Wir müssen aufrichtig seinWir müssen aufrichtig sein. Nur wenn ihr die
Wahrheit selbst gesehen habt, fordert die Menschen auf, euch zu folgen. „Lieber
Freund, komm, sieh und nimm sie!“ Aber wenn ihr die Wahrheit nicht selber
gesehen habt, warum dann wie der sprichwörtliche Blinde andere mit euch in die
Grube stürzen? Wir müssen zu uns selbst wahr sein und auch zu unseren
Mitmenschen. Wenn ihr die Schriften nur theoretisch kennt, dann sagt es. Wenn
ihr das Licht gesehen habt, euch über das Körperbewußtsein erheben könnt und
auch kompetent seid, anderen eine Erfahrung davon zu geben, schön und gut. Geht
und sagt es den Menschen. Seht, das ist die Schwierigkeit. Die Leute machen so
viele Worte über die Schriften. Ihr werdet gar manchen Redner über dieses Thema
gehört haben. Aber wie viele sind unter ihnen, welche die Ersthand-Erfahrung
der Wahrheit hatten und fähig sind, sie auch anderen zu geben? Von der
Spiritualität zu reden, ist, als hielte man einen Vortrag über
Geschäftsgrundlagen, ohne Kapital zu haben oder die praktischen Möglichkeiten,
ein Geschäft zu eröffnen. Wenn ihr im Innern eine Erfahrung bekommt, wie
bescheiden sie auch sein mag, seid ihr von der Wirklichkeit überzeugt und könnt
sie durch regelmäßige Übung in jedem gewünschten Ausmaß entwickeln. Predigen war nur für jene gedacht, die die
Ersthand-Erfahrung der Wahrheit hatten. Aber es ist heute zu einer
Einnahmequelle geworden; und der bezahlte Gottesdienst hat die Dinge in allen
Religionsgemeinschaften verschlimmert. Ich spreche nicht von irgendeiner
bestimmten Religion, sondern was ich sage, trifft für alle Religionen zu. Die
Menschen haben aus der Religion ein Geschäft gemacht, und so viele haben sich
ihr lediglich als einem Mittel zum Lebensunterhalt verschrieben. Aber alle Gaben Gottes sind frei. Jene geben vor,
Ihm zu dienen, doch im Grunde ist alles auf Vorteil bedacht. Die Welt ist voll
von ihnen, und deshalb können wir das Wort „Meister“ schon nicht mehr hören.
Ein wahrer Meister ist nicht auf weltlichen Gewinn aus. Er gibt Gottes Gabe -
die Spiritualität - frei und kostenlos. Er hat Gott erkannt. Er ist der
vollendete Mensch, der das physische Bewußtsein überschritten und das Licht im
Innern gesehen hat. Was sagte Kabir dem Pandit? „O gelehrter Pandit, wenn du
eine Erfahrung der Wirklichkeit willst, gehe zu einem kompetenten, lebenden
Meister.“ „Zu einem Meister welcher Art?“ fragte der Pandit.
