Wie erkennt man einen Gott-Menschen?

 

Aber wie sind solche erhabenen Persönlichkeiten zu unterscheiden, die auf die Welt der Sterblichen herniederkommen, um der Menschheit auf ihrer Reise zur höchsten Quelle des Geistes zu helfen! Wann immer wenn sie kommen, offenbaren sie sich selbst, und diejenigen, die mit der spirituellen Schau begabt sind, wissen, wie man sie erkennt.

                       

Ein Mensch der Verwirklichung allein kann

                        eine verwirklichte Seele erkennen.

                                                                                                          Gauri M.5

 

Doch nicht jeder ist spirituell fortgeschritten. Es gibt natürlich einige bestimmte und hervor-

stechende Merkmale im Leben und Gebaren der Heiligen. Mit diesem Wissen mag ein fleischliches Auge imstande sein, sie von der gewöhnlichen Art zu unterscheiden.

 

Ein wirklicher Meister ist ein Welt-Lehrer, und nicht Lehrer einer bestimmten Sekte oder Glaubensrichtung. Er schaut auf die Menschheit von der Ebene der Seele aus und wendet sich an alle beseelten Körper gleicherweise.

 

Ein wahrer Meister ist bekannt für die Universalität seiner Lehren, denn sein Aufruf ist ein universaler und gilt allen. In seiner Herde sitzen alle als Glaubensbrüder zusammen, ungeachtet der Rasse und der Religion.

 

Ferner ist ein wahrer Meister nicht hinter äußeren Pomp und Zurschaustellung her, sondern lebt von seinem eigenen Einkommen und ist niemals abhängig von anderen, was seinen Lebensunterhalt betrifft.

                       

Wer auch immer sich selbst einen Lehrer nennt und

                        von der Mildtätigkeit anderer lebt, vor ihm beuge

                        dich niemals. Einer, der seinen Unterhalt im Schweiße

                        seines Angesichts verdient und mit anderen teilt,

                        o Nanak! Nur der allein kann den Weg kennen.

                                                                                                          Sarang War M.1

 

                        Wie können wir in die Gemeinschaft des Einen kommen,

                        in dessen Gegenwart das Gemüt ruhig wird? Die Heiligen

                        sind die wahren Freunde, denn sie allein flößen göttliche

                        Trunkenheit ein.

                                                                                                          Suhi M.3

 

                        Wenn man mit all-liebender Hingabe einen Gottmenschen

                        sieht, wird nicht nur das Gemüt still, auch alles Leid

                        wendet sich ab.

                                                                                                          Suhi M.5

 

 

Wann immer jemand mit offenem Herzen in die Gegenwart eines wirklichen Meisters gelangt, findet er Wellen des Trostes, die ihm entgegenströmen und fühlt dadurch eine Woge der Erhebung in sich. Seine persönliche Aura hat diese wunderbare Wirkung auf uns. Seine Worte, so wie sie sind, sind mit hoher Spiritualität geladen, sie sinken tief in die Herzen der Zuhörer hinein und sind niemals ohne Wirkung.

 

Gott-Menschen sprechen immer mit einer Autorität, die aus der Überzeugung geboren ist, denn sie besitzen Wissen von allem, das aus der direkten Verbindung mit der ursprünglichen Quelle oder dem universalen Urgrund herrührt. Sie sprechen vom Standpunkt der Seele aus, zu welchem die gelehrte Philosophie keinen Zugang hat. Alle Heiligen haben diese Wahrheit verkündet. Je mehr man sich literarischen Bestrebungen zuwendet, desto mehr wird man sich im Irrgarten des Buchwissens verlieren. Es ist mehr Wahrheit in seiner Rede, als alle Worte gelehrter Philosophie jemals aufzeigen können. Wir sollen, so gut es geht, den besten Gebrauch davon machen, aber wir dürfen uns nicht in sie verlieren, denn „der Verstand ist zwar eine Hilfe, aber er ist auch ein Hindernis“.

 

Der wahre Meister ist einer, der selbst vom Wasser des Lebens - die Wahrheit - in Fülle trinkt und es auch anderen anbietet. Er ist kompetent, das innere Auge der Sucher zu öffnen, damit sie das Licht Gottes schauen können, und er kann ihr inneres Ohr entsiegeln, um sie die Stimme Gottes - das Tonprinzip - hören zu lassen, das in der ganzen Schöpfung erklingt.

