der immerwährenden Lebensschnur verbindet, die ohne Ende die Schöpfung durchdringt und gibt wahrhaftig einen Vorgeschmack von den höheren spirituellen Regionen, sofern einer bereit ist, das Fleisch für den Geist aufzugeben. ‘Lerne zu sterben, damit du zu leben beginnen kannst‘, heißt die Ermahnung.

 

Selig ist, der sich täglich zu sterben bereitet.

 

Jene, in denen das ewige Wort spricht, sind frei von Unsicherheit, und es ist wahrlich des Meisters Arbeit, dem Menschen dieses ewige Wort hörbar zu machen.

 

O Nanak! sprenge alle Bande der Welt; diene dem wahren Meister und Er wird dir den wahren Reichtum geben.

 

Wer einen solchen Lehrer hat, ist in der Tat gesegnet, denn er ist wahrlich mit Gott Selbst Freund geworden und hat einen gefunden, der ihn selbst bis zum Ende der Welt nicht verlassen wird, weder in diesem Leben noch nach dem Tode, und der ihn immer leiten wird, bis er seine letzte Bestimmung erreicht hat und genauso groß und unendlich ist wie er selbst:

 

Der Stein der Weisen kann bestenfalls einfaches Metall in Gold verwandeln;

aber Ehre dem Meister, der in seine eigene himmlische Form umgestalten kann.

 

Welche Probleme einer auch immer zu bewältigen haben mag, in seiner Gesellschaft findet er Frieden und Trost, und die Verbindung mit ihm gibt Kraft und regt zu innerer Bemühung an. Daher die dringende Notwendigkeit für ‘Satsang‘ (Gemeinschaft mit dem Wahren) für diejenigen, die noch nicht gelernt haben, sich mit ihm auf den inneren Ebenen zu besprechen.

 

Ein Sucher muß in seiner Suche nach einem vollendeten Meister sicherlich Unterscheidungs- und Urteilskraft walten lassen, aber wenn er Erfolg hatte und einen solchen gefunden hat (und ein echter Sucher wird ihn nie verfehlen, da dies ein Göttlicher Ratschluß ist), welcher Art wird dann seine Beziehung zu ihm sein? Wird er weiterhin das, was ihm gesagt wird und was er beobachtet, kritisch aufnehmen? Wird er damit fortfahren, alles, was sein Lehrer tut, unter dem Mikroskop seiner Unterscheidungskraft zu prüfen? Diese Haltung beizubehalten, nachdem er sich anfangs der Echtheit des Vollendeten bereits versichert hat, heißt, seine Größe nicht anzuerkennen und nicht auf die rechte Weise darauf zu reagieren. Einer solchen Seele zu begegnen bedeutet, einem unendlich Größeren zu begegnen als man selbst ist, und zu wissen, daß er eins mit Gott ist, heißt demütig und voller Ehrfurcht zu sein. Ihn mit den eigenen begrenzten Fähigkeiten zu beurteilen, heißt den Versuch zu machen, das Meer in einem Reagenzglas festzuhalten; denn er wird durch Gründe bewegt, die wir niemals begreifen können.

 

Wenn einer den Segen, in die Herde des Satguru aufgenommen zu sein, richtig einschätzen kann, wird er immer seine Gnade, Schönheit und vollkommene Liebe rühmen.

 

Wenn der Wunderbare meine wandernde Seele unter seine Schwingen nähme, wollte ich alle Königreiche für den lieblichen Ausdruck Seines Angesichts opfern.

 

Hafiz

 

Er wird niemals die Handlungsweise seine Meisters infrage stellen, selbst wenn er sie nicht begreift; denn er weiß, daß selbst

 

Wenn der ‘Kizr‘ das Schiff im Meer versenken würde, in diesem Unrecht dennoch tausend Rechte wären.