Daraufhin bezeichnete Kabir den als einen „Meister“, durch welchen Gott
spricht. Dies verkündeten alle Heiligen, einschließlich Kabir. So steht in der Bibel: „...die heiligen Menschen
Gottes haben geredet, getrieben von dem heiligen Geist“ (2. Petr. 1,21). Guru
Nanak sagt: „Der geringe Nanak spricht nur das, was ihm geheißen wird“ und: „O
Lalo! Ich sage nur das, was mein Herr durch mich spricht.“ Ein Moslem-Heiliger
Bestätigt: „Die Worte des Propheten sind die Worte Gottes, wenn sie auch von
einer menschlichen Zunge zu kommen scheinen.“ Ihr habt ebenfalls diese Möglichkeit in euch. Aber
ihr seid noch nicht in Verbindung mit der in euch wirkenden Kraft, weil ihr
nach wie vor an den physischen Körper gebunden seid. Solange ihr nicht dieses
Körperbewußtsein verliert, könnt ihr nicht ins Jenseits gelangen. Die Bibel
sagt, „das Fleisch und Blut nicht können das Reich Gottes ererben.“ Ihr müßt
einen finden, der sich in das kosmische Bewußtsein erhoben hat und ein bewußter
Mitarbeiter des göttlichen Plans ist. Zweifellos wird er ein Mensch wie jeder
von euch sein. Aber er hat sich selbst verwirklicht und Gott im Innern
erfahren. In seiner Gegenwart werdet ihr feststellen, daß er ein ganz anderes
Wesen ist, voller Liebe und Barmherzigkeit für alle: ein strahlender
Mittelpunkt der Gottheit ihm. Die bloße Atmosphäre um ihn herum ist mit den
radioaktiven Strahlen spiritueller Glückseligkeit geladen. Ein Mensch, der den höchsten Grad der Meisterschaft
in irgendeinem Tätigkeitsbereich erlangt hat, wird zunächst wie ein
gewöhnlicher Mensch erscheinen. Er ist wesensmäßig zuerst und zuletzt ein
Mensch. Aber er hat sich auf seine eigene, besondere Weise entwickelt. Wenn ihr
bei ihm seid, werdet ihr finden, daß er auf seinem Gebiet ein Riese ist.
Genauso verhält es sich mit einem Meister. Wenn ihr ihm begegnet, werdet ihr
ihn auf den ersten Blick für einen Menschen wie jeden anderen halten. Er selbst
wird euch sagen: „Ich komme zu euch als ein Mensch zum Menschen, ich bin ein
Mensch wie ihr. Ich hatte das Glück, zu den Füßen meines Meisters zu setzen und
auf dem spirituellen Weg fortzuschreiten. Jene, die nach dem Gottesweg suchen,
sind sehr willkommen.“ Ein Arzt ist zuerst Mensch und dann Arzt, ein Ingenieur an erster Stelle ein Mensch, an
zweiter ein Ingenieur. Ähnlich ist ein spiritueller Mensch, ein Meister, zuerst
ein Mensch und dann ein geistiger Führer. Im Menschen liegen alle
Möglichkeiten. Der Mensch ist groß. Wer sich in einem bestimmten Lebensbereich
entwickelt und eine Erfahrung davon erhalten hat, ist fähig, auch euch zu
führen, wenn ihr denselben Weg sucht. Die Meisterkraft verläßt euch niemals. Es ist nicht
der menschliche Körper, sondern die Kraft, die durch ihn wirkt und ewig währt.
Die Christuskraft war zu allen Zeiten am Werk und wird es weiterhin sein; aber
durch verschieden göttliche Werkzeuge und nach den Erfordernissen der Zeit.