                       

Wahrlich, ein wirklicher Meister nimmt den Schleier

                        vom Auge weg und gewährt einen Schimmer von der

                        wahren Wohnstatt.

                                                                                                                     

Und wieder:

                        Wer uns Gottes Wohnstatt im Körper zeigen kann,

                        o, nehmt ihn in der Tat als den wahren Meister an.

                                                                                                          Gauri M.5

 

                       

 

Die Glorie eines Sadh umfassen selbst die Veden

                        nicht vollständig, sie ist bar jeglicher Beschreibung.

                                                                                                          Gauri M.5

 

So legen die Heiligen natürlicherweise mehr Nachdruck auf persönliche Erfahrung. Sie kommen zu den grundlegenden oder zentralen Standpunkt aller Religionen, welcher die Aussagen der Heiligen aller Glaubensrichtungen betrifft. Gott-Menschen schauen nicht auf die äußeren Erscheinungen noch auf die unterschiedliche Kleidung der verschiedenen Orden, vielmehr akzeptieren sie die wahren Werte des Lebens. Sie mischen sich nicht in altherkömmliche Glaubensansichten, zu denen sich ihre Schüler bekennen, und auch nicht in die Art ihres sozialen Lebens. Im Gegenteil: Sie legen allen nahe, in ihren sozialen Religionsgemeinschaften zu verbleiben und zu lernen, den spirituellen Sinn dieser zu leben. Sie gründen keine neuen Glaubensgemeinschaften oder Religionen. Jene, die nach innerer spiritueller Erhebung trachten, können von Gott-Menschen Nutzen ziehen, ohne daß sie die Religionsgemeinschaft, der sie angehören, verlassen. Jedoch befürworteten die Heiligen nicht die Ansicht, daß man das höhere Leben durch objektives Streben suchen sollte. Sie sehen den menschlichen Körper als den lebendigen Tempel Gottes und weisen ihre Schüler an, Gott darin zu suchen durch die Praxis der Wissenschaft vom heiligen Wort.

                       

Wahrlich dieser Körper ist der Tempel Gottes,

                        und das Wort wird in ihm offenbar. Für den Unwissenden

                        lebt Gott getrennt vom Menschen und ist unerreichbar.

                                                                                                                      Parbhati M.3

                       

                        Gott selbst schuf den Tempel des Menschen und wohnt

                        darin. Durch die Gnade des Meisters kann man Gott finden,

                        nachdem alles äußere Verhaftetsein ausgemerzt ist.

                                                                                                                      Shalok M.3

                        Suche Gott niemals in der äußeren Welt, denn Seine

                        Wohnstatt liegt in deinem Haus (dem Körper).

                        Der Unwissende kennt nicht den Wert des Tempels Gottes,

                        und er verliert sein irdisches Leben für nichts.

                                                                                                                      Ramkali War M.3

 

Gottmenschen messen Pilgerorten keine große Heiligkeit zu, wohl aber der Gemeinde der Heiligen. Sie lenken unsere Aufmerksamkeit auf die großen Seelen, welche die Plätze, die heute Pilgerorte genannt werden gesegnet haben.

 

                        Heiligen zu begegnen und in ihrer Gemeinschaft zu sein,

                        ist die größte Pilgerfahrt. Einen Heiligen zu sehen,

                        vermittelt einem den Segen von allen 68 Pilgerorten

                        zugleich.1)

 

1) Es gibt 68 Pilgerort in Indien.

 

Heilige schreiben keine andere Form der Verehrung oder Ausübung eines Rituals vor als die der Verbindung mit dem Wort - dem heiligen Naam. Sie legen uns die Verehrung des Göttlichen im lebendigen Tempel des menschlichen Herzens nahe.  Dies ist in der Tat die wahre Verwirklichung des universalen, segenspendenden spirituellen Stromes in diesem Erdenleben, welcher die ganze Schöpfung durchdringt.

                       

Die Schätze von Naam sind im Tempel Gottes

                        (dem Körper), aber die Unwissenden finden sie nicht darin.

                                                                                                          Parbhati M.3

 

                        Die Reinen sind diejenigen, welche in Verbindung mit

                        dem Wort sind. Ohne das Wort gibt es keine Verehrung.

                        Die ganze Welt steckt in abergläubiger Unwissenheit.