Jalalud-din Rumi

 

Er wird das Vertrauen eines Kindes entwickeln müssen, das, wenn es sich einmal einer liebenden Hand anvertraut hat, tut wie ihm geheißen, und niemals etwas fragt:

 

... wer nicht das Reich Gottet nimmt als ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

 

Lukas 18,17

 

Selbst wenn er von dir verlangt, den Gebetssitz mit Wein zu tränken; nimm nicht Anstoß daran, sondern tu es.

 

Denn Er, der dein Führer ist, kennt die Reise und seine Stationen gut.

 

Jalalud-din Rumi

 

Die geheimen Worte eines Gottmenschen übersteigen sehr oft das menschliche Verständnis. Seine Gebote klingen zuzeiten als ständen sie anscheinend in Widerspruch zu den Texten der Schriften oder den ethischen Forderungen, aber in Wirklichkeit ist es nicht so. Man sollte sie in vollem Vertrauen befolgen, und zu gegebener Zeit wird sich ihre wahre Bedeutung offenbaren.

 

Und wie des Kindes Wille sei seine Liebe voller Demut und Einfachheit. Die Reinheit ihrer Flamme allein wird den Schmutz der Welt verbrennen.

 

Entfache das Feuer der Liebe und verbrenne damit alles,

dann setze deinen Fuß auf das Land der Liebenden.

 

Baha U‘llah

 

Schweiße das jetzt in tausend Stücke zerbrochene Gefäß in eins zusammen, damit es tauglich wird, das Licht Gottes zu fassen. Es ist das Bindeglied zwischen dem Sucher und seinem Freund und durch ihn, zwischen dem Sucher und dem Absoluten. Wie kann einer den Namenlosen und Formlosen anders lieben als durch den, der Seine wahre Verkörperung darstellt; denn der Herr offenbarte dem Propheten Mohammed:

 

Ich wohne weder im hohen Himmel noch auf der Erde unten und auch nicht im Paradies; doch o Geliebter! glaube mir, so seltsam es auch scheinen mag, ich wohne im Herzen des Gläubigen und dort bin ich zu finden.

 

Rumi

 

Auf diesem mystischen Pfad ist der Verstand eine Hilfe, aber er ist auch ein Hindernis. Allein die Liebe kann den Abgrund überbrücken, die Kluft umspannen und das Endliche mit dem Unendlichen, das Sterbliche mit Unsterblichen und das Relative mit dem Absoluten verbinden. Eine solche Liebe ist nicht von dieser Welt oder fleischlich. Es ist der Ruf der Seele an die Seele, vom Gleichen zum Gleichen, dem Fegefeuer und dem Paradies. Wer vermag diesen Zustand zu beschreiben -

 

Sprich nicht von Layli‘s oder Majnun‘s Leid - deine Liebe hat die Liebe von einst zunichte gemacht.

 

S’adi

 

wer seinen Schmerz wiedergeben?

 

Lebe frei von Liebe, denn selbst ihr Friede ist Pein.

 

Arabisches Sprichwort

 

Millionen sprechen von Liebe, doch wie wenige kennen sie; wahre Liebe heißt, das Denken daran auch nicht für einen Augenblick zu versäumen.

 

Kabir

 

Tatsächlich ist diese Eigenschaft unaufhörlichen Gedenkens vom Wesen der Liebe. Und einer, der sich auf diese Weise seiner Liebe erinnert, muß demzufolge in dauerndem Gedenken an des Geliebten Gebote und in stetem Gehorsam leben. Eine solche Liebe verbrennt mit ihrem Feuer den Unrat des Ego; das kleine Selbst wird vergessen und der Liebende opfert seine Individualität auf dem Altar des Geliebten.

 

Willst du auf dem Weg der Liebe wandeln, so lerne erst, dich selbst als Staub zu sehen.

Ansari von Herat

 

Liebe wächst nicht auf dem Feld und ist auch nicht auf dem Markt zu haben;

wer sie besitzen will, sei er König oder Bettler,

muß sie mit seinem Leben bezahlen.