Allein der Körper vergeht, doch diese Kraft bleibt. Jene, die wirklich die
Wahrheit im Innern gesehen haben, können euer inneres Auge öffnen und euch
sehend machen. Wenn sie euch innerlich eine Erfahrung geben, wie gering sie
auch sein mag, könnt ihr sie entwickeln. Eines von Christi Gleichnissen veranschaulicht dies
sehr schön: Ein reicher Mann, der über Land zog, verteilte unter seinen Dienern
einige Talente - zwanzig an den einen, zehn an den anderen und fünf an den
dritten. Als er zurückkehrte, hatte der , dem zwanzig Talente gegeben wurden,
dreißig daraus gemacht; aus den zehn des anderen waren fünfzehn geworden, und
der letzte, der nur fünf bekam, hatte sie überhaupt nicht angerührt, sondern
sicher in der Erde vergraben. Da aus ihnen kein Nutzen gezogen wurde, hielt der
Herr es für klug, sie wieder an sich zu nehmen. Was ich sagen möchte ist, daß wenn
ihr auf den Weg gestellt seid und eine Erfahrung bekommen habt, ihr diese
entwickeln müßt, so wie man in der Schule seine Lektionen lernt. Initiation
bedeutet nicht das Beachten irgendwelcher Zeremonien, Rituale oder dergleichen
mehr. Sie ist eine praktische Erfahrung der spirituellen Wissenschaft. Zuerst
wird die Theorie erklärt; dann wird die Erfahrung gegeben, und diese muß von
Tag zu Tag entwickelt werden. Die Meisterkraft oben, die sie gibt, gewährt
inneren wie äußeren Schutz und wacht beständig über den Schüler. Ihr werdet finden, daß Leute zu den Meistern kamen
wie Philippus zu Jesus und sie fragten: „Herr, zeige uns den Vater, so genüget
uns.“ Und was antwortete er ? Er wurde ungehalten und sagte: „So lange bin ich
bei euch, und du kennst mich nicht, Philippus? Wer mich sieht, der sieht den
Vater; wie sprichst du denn: Zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, daß ich im
Vater und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich
nicht von mir selbst. Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut die Werke.“ Christus war ein bewußter Mitarbeiter des Vaters
oder der göttlichen Kraft in ihm. Nur wer sich der Kraft, die durch ihn wirkt,
bewußt ist, kann euch mit ihr innerlich in Verbindung bringen. Diese Verbindung
ist nur möglich, wenn ihr euch über das Körperbewußtsein erhebt, sonst nicht. Wenn die Meister kommen, berichten sie uns von Gott
und dem Gottesweg. Sie erinnern uns an die innere Wirklichkeit. Der Mensch ist
der Lehrer des Menschen. Können uns frühere Meister helfen? Ja, wir brauchen
sie. Sie sind auf ihre eigene Wiese hilfreich. Wir achten sie , da sie die
Wahrheit und ihre Erfahrungen von der Wahrheit verkündeten. Jene, die in
Verbindung mit ihnen kamen, wurden auf den Weg gestellt, und auch sie erkannten
dieselbe Wahrheit. Die Schriften stellen den Schatz der Erfahrungen dar, die
sie mit sich selbst und mit Gott gemacht haben, und wir sind begünstigt, daß
uns diese heute zugänglich sind. Wenn wir zweitausend Jahr früher gekommen wären,
würden wir nicht das Neue Testament besitzen, und ich hätte euch nicht die
schönen Zitate daraus wiedergeben können. Alle Schriften befassen sich mit
derselben Wahrheit. Aber uns ist nur die eine oder andere Schrift geläufig.
Wenn ich euch die Bibel anführe, habt ihr kein Schwierigkeiten. Genauso ist es
mit den Menschen anderer Glaubensrichtungen. Sie folgen mühelos dem, was gesagt
wird, wenn ich sie auf Stellen in ihren
jeweiligen Schriften hinweise. All diese Schriften erleichtern meine Aufgabe
wie auch die der Zuhörer. Die heiligen Bücher sind lediglich geeignete Hilfen
in den Händen eines Menschen der Verwirklichung, denn sie handeln vom selben
Thema, nämlich der Gottverwirklichung. Was wir brauchen, ist jemand, der in sich selbst die
Erfahrung dessen hat, was die Schriften lehren und der kompetent ist, uns eine