                                                                                                          Ramkali M.3

 

Das Zweitwichtigste beim Fortschreiten der Seele auf dem Pfad ist die heilige Gemeinschaft (Sat-Sangat), da diese eine erhebende Wirkung auf sie ausübt. Die ganze Atmosphäre ist mit dem Lebensimpuls, der vom Meister übertragen wird, geladen, und die Ergebenen, welche an dieser Zusammenkunft teilnehmen, ziehen ungeheuren Nutzen daraus, wenn der Meister den Vorsitz führt. Es ist praktisch eine Schule, in der den Schülern durch Worte und Gedanken geholfen wird. Das ganze Mysterium des Wortes wird erklärt und den Ergebenen als das Ein und Alles für sie verständlich gemacht.

                       

Sat-Sangat (oder die heilige Gemeinschaft) ist der Ort,

                        an dem kein anderes Thema als das heilige Naam oder

                        des Wortes gelehrt und erklärt wird.

                                                                                                          Sri Rag M.1

 

Es wird dort keine Buchgelehrsamkeit der philosophischen Schulen verschiedener Geistesrichtungen vertreten. Ein Leben in der Gottheit ist die einzige Sache von Wert in dieser Richtung. Die Seele, die sich in ihm erhoben hat und sich Seiner allezeit bewußt ist, ist die bewegende Kraft der ganzen Gemeinschaft. Die innigen Blicke solcher gottberauschten Menschen erwecken nicht nur das schlummernde Empfindungsvermögen der Schüler, sondern bringen es nach und nach völlig in Gang. Ihre Augen sind voller Leben, da sie in Einklang sind mit der Großen Urquelle des Lebens. Sie übermitteln denen, die zu ihnen um Hilfe kommen, lebensspendende Strahlen. Ihre gnadenreichen Blicke befähigen die Schüler, die himmlische Musik - das Wort - zu fassen, welche in ihnen ertönt. Sie erlangen leicht den Reichtum der Spiritualität, wenn sie in dieser heiligen Gemeinschaft sind. Durch Ermahnungen und Praxis wird ihnen auf ihrem Weg zum göttlichen Ziel geholfen. Sie sind die Sucher nach dem höheren Leben durch den Einfluß vorbereitet, den sie von der magnetischen Auswirkung erlangen, welche durch die persönliche Aura gottberauschter Eingeweihter in der heiligen Gemeinschaft hervorgerufen wird. Jeder hat ein bestimmtes Einflußgebiet, innerhalb dessen er alle, die in dieses hineinkommen, beeindruckt. Dieser Bereich des persönlichen Magnetismus ist der Kraft der jeweiligen Persönlichkeit entsprechend größer oder kleiner.

 

Es wird besonderer Nachdruck darauf gelegt, an diesen heiligen Gemeinschaften teilzunehmen, und dies so sehr, daß der Sat-Sangat oftmals etwas höher bewertet wird als der Gottmensch selbst. Dies wird durch die Tatsache offenbart, daß er außer dem Gottmenschen auch noch andere gottberauschte Ergebene einschließt. Die heilige Gemeinschaft ist ein Ort, an dem die nach außen gehenden Neigungen und üblen Regungen des Menschen, der sie besucht, leicht gewandelt, geformt und der magnetischen Kraft des Meisters oben unterworfen werden. Der Meister bezeichnet den Sat-Sangat als den einzig wahren Pilgerort, wo die Schüler dem göttlichen Ziel - der höchsten spirituellen Ebene - Sach Khand - entgegenschreiten.

                       

In einem wahren Sangat wird die Verbindung mit dem

                        heiligen Naam- dem Wort - hergestellt. O Nanak,

                        pflege keinen Umgang mit Menschen, die selbstische

                        Ziele haben!

                                                                                                          Gujri War M.5

 

Wo keine solche Persönlichkeit ist, die den Vorsitz führen kann, können die Vorteile eines Satsang nicht genutzt werden.

 

Der Meister sagt:

 

Ohne einen Gott-Menschen gibt es keinen Sangat, und ohne das Wort kann keiner das andere Ufer erreichen.

                                                                                                          Gond Kabir

 

Ist der Meister abwesend und die Ergebenen sitzen in Gedenken an ihn zusammen, erlangen sie die Segnungen des Meisters.

 

Christus hat gesagt:

                        Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem

                        Namen, da bin ich mitten unter ihnen.