Lege dein Haupt auf deine Hände und opfere es,

wenn du ins Wunderland der Liebe gelangen willst.

 

Kabir

 

und wieder heißt es:

 

Verflucht sei das Leben, indem man der Liebe zu Gott nicht teilhaftig wird.

Gib dein Herz Seinem Diener, denn Er wird dich zu Ihm bringen.

 

Aber eine solche Selbsthingabe ist erst die Einleitung, um ein größeres und reineres Selbst als wir es kennen, zu erben; denn dies ist die Macht seines Zaubers, daß, wer auch immer an seine Tür klopft, in seine Art umgewandelt wird:

 

Der Liebende wird zum Geliebten - das ist die Alchemie seiner Liebe;

Gott selbst ist eifersüchtig auf einen solchen Geliebten.

 

Dadu

 

Wenn ich Ranjha anrufe, werde ich eins mit ihm.

 

Bulleh Shah

 

Von einer solchen Liebe sprach Lord Krishna in der Gita, und die gleiche Liebe meinte Paulus, wenn er seinen Zuhörern sagte:

 

Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat, und sich selbst für mich dargegeben.

 

Galater 2,20

 

Dies beschreiben die Sufis, wenn sie von ‘fana—fil—sheikh‘ (Aufgehen im Meister) sprechen — die ungeheure Ausdehnung meines Selbst ist so zum Überfließen vom Dufthauch des Herrn erfüllt, daß der bloße Gedanke an mich völlig geschwunden ist. Und dies erklären auch die christlichen Mystiker, wenn sie die Notwendigkeit des ‘Sterbens in Christus‘ betonen. Ohne diese Selbsthingabe ist das Wissen selbst nur von geringem Nutzen.

 

Das Wissen ist nur ein Kind der Schriften, doch ihre Mutter ist die Liebe.

 

Persischer Spruch

 

Die Welt verliert sich im Lesen der Schriften, doch zum Wissen kommt sie nie.

Dem aber, der nur ein Jota der Liebe kennt, wird alles offenbart.

 

Kabir

 

Eine solche Liebe allein ist der Schlüssel zum inneren Königreich:

 

Wer nicht liebt, kennt Gott nicht, denn Gott ist Liebe.

 

1. Joh. 4,8

 

Das Geheimnis von Gottes Mysterien ist die Liebe.

 

Maulana Rumi

 

Durch die Liebe wird Er erreicht und gehalten, aber niemals durch das Denken.

 

‘Die Wolke der Unwissenheit‘

 

Wahrlich, wahrlich ich sage euch, daß jene, die liebten, den Herrn erreicht haben.

Gobind Singh

 

Liebe ist das Wesen Gottes und der Seele. Lasset uns ihn lieben, denn er hat uns erst geliebet.

1. Joh. 4,19

 

Die Beziehung der Liebe zwischen dem Satguru und seinem ‘shishya‘, dem Gottmenschen und seinem Schüler, erfährt viele Phasen und Entwicklungsstadien. Sie beginnt mit der Achtung für einen, der mehr weiß als man selbst. Sowie der Schüler anfängt, des Meisters uneigennützige Sorge für sein Wohlergehen und seinen Fortschritt zu würdigen, beginnen seine Gefühle im Tau der Liebe zu schmelzen und er entfaltet Vertrauen, Gehorsam und Ehrfurcht. Größere Gehorsamkeit und Vertrauen bringt größere Anstrengung mit sich, und mit der größeren Anstrengung kommt größere Zuneigung des Meisters. Anstrengung und Gnade gehen dicht nebeneinander und eines hilft bei der Entfaltung des anderen. So wie der Mutter Liebe für ihre Kinder ist die des göttlichen Hirten für seine Herde. Sie unterscheidet nicht zwischen denen, die ihrer würdig sind und denen, die ihrer nicht würdig sind; sondern wie bei einer Mutter werden die Tiefen und der Reichtum seiner Liebe nur von jenen erschlossen, die seine Liebe erwidern und zurückgeben:

 

Er ist bei allen gleicherweise; doch jeder erhält seinen Anteil gemäß seines eigenen Verdienstes.