Kostprobe dieser Erfahrung hier und jetzt zu geben. Nennt ihn, wie ihr wollt -
Pir, Murshid, Heiliger oder Meister -, das ist unwesentlich. Wir achten alle diese Persönlichkeiten, die in der
Vergangenheit wirkten oder in der jetzigen Zeit hier sind. Jene, die die
Wirklichkeit gesehen haben, können uns auf den Weg stellen und uns eine Ersthand-Erfahrung davon geben. Die
Notwendigkeit eines solchen Gottmenschen ist seit Anbeginn der Welt empfunden
worden. Einige Leute sagen, daß sie keinen Meister brauchen. Nun, sie werden
sich auf Bücher, die heiligen Schriften, verlassen müssen. Diese Schriften sind
gewiß verläßlicher als die intellektuellen Kommentare, welche die Gelehrten
dazu geben. Wenn diese die Wahrheit gesehen haben, werden sie die Schriften
richtig deuten, wenn aber nicht, werden sie den Leser durcheinanderbringen, ihn
trotz all ihrer Verstandesfähigkeiten verwirren und ihm nichts nützen. Wenn ihr euch einzig und allein auf Bücher stützt,
verlaßt ihr euch letztlich auf einen Meister, denn jemand hat ja die Schriften
geschrieben. Wäre es anstelle eines indirekten Zugangs nicht besser, wenn ihr
einem Menschen der Verwirklichung direkt begegnen könntet? Er hat eine
praktische Erfahrung von dem , was die Schriften beschreiben, und kann euch
weit mehr geben, als ihr jemals aus Büchern erhaltet; er kann euch eine
Ersthand-Erfahrung von der Wirklichkeit selbst geben. Dieser Aspekt ist von
allen Heiligen hervorgehoben worden. Sie machen uns verständlich, wie wir diese
Erfahrung in unserem Leben haben können. Im Matthäus-Evangelium lesen wir:
„Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater. Und niemand kennet den Sohn,
denn nur der Vater und niemand kennet den Vater denn nur der Sohn und wem es
der Sohn will offenbaren.“ So kennt der Sohn den Vater, und der Vater kennt den
Sohn und alle anderen , denen der Sohn Ihn offenbart, denn er wird ein bewußter
Mitarbeiter des Vaters am göttlichen Plan. Daher sagte Christus: „Ich und der
Vater sind eins. Ich tue nichts von mir selber. Ich bin der Weg und die
Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Wenn ihr mich
kenntet, so würdet ihr auch meinen Vater kennen.“ Wie kraftvoll hat er es
ausgedrückt: durch den Menschen, der den Vater (Gott) erkannt hat, könnt ihr
Gott ebenfalls erkennen. Das Alphabet der Meisterlehren fängt da an, wo die
Philosophien der Welt enden. Das ist der Anfang wahrer Religion. Sie beginnt,
wenn ihr über das Körperbewußtsein gelangt, nicht eher. Natürlich ist der Mensch, der die Wahrheit erfahren
hat, allein kompetent, euch auf den Weg zu stellen. In der Gemeinschaft eines
solchen rechtschaffenen Menschen kann man die wirkliche Natur der Dinge
verstehen, die wahre Bedeutung dessen, was sonst sehr schwer zu begreifen ist. So haben alle Meister, die von Zeit zu Zeit in
Erscheinung getreten sind, die Wahrheit verkündet. Nun stellt sich die Frage:
Welche Art Yoga (spirituelle Disziplin) lehren sie? Wir haben so viele Yogas,
so viele Wege, um zur Heimat unseres Vaters zu kommen, den Zustand
umwandelbaren Seins zu erreichen, allen Frieden, alle Freude, alles Glück, was
niemals vergeht und nicht der Auflösung oder der großen Auflösung unterworfen
ist. Dies war das Ziel, das wir uns bei unserer ersten
Zusammenkunft vor Augen hielten. Ich machte Angaben aus verschiedenen
Schriften. Das letzte Ziel aller Religionen ist Gott. Wir verehren denselben
Gott, ganz gleich, ob wir dem einen oder anderen Land, dem Osten oder Westen,
dieser oder jener Religion angehören; denn das macht keinen Unterschied. Alle
Religionen sagen dasselbe. „Liebt Gott“, und da Gott in jedem Herzen wohnt,
„liebt die ganze Menschheit.“ Dies ist der beste Weg äußerer Lebensführung.