                                                                                                          Math 18,20

 

Die dritte Notwendigkeit beim Fortschreiten der Seele ist das wahre Naam - Shabd oder das göttliche Wort -, das der wahre Meister lehrt. Das heilige Naam hat zwei Aspekte: Der eine kann in gesprochenen und geschriebenen Worten mit Hilfe der Lippen und der Zunge oder mittels einer Feder erklärt werden und wird Varn-Atmak genannt. Der andere Aspekt kann als solcher nicht ausgedrückt werden und ist bekannt als Dhun-Atmak. Die Wiederholung von Varn-Atmak Naam wird für Simran-Zwecke auf vier verschiedene Arten gebraucht:

 

                        1) mit der Zunge,

                        2) in der Kehle,

                        3) im Herzen und

                        4) im Nabel.

 

Diese Methoden werden entsprechend folgendermaßen benannt:

 

                        1) Baikhri,

                        2) Madhima,

                        3) Paschanti und

                        4) Pra.

 

Durch die Wiederholung auf eine der oben genannten vier Arten wird Antish Karan (das Gewissen) gereinigt, und man erlangt einige übernatürliche Kräfte, wie die Verausschau und Hellsehen; aber der Gebrauch derselben wird ausdrücklich mißbilligt und untersagt. Glückseligkeit, Demut und Liebe für das Wort werden auf diese Weise ebenfalls ein wenig hervorgebracht. Da es sich hier um die niedrigen Zentren oder Chakras handelt, die zur Meditation im menschlichen Körper benutzt werden, wird dem wahren Sucher angeraten, den konzentrierten Simran mit der Zunge des Gedankens am Zentrum hinter den beiden Augen (welches das sechste und höchste der sechs Zentren in Pind oder dem menschlichen Körper ist) zu üben. Naam, das über diesem Zentrum ertönt, zieht die Seele an wie ein mächtiger Magnet und bringt sie aus den niedrigen physischen Ebenen in die feinstofflichen und spirituellen Bereiche empor. Der Aufstieg der Seele in die spirituellen Regionen ist nur durch die Verbindung mit Naam möglich.

 

Dhun Atmak ist etwas in seinem wahren Aspekt. So wird zum Beispiel der Ton, der von einer Glocke ausgeht, „tun-tun“ genannt. Man kann es nicht so einfach mit Worten erklären, doch das Wort oder der Ton erklingt in den lebendigen Tempeln aller physischen Körper. Das Tonprinzip hat die Macht, die Seele den Menschen zur höchsten spirituellen Region zu bringen, von der es ausgeht. Diese himmlische Musik rührt vom inneren Licht her und geht aus von ihm hervor.

 

Mit den Worten des Meisters gesagt:

 

                        Im Innern ist das himmlische Licht, und aus ihm geht

                        ein Ton (Bani) hervor; eine Verbindung mit ihm bringt

                        die Seele in Einklang mit dem Herrn.

                                                                                                                      Sorath M.1

 

Er darf aber nicht dem Ton verwechselt werden, der durch den Blutkreislauf etc. entsteht und durch die Ohren vernommen wird; denn dieser bezieht sich einzig und allein auf die Elemente. Dieser Aspekt von Naam ist, obgleich man ihn nicht zum Ausdruck bringen kann, dennoch sehr real und ewig. Es ist ein transzentender spiritueller Strom, der von Gott ausgeht und die ganze Schöpfung durchdringt. Es gibt keine Worte, die seine wahre Bedeutung genau bezeichnen oder beschreiben.

 

Der Meister aber beschreibt es folgendermaßen:

 

                        Die 52 Buchstaben des Alphabets und die drei großen

                        Aufteilungen - die rein spirituelle Region, die spirituell-

                        materielle und die materiell-spirituelle Region - sind in

                        diesem Wort. Alle Buchstaben können wegfallen, aber

                        diese Wort wird ewig bestehen.

                                                                                                          Gauri Kabir

 

Das heilige Wort oder Naam ist allein ein Geschenk des Meisters. Ohne dieses kann Gott nicht erkannt werden.

                       

Wahr ist sein Wort und wahr Seine Ewige Musik (Bani).

                        Ein wahrer Gurmukh kann es vernehmen. Durch Sättigung

                        mit dem wahren Wort wird Verzicht erreicht, und das

                        Kommen und Gehen hat ein Ende.

                                                                                                          Maru M.3

 

Kabir sagt:

                        Das Wort zieht die Seele wie ein Magnet zu den spirituellen

                        Bereichen empor. Ohne Hilfe des Wortes kann sich

                        keiner über den Körper erheben, mag er versuchen, was

                        immer er will.

 

Und:

                        Wenn das Wort berührt wird, hat man den Herrn gefun-

                        den, und dann ist alles Mühen von Erfolg gekrönt.