Sorath M.3

 

Mit dieser größeren Anstrengung und der größeren Gnade seitens des Meisters, macht der Schüler größere Fortschritte im innern sadhan, was schließlich zum völligen Übersteigen des Körperbewußtseins führt. Wenn dies dann erreicht ist, findet er sich vom Meister in seiner strahlenden Form erwartet und er leitet seinen Geist von nun an auf den inneren Ebenen. Zunächst erblickt er ihn in seiner wahren Glorie und er erkennt die unergründlichen Dimensionen seiner Größe. Hinfort weiß er, daß er mehr ist als ein Mensch, und sein Herz fließt über von Lobpreis und demütiger Hingabe. Und je höher er auf seiner spirituellen Reise kommt, umso eindringlicher werden seine Lobpreisungen; denn desto mehr erkennt er, daß er, den er einst zum Freunde nahm, nicht nur ein solcher ist, sondern, daß Gott Selbst herunterkam, um ihn zu Sich zu erheben. Dieses Band der Liebe samt seinen Abwandlungen und Entwicklungsstadien wird zum Spiegel seines inneren Fortschritts, der sich vom Endlichen zum Unendlichen bewegt:

 

Die Liebe beginnt im Fleisch und endet im Geist.

 

St. Bernhard

 

Auf ihren Anfangsstufen mag sie Ähnlichkeit mit der irdischen Liebe haben; die zwischen Eltern und Kind, zwischen Freunden, zwischen Liebenden, zwischen Lehrer und Schüler. Aber wenn einmal der Punkt erreicht ist, wo der Schüler seinen Lehrer in seiner strahlenden Glorie in sich selbst entdeckt, lösen sich alle Ähnlichkeiten und Vergleiche für immer auf, und alles was bleibt, ist eine einzige Bewegung, und dann Schweigen:

 

Laßt uns von etwas anderem schreiben;

von den Geheimnissen der Liebe — es ist besser so.

Laßt Gezänk und Geschrei und alles das,

und sprecht nicht mehr von Shamas Tabrez.

 

Maulana Rumi

 

 

URALTE WEISHEITEN

 

Hier sind einige Lebensweisheiten, die ewige Gültigkeit haben. Laßt uns jeden Tag eine zum Nachdenken nehmen und die Wahrheit, die in ihr steckt, in unserem Leben widerspiegeln lassen. Wir müssen natürlich wachsam sein, daß wir sie rein erhalten und sie nicht verbiegen, damit sie in unsere alltägliche Bequemlichk&it passen.

 

Das, was selbstsüchtig ist, ist unmoralisch und das, was selbstlos ist, ist moralisch.

 

Der Sieg über die Begierde ist das höchste Bestreben der Existenz eines Mannes oder einer Frau.

 

Die Weisen lernen, ihren Sinnen zu entsagen, wissend, daß jene die Feinde ihrer unsterblichen Seele sind.

 

Unsere beste Arbeit ist getan, unser größter Einfluß ist geltend gemacht, wenn wir ohne Gadanken an uns selbst sind.

 

Man sagt, die Sinne sind subtil, subtiler als die Sinne ist das Gemüt, subtiler als das Gemüt ist der Verstand, aber subtiler noch als der Verstand ist Er.

 

Die Belohnung der Eroberung des Selbst ist spirituelle Seligkeit.

 

Wo nichts ist, da ist Gott.

 

Reinige die Kammer deines Herzens; damit dein Geliebter eintreten kann.

 

Brahmacharya heißt die Art des Lebens, die zur Verwirklichung Gottes führt.

 

Der erste Schritt zu Brahmacharya ist die Erkenntnis seiner Notwendigkeit. Der nächste ist die allmähliche Kontrolle über die Sinne.