Wenn man ihm auf natürliche Weise folgte, würde das Reich Gottes, um das wir so
oft, aber ohne Erfolg beten, sicherlich auf die Erde herabkommen. Als nächstes müssen wir ins Reich Gottes eingehen,
unsere wahre Heimat erreichen. Der Weg dorthin beginnt, wenn wir uns über das
Körperbewußtsein erheben. Aber wie können wir es? Alle Schriften sprechen von
dem Weg, der zurück zu Gott führt. Diesen Weg gilt es zu finden. Es gibt so viele verschiedene Methoden, die wir
anwenden können! Aber welche von ihnen ist die natürlichste, die leichteste und
bringt uns am ehesten Ergebnisse, so daß wir die Wahrheit noch in diesem Leben erkennen
können und nicht bis nach dem Tod warten müssen? In Kalifornien kam ein Mann zu
mir und erzählte, sein Meister habe ihm gesagt, daß sein inneres Auge geöffnet
worden sei. Ich fragte ihn, ob er etwas im Innern sehe, worauf er antwortete:
„Nein.“ Ich fragte ihn weiter, was ihn dies glauben mache. Er erwiderte, daß
sein Meister es so gesagt habe und es daher so sein müsse. Ich riet ihm, nicht
blindlings zu folgen, sondern die Dinge selbst zu sehen. Ein anderer Mann kam und erklärte: „Mein Meister sagt,
daß ich nach dem Tod erlöst sei.“ Ich fragte ihn jedoch: „Wo ist der Beweis
dafür, daß es so sein wird?“ Die Leute wollen die Wahrheit, sage ich euch.
Überall in der Welt sehe ich deutlich die Suche nach der Wahrheit. Die Menschen
suchen jahrelang danach - in Büchern, durch Rituale und zahllose andere Mittel;
aber sie haben keine praktische Erfahrung von ihm erhalten. In San Franzisko begegnete ich einem sehr gebildeten
Mann; er ist der Organisator aller internationalen Religionskonferenzen, die
jetzt in Japan, Frankreich, Deutschland und anderen Ländern abgehalten werden.
Er hörte eine meiner Reden, in der ich dieses Thema behandelte. Am Ende gab er
zu, daß das, was ich sagte, wahr sei und er das Licht innen nicht gesehen habe.
Ohne Zweifel streben die Menschen danach, und viele von ihnen sind sehr ernst,
aufgeschlossen und lassen sich überzeugen. So stellt sich die Frage: „Welcher der vielen Yogas
ist der beste, rascheste und leichteste und der für unsere Zeit geeignetste?“ Die Meister lehren den natürlichsten Weg. Natürliche
Wege sind immer die einfachsten. Einfache Dinge kann jeder überall befolgen.
Selbst ein Kind sollte das Licht des Himmels im Innern sehen können. Es gibt so
viele Yogapraktiken. Wir haben den Hatha-Yoga,
der uns einerseits physische Gesundheit und einen kräftigen Körper gibt und
andererseits den Weg für eine weite Yoga-Art, den Prana-Yoga, ebnet. Der Prana-Yoga
ermöglicht einem die Kontrolle über das Atmungssystem im Körper und befähigt
einen, die motorischen und sensorischen Ströme am Sitz der Seele im Innern zu
sammeln. Der Körper wird nur als ein Klumpen Erde, ohne Atem oder Bewegung,
zurückgelassen; dies wird in der Fachsprache „Kumbhak“ genannt. Wenn uns dieses
Zurückziehen der Pranas
(Lebensenergien) gelingt, sehen wir innerlich das Licht Gottes und hören die
Stimme Gottes. Das ist ein schwieriger und mühseliger Weg. Nicht jeder ist
dafür geeignet. Nicht jeder kann ihn gehen. Der Körper muß gesund und kräftig
sein. Dazu müssen wir eine lange Zeit Hatha-Yoga-Übungen
durchführen, um ihn tauglich zu machen; erst dann können wir diesen Weg
aufnehmen. Jene, die körperlich nicht kräftig genug sind, wenn sie ihn gehen,