                                                                                                          Sri Rag M.3

 

                        Ohne das Wort ist die ganze Welt entfremdet, und keiner

                        kann etwas daran ändern. Wen auch immer der Herr

                        erretten will, wird auf das Wort abgestimmt.

                                                                                                          Shalok M.3

 

                        Ohne das Wort kann man den Geliebten nicht finden,

                        und die menschliche Geburt war dann umsonst.

                                                                                                          Sri Rag M.3

 

                        Mein Herr, der Ewig-Seiende, wird durch die Praxis des

                        Wortes (des heiligen Naam) gefunden. Er ist unvergänglich;

                        weder kommt Er noch geht Er. Bleibe in Verbindung mit

                        Ihm, der alles durchdringt, und meditiere nicht über einen,

                        der an das vergängliche Rad gebunden ist.

                                                                                                          Gujri War M.3

 

Soami Shiv Dayal Singh Ji sagt, indem er von Shabd spricht:

                       

Wahrlich wunderbar ist die Kraft von Shabd,

                        wie kann ich beschreiben die Glorie von Shabd?

                        Jene, die gekostet haben die Süße von Shabd,

                        sie allein kennen die Größe von Shabd.

 

                        Jeden Augenblick empfinde ich die schützende

                        Kraft von Shabd;

                        wie vermag ich zu schildern die Erhabenheit von Shabd?

                        Ohne Shabd wandelt man in Unwissenheit und kennt

                        nicht seinen Wert.

                        Jene, die das Geheimnis lösten von Shabd

                        und starke Liebe haben für Shabd

                        und Shabd im rechten Ernste üben,

                        sind wirklich die Gesegneten.

                        Es gibt keine Kontrolle über das Gemüt, ohne Shabd;

                        darum stimme dich ein auf Shabd.

                        Vergebens war die menschliche Geburt,

                        erlangt man nicht die Schätze von Shabd.

                        In den Tiefen der Seele ertönet Shabd;

                        warum lauschst du nicht den Klängen von Shabd?

                        Sitze allein und bringe dein Gemüt zum Schweigen,

                        denn nur dann wird sich dir Shabd offenbaren.

                        Lege Stumpfheit, Schlaffheit und Müdigkeit ab

                        und bleibe immer in Verbindung mit Shabd.

                        Im Innern erklingt das auf fünf Arten tönende Shabd;

                        so lerne zu lauschen auf Shabd.

                        Ich habe viel gesprochen über Shabd,

                        aber leider müht sich keiner zu folgen dem Shabd.

                        Für nichts verwirken sie das menschliche Leben,

                        die nicht die Rettungsschnur von Shabd ergreifen.

                        Ich beende nun diese Rede über Shabd,

                        keiner, nur dem es bestimmt ist, erlangt Shabd.

 

Die Verbindung mit dem Wort oder Shabd ist die einzige wahre Verehrung. Ohne diese Praxis vermag nichts die eingewurzelten üblen Neigungen des Gemüts auszurotten. Wer immer über die sich schnell ausbreitenden Verzweigungen des Gemüts klagt, hört nicht die Musik des Wortes. Doch im Verlauf der Zeit schleicht sich die Unwissenheit ein, und die erhabenen Wahrheiten, welche durch die Meister kundgetan wurden, bleiben unverstanden, und ihre

wahre Bedeutung wird aus den Augen verloren.

 

Im Guru Granth Sahib erscheint sehr häufig der Begriff Gur-Bani (das Wort). Wo darin der Ausdruck Shabd vorkam, glaubten manche, daß damit die Hymnen gemeint seien, die im Guru Granth niedergelegt sind. Dies rührt daher, daß sie von dem bewußten Tonstrom oder dem Wort nichts wußten, das in der ganzen Schöpfung und durch sie hindurch erklingt. Wir wollen uns dem Guru Granth Sahib selbst zuwenden, um zu ermitteln, was er darüber zu sagen hat. Die nun folgenden Hymnen werfen genug Licht auf die Tatsache, daß das Wort etwas Bewußtes ist, und dies viel mehr, als Worte zu schildern vermögen.

 

Wenn wir uns mit „Shabd“ verbinden, erheben wir uns in ein neues Leben.

                       

Der Weg zur Erlösung führt über Shabd.

                        Körper und Gemüt werden gereinigt durch Shabd;

                        selbst Gott wird auf der Ebene des Gemüts verdeckt.