werden von verschiedenen Krankheiten befallen. Als nächstes sei der Laya-Yoga genannt, der sich mit dem Erwecken der „Kundalini“ oder
Schlangenkraft befaßt. Auch er wird durch die Atemkontrolle ausgeübt. Man muß
alle Körperzentren erwecken und Schritt für Schritt höhergehen. Es gibt auch noch andere Yoga-Arten, die einen
instand setzen, das Gemüt zu kontrollieren. Bei ihnen wird verlangt, sich ein
äußeres Objekt innerlich vorzustellen, damit man etwas hat, worauf man seine
Gedanken konzentrieren kann. Der Jnana-Yoga
wiederum hat zum Ziel, die Wahrheit im Innern allein durch die Kraft des
Verstandes zu erfassen - wirklich ein sehr schwieriger Weg, würde ich sagen. In der Brihadaranyaka-Upanishade steht: „Die
Unendlichkeit mit dem begrenzten Verstand zu ermessen ist so unmöglich, wie seinen Durst mit Wein zu
löschen oder aus Sand Öl zu gewinnen.“ Wie kann der begrenzte Verstand mit seiner geringen
Reichweite die alles durchdringende Wahrheit begreifen? Das ist einfach
unmöglich. Daher sagte Konfuzius: „Die Wirklichkeit ist etwas, das man nicht
erfassen, verstehen oder begreifen kann.“ Und er wandte sich deshalb von der
spirituellen Seite des Lebens den ethischen Aspekten zu. Können wir mit dieser Wirklichkeit überhaupt in
verbindung kommen? Alle Meister sagten entschieden un einstimmig: „Ja!“ Guru
Nanak bestätigt: „Der Herrgott Nanks ist überall sichtbar.“ Swami Vivekananda, der vor Jahren nach Amerika kam,
begann sein Leben als Atheist. ER forderte die Leute auf, ihm Gott zu zeigen.
Dann fragte er: „Gibt es jemanden, der Gottt gesehen hat?“ Ihm wurden geraten,
nach Dakshineswar (in Bengalen) zu gehen und Paramhansa Ramakrishna
aufzusuchen. Voller Stolz auf seine intellektuellen Fähigkeiten
ging er dorthin. Ramakrishna erschien ihm wie ein gewöhnlicher Mensch. Ihr
seht, die Meister suchen nicht zu glänzen; sie sind nicht auf äußeren Schein
bedacht. Vielmehr geben sie sich als Mensch, wie wir es sind. Er fand den
Weisen zuerst auf der Wiese, die an seine Hütte grenzte, und stellte ihm seine
oft wiederholte Frage: „Meister, habt Ihr Gott gesehen?“ Und wie lautete die
Antwort? „Ja, mein Kind, ich sehe Ihn genauso, wie ich dich sehe, nur
lebendiger.“ Bei diesen Worten, die aus dem Herzen eines verwirklichten
Menschen kamen, verneigte sich Vivekananda. Und in seinem ganzen weiteren Leben
erklärte er immer wieder: „Nur durch diesen Gottmenschen wurde ich gerettet.“ Wie ist also die Erlösung möglich? Alle Meister
sagen: „Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.“ Um
Erlösung zu erlangen, müssen wir also unser „einfältiges Auge“ entwickeln. Aber
wie ist es zu finden und zu entwickeln? Guru Nanak sagt uns, daß das „Einzelauge“, von dem
die Rede ist, nicht aus Fleisch und Blut besteht wie unsere äußeren Augen. Es
ist das innere Auge, das Auge in euch, und dieses muß geöffnet werden. Aber
wie? Jemand, dessen inneres Auge offen ist und der das Licht Gottes gesehen
hat, kann auch euch eine innere Ersthand-Erfahrung davon geben. Sehen heißt
glauben, und wenn ihr selbst seht,
werdet ihr nach keinem weiteren Beweis verlangen. Andererseits kann ein Blinder
nicht den Blinden führen. Nur eine erwachte Seele kann Seelen erwecken, die auf
der Sinnesebene schlafen. Wie Licht von Licht kommt, so kommt Leben von Leben.
Ein verwirklichter Mensch kann anderen eine Erfahrung von der Wirklichkeit
zuteil werden lassen. Wer sich ins kosmische Bewußtsein erhoben hat, kann anderen
dazu verhelfen, sich in dieses Bewußtsein zu erheben. Es ist also nicht
unmöglich. Alle Meister haben dies bestätigt. Shamas-i-Tabrez sagt: „Wir
sollten Gott mit unseren eigenen Augen sehen und die Stimme Gottes mit unseren
eigenen Ohren hören.“ Dies ist nichts Neues. Es ist die allerälteste
Wissenschaft und auch die exakteste. Ein anderer Moslem-Heiliger, Moin-du-din Chishti,
sagt uns: „Ihr müßt das innere Auge öffnen, um die Herrlichkeit Gottes im
Innern zu sehen. Sie ist bereits dort.“ Ein wahrer Christ muß wissen, wie man sich über das
Körperbewußtsein erhebt, um das Licht Gottes zu erblicken. Ein wahrer Moslem
muß die Glorie Gottes von der Spitze des Berges Toor bezeugen, der unser Körper
ist. Der Prophet Moses ging auf den Berg Sinai, um die zehn Gebote inmitten von
Blitz und Donner zu vernehmen. Desleichen ist ein wahrer Sikh (Khalsa), wer das
Licht Gottes in sich selbst sieht. Die Schriften sagen uns, daß der „Guru“
(Meister) einer ist, der die Dunkelheit im Menschen vertreiben kann, indem er das
Licht des Himmels enthüllt. Die Christen nennen diese Stelle (an der das Licht
gesehen wird) im übertragenen Sinn den Berg der Verklärung. Das ist unser Ziel. Es ist möglich und für jeden
erreichbar. Wann? Wenn man in Verbindung mit einem praktisch erfahrenen Adepten
kommt. Er wird ein Mensch wie jeder andere von euch sein, aber er hat eine
innere Erfahrung von der Wahrheit und ist kompetent, euch diese ebenfalls zu
geben. Wenn er sie euch zu aller Anfang gibt, könnt ihr mehr von ihm erwarten. Welche Art Yoga lehren die Meister? Ich habe gerade
bestimmte Yoga-Arten erwähnt. Es gibt noch andere Richtungen, die es
ermöglichen, uns auf die niederen Ganglien im Körper zu konzentrieren und dort
zu verweilen. Sie zielen darauf ab, verschiedene übernatürliche Kräfte zu
erwecken. Das wahre Lebensziel aber besteht darin, sich selbst und Gott zu
erkennen, nicht im Besitz übernatürlicher Kräfte. Einem, der die höchste Art
von Yoga praktiziert, indem er dem Weg der Meister folgt, fallen alle solche
Kräfte von selbst zu: er hat nicht für sie zu arbeiten. Aber ein wahrer
Gottsucher meidet derartige Versuchungen. Welches ist sodann der natürlichste Yoga? Was lehren
die Meister? Der Pfad der Meister ist als „Sahaj-Yoga“ (der natürliche Yoga)
oder Surat Shabd-Yoga (der Yoga des
Tonstroms) bekannt. Was ist Surat? Es ist die Seele in jedem von uns, deren
äußerer Ausdruck die Aufmerksamkeit ist oder was man als Bewußtheit, Gewahrsein
oder Wachsamkeit kennt. Wenn ihr eure Augen eine Zeitlang hintereinander öffnet
und schließt, werdet ihr eine Art von Wachheit und Bewußtheit hinter den Augen
empfinden. Diese Wachheit oder Bewußtheit ist das „Selbst“ in euch, das
ihr seid. Im Wachzustand ist es im Körper zerstreut und durch die Tätigkeit
der Sinne in äußere Beschäftigungen der Welt vertieft. Es kann jedoch
zurückgezogen und im Innern konzentriert werden. Der Meister hilft, die
Sinnesströme zurückzuziehen, sie an einem Zentrum zu sammeln, und gibt eine