                        Ohne die Verbindung mit Shabd sind wir blind und taub,

                        und die menschliche Geburt war umsonst.

                        Ohne den Nektar von Hari Naam zu kosten, ist das Leben

                        nur ein Schatten, eine Fata Morgana, und man bleibt

                        endlos im Zyklus der Geburten und Tode.

                        Gleich schmutzigen Würmern fühlen wir uns wohl im Unrat

                        eingehüllt in den Schleier höchster Unwissenheit.

                                                                                                          Sorath M.3

 

                        Jene, die das Wort nicht kennen, sind blind und taub

                        (denn sie sehen nicht sein Licht und hören nicht seinen

                        lieblichen Gesang). Welchen Nutzen hat ihr Kommen in

                        die Welt?

                        Sie erfreuen sich nicht des süßen Elixiers von Hari Naam

                        und verlieren für nicht das irdische Leben.

                        Und weiter bleiben sie im endlosen Zyklus der Geburten

                        und Tode. Schmutzigen Würmern gleich ziehen sie sich

                        selbst in die Niedrigkeit der Sinneswelt.

                        Wahrlich, ohne Vernunft fühlen sie sich wohl

                        und gedeihen im Dunkel der Unwissenheit.

                                                                                                          Sorath M.3

                        Bani (das Wort) hallt durch die vier Yugas und kündet

                        allen die Wahrheit.

                                                                                                          Sri Rag M.3

 

                        Im Tonprinzip (Dhun) ist tiefe Konzentration;

                        nun weiß ich, was Konzentration wirklich

                        bedeutet. Das Wort, durch den Meister offenbart,

                        ist unaussprechlich (Akath).

                                                                                                          Ramkali M.1

 

                        Der vollendete Meister enthüllt das wahre Wort

                        (Sachi Bani), das durch „Sukhman“ führt und zu

                        „Sahaj“ (dem Zustand der Ausgeglichenheit) leitet.

                                                                                                          Maru M.5

 

                        Der Bani des Meisters (das Wort) erklingt in

                        der ganzen Schöpfung.

                                                                                                          Maru M.5

 

Auch die Bezeichnungen „Akath-Katha“ (unbeschreiblicher Gesang), „Dhun“ (Harmonie), „Anhand Bani“ (unbegrenzte Musik) wurden von Guru Nanak im Granth Sahib gebraucht und sind alle gleichbedeutend mit ein und demselben Prinzip, nämlich „Naam“, „Shabd“ oder „das Wort“. Das Wort liegt über dem Gesichtskreis von „buddhi“ (der Denkfähigkeit) und wird nur gehört, wenn man sich über den Körper erhebt. Ein Verstehen des Wortes kommt allein, wenn es sich der Seele direkt offenbart.

 

                        Alles Wissen und die Meditation rühren vom

                        Tonprinzip (Dhun) her,

                        aber was das Tonprinzip ist, kann nicht

                        erklärt werden.

                                                                                                          Sri Rag M.1

 

                        Der wahre „Bani“ wird durch den Meister gegeben

                        und erklingt im „Sukhman“.

                                                                                                          Maru M.5

 

                        Der „Bani“ des Meisters durchdringt alles.

                        Er geht von ihm aus, und er selbst offenbart ihn.

                                                                                                          Maru M.5

 

                        Die unübertreffliche Musik wird über die Gnade eines

                        Gottmenschen gehört; nur wenige gibt es, die sich mit

                        ihr verbinden.

                                                                                                          Ramkali M.1

 

                        Vollendet ist der grenzenlose Gesang („Anhad Bani“),

                        und der Schlüssel dazu ist bei den Heiligen.

                                                                                                          Ramkali M.5

 

Ein Heiliger gibt seinem Schüler bei der Initiation volle Instruktionen über das „wahre Naam“ (das Wort). Er ist es, der das heilige Naam eingibt und es den Initiierten offenbart. Er zeigt ihnen auch, daß die Schätze der Gottheit in ihnen verborgen sind, und er sagt, wie sie mit ihr in Verbindung kommen können (in Jap Ji, Vers VI).

                       

Dieser Körper ist der heilige Tempel Gottes.

                        Das Licht des Allwahrhaftigen scheint darin.

                        Unvergleichlich sind die Kleinode, die im

                        Tempel des Körpers verborgen sind;

                        aber wenige gibt es, die sie durch die Weisungen

                        des Meisters finden.