innere Verbindung mit der „Kraft das Wortes“, dem göttlichen Bindeglied in jedem
von uns. Diese Gotteskraft ist unter verschiedenen Namen bekannt. Johannes
spricht von ihr als dem „Wort“. Sie ist der „Heilige Geist“ Christi. Die
Moslems nennen sie „Kalma“ oder „Ism-i-Azam“, während die Hindu-Rishis sie mit
„Sruti“ oder „Udgit“ bezeichnen. Zoroaster gab ihr den Namen „Sarosha“ oder das
„schöpferische Wort“. Guru Nanak spricht davon als „Naam“. Sie ist die große
Schöpferkraft Gottes, die das Universum überwacht. Dieses Tonprinzip oder diese
„göttliche Harmonie“ ist der Kern alles Seienden. Und was ist Gott? Ihr findet dasselbe in der Bibel
erwähnt. Johannes beginnt sein Evangelium mit den denkwürdigen Worten: „Im
Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe
war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne
dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ Dryden, ein großer englischer Dichter, nennt es in
seiner dichterischen Vorstellung die „Harmonie“ und schreibt die ganze
Schöpfung der großen „Kraft der Musik“ zu. Dieses Wort existierte schon, ehe
die Schöpfung entstand. Gott, das Absolute, ist ohne Worte und ohne Namen.
Als sich dieses Absolute offenbarte, wurden ihm, wie bereits gesagt,
verschiedene Namen gegeben: Wort, Kalma,
Naam, Sruti, Udgit usw.. Diese
erste und ursprüngliche Offenbarung das Absoluten (in Form des Tonprinzips) ist
das göttliche Bindeglied in jedem von uns, und diese Kraft ist alles
durchdringend und ewig. „Auf ewig, o Herr, hat dein Wort im Himmel Wohnung
genommen.“ Die Bibel berichtet uns weiter: „Der Himmel ist durch das Wort des
Herrn gemacht.“ Das ist die schöpferische Kraft: „Er... trägt alle Dinge mit
seinem kräftigen Wort.“. Wie ich gestern sagte, könnt ihr nicht die wahre
Bedeutung der Schriften verstehen, wenn ihr nicht die spezielle Ausdrucksweise
der Meister kennt. Das Wort, wie es in der ganzen Bibel und besonders von
Johannes gebraucht wird, ist ein Beispiel solcher Bezeichnungen; und so gibt es
viele andere in den verschiedenen Schriften. Dieses Wort ist dauerhaft, es
währt immer und ewig: „Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; aber das Wort
unseres Gottes bleibt ewiglich.“ Das „Wort Gottes“ bedeutet nicht die Worte, die von
den Meistern gesprochen werden. Ihre Worte der Weisheit bringen nur das Wort
Gottes zum Ausdruck und dessen schöpferische, lenkende und erhaltende Kraft
über allem , was sichtbar und unsichtbar ist. Diese Kraft existierte von
Anbeginn. „Das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.“ Dieses göttliche Bindeglied ist in jedem Menschen.
Der Hebräerbrief des Neuen Testaments sagt darüber: „Denn das Wort Gottes ist
lebendig und kräftig und schärfer denn kein zweischneidig Schwert, und dringt
durch, bis daß es scheidet Seele und
Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des
Herzens.“ Diese Kraft wird als „Wort“ bezeichnet. So ist Gott das Namenlose
oder Wortlose. Als diese Kraft ins Dasein kam und eine offenbarte Form annahm -
„der wirkende Gott“ -, wurde sie zum Ursprung, dem grundlosen Urgrund der
ganzen Schöpfung in den höheren und niederen Welten. Und diese offenbarte Form
des Absoluten ist der einzige Weg zurück zu Gott. |