                                                                                                          Gauri War M.4

 

                        Schule deinen Körper, dein Gemüt und meditiere

                        über das Wort des Meisters.

                        O Nanak! Forsche im Körper nach den Schätzen

                        von Naam. Durch die grenzenlose Liebe des Meisters

                        kannst du sie finden.

                                                                                                          Asa M.3

 

Der Bani des Gott-Menschen ist in jedem von uns. Er geht von Gott aus, und Er selbst macht ihn hörbar. Wer auch immer sich mit dem Wort verbindet, wird erlöst und erreicht die ewige Region der Wahrheit. „Bani“ oder das „Wort“ des Meisters wird im „Sukhman“ gehört und stimmt einen auf „Sahaj“ (Zustand der Ausgeglichenheit) ab.

 

Wie der Meister sagt, sind vier Dinge von bleibendem Wert, während alles andere im Verlaufe der Zeit dem Verfall und der Zerstörung unterworfen ist. Es sind dies „Naam“ oder „Bani“, „Sadh“ oder eine entwickelte Seele, die sich selbst im Vater sieht und den Vater im Meister - dem personifizierten Wort (Guru) - und der Herr (Gobind). Wer auch immer mit ihnen ein Bündnis schließt, wird erlöst und überschreitet den Bannkreis der Zerstörung.

 

Naam allein ist ewiger Reichtum. Alle anderen Schätze kommen und gehen. Feuer kann diesen Reichtum nicht verbrennen, und Diebe können ihn nicht stehlen. Dieser Reichtum des Herrn durchdringt die Seelen aller und ist immer mit der Seele. Er wird durch den vollendeten Meister gefunden und fällt niemals einem zu, der sich dem Sinnesleben hingibt.

                       

In der Tat groß ist der Kaufmann, o Nanak, der

                        den Reichtum von Naam erwirbt.

                                                                                                          Gujri War M.3

 

Guru Gobind Singh, der zehnte Guru der Sikhs, hinterließ dem Sikh-Heiligen ein bleibendes Fundament. Er gab uns die mystische Form des Guru Granth Sahib als maßgebenden Führer und als Richtschnur. So können menschliche Irrtümer, die sich durch Unwissenheit einschleichen, vermieden werden. Die Darlegungen der Heiligen aus nahezu allen Glaubensrichtungen - der Hindus, Mohammedaner, Brahmanen und anderen -, finden alle gleichermaßen einen Platz im Guru Granth. Dies zeigt, daß die spirituellen Führer trotz der verschiedenartigen Gemeinschaften gleich willkommen waren, um an dieser himmlischen Festtafel teilzuhaben. Als ein praktisches Beispiel möge dienen, daß Guru Nanak den Bhai Bala, einen Hindu, und Mardana, einen Mohammedaner, als ständige Gefährten auf seinen Reisen durch ganz Asien bei sich hatte. Die ganze Menschheit, ohne Unterschied des Glaubens und der Rasse, ist auf dem Weg der Spiritualität willkommen, lehrte er.

 

Guru Gobind Singh hat im Guru Granth Sahib deutlich einen Weg zu Gott durch Shabd (das Wort) gezeigt. Hinsichtlich dessen machte er den Sat-Sangat oder die heilige Gemeinschaft, die sich aus fünf Piaras (oder Geliebten Gottes) zusammensetzt, zur Pflicht und nannte sie die Khalsas - die Reinen. Er verstand nach seiner Definition darunter diejenigen, die im vollen himmlischen Licht erstrahlen, und er versprach, immer und für alle Zeiten in ihnen gegenwärtig zu sein.

 

Seine eigenen Worte sind:

 

Khalsa ist meine eigenen Form, und ich wohne in ihr.

Der Meister schärft dem Schüler (Sikh) ein,

nur von solchen Khalsas oder Reinen die Initiation zu erbitten,

die als Pahul oder Amrit bekannt sind. Er sagt:

                        Wer auch immer langes Haar trägt, ohne Pahul

                        (von den fünf Khalsas, den Reinen oder Piaras),

                        der trägt nur das äußere Kleid und ist der

                        Unwissendste im Gefolge.

 

Die Khalsas sind die Sadhs, von deren Ruhm der Guru Granth Sahib in Bänden spricht. Guru Nanak war eine Personifizierung von Shabd. Er wechselte seine Form und kam als Guru Angad, der sich in Guru Amar Das umwandelte, welcher sich wiederum als Guru Ram Das erhob und dann in Guru Arjan Dev überging. Shabd verkörperte sich weiterhin, bis er die Form von Guru Gobind Singh, dem zehnten Guru der Sikhs, annahm, der deutlich machte, daß er für alle Zeiten in den Khalsas - den Reinen - weiterleben werde. Natürlich haben alle Heiligen ihr immerwährendes Dasein in der Form von Shabd versprochen. Die Khalsas sind somit das „personifizierte Wort“, das Wort in ihnen und sie im Wort. So stellt Guru Gobind Singh die Dreieinigkeit der Religion im Sikh-Heiligtum auf eine dauerhafte Grundlage:

 

                        1) Shabd oder Naam

                        2) Satsang oder die heilige Gemeinschaft, und

                        3) die Einsetzung der Khalsas zum Zweck der Initiation,

                             oder daß man ihren zu Füßen Zuflucht nehme für die

                             Unterweisungen, die in den Vorschriften des Guru

                             Granth Sahib, dem richtungsweisenden Führer,

                             enthalten sind.

 

Weiter berichtet uns Guru Nanak von den Anfangsgründen, die zum Fortschritt auf dem spirituellen Pfad führen. Diese Stufen bilden das Hauptthema der Verse XXVIII und XXIX des Jap Ji. Die Eigenschaften, die den Ausübenden befähigen, die spirituellen Studien aufzunehmen, sind in Vers XXXVIII genannt. Am Ende des Jap Ji ist eine Beschreibung der fünf spirituellen Ebenen gegeben, welche die Pilgerseele auf ihrem Weg zurück zu Gott zu überqueren hat.

 

Die Erfahrungen unserer eigenen Seele werden den Beweis erbringen, daß diese Auffassung der Religion, wie sie Guru Nanak im Jap Ji lehrt, die richtige ist. Wir brauchen dieserhalb nicht bis zum Tode zu warten. Der Meister hält nichts von Versprechungen auf guten Glauben. Wenn der Mensch nicht Gott findet, solange er im Körper lebt, wer möchte dann an das Erreichen des Lebenszieles nach dem Tode glauben?

 

                        O Herr, wenn Du uns nach dem Tode erlösest,

                        was kann uns das nutzen?-Oh, nichts.

                                                                                                                      Namdev

 

Wenn man sich der praktischen Seite der Lehren hingibt, wird dies die Wirksamkeit der Mittel beweisen, die Guru Nanak uns riet. Eine Art Ruhe und höchste Freude beginnt den Geist gleich von Anbeginn an zu beherrschen. Und im Laufe der Zeit werden bei weiterer Praxis im lebendigen Tempel des menschlichen Körpers wunderbare Weisen vernommen, und eine ganze Welt himmlischen Lichts leuchtet auf. Zuletzt wird der Mensch dorthin geleitet, wo das himmlische Licht in vollem Glanze erstrahlt. Und schließlich wird er dem „Strahlenden Geist“ in seiner vollen Schwingung gegenübergestellt. Erst dann erscheint das Universum voll des Herrn und läßt erkennen, daß es nichts auf der Welt gibt, das nicht das Wort ist.

 

Der Meister möchte, daß jeder von uns die flüchtigen Formen und Schablonen durchdringt und von den Erscheinungen der Natur zum Gott der Natur übergeht. Er warnt uns vor den Irreführungen der verlockenden Attraktionen und vor dem phantastischen Zauber, welche Mutter Natur durch ihre Reize und ihre vergängliche Schönheit ausbreitet. Wir sollten sie als Hinweise auf den Herrn, den Ewigen Gott, erkennen, der im Innern wohnt und jedes ihrer allzu rasch vergehenden Werke durchdringt. Weiterhin hofft er, daß wir alle unsere Kräfte aufrufen und sie in unseren Dienst zwingen, um unseren Körper zum lebendigen Tempel der göttlichen Musik, des Wortes, zu machen, solange wir noch auf Erden leben.

 

Er sagt darum:

 

                        O Mensch, du bist in die Welt gekommen,

                        ein gutes Geschäft zu machen.

                        Aber leider gibst du dich mit den fruchtlosen

                        und verwirrenden Dingen des Lebens ab.

                        Die Nacht (des irdischen Lebens) geht ihrem Ende zu.

 

                                                                                                           Sri Rag M.3

 

                        Das Gut, mit dem du handeln sollst, ist das

                        alles durchdringende Naam - das Wort,

                        das von den Heiligen zu haben ist.

                                                                                                         

Gauri Sukhmani M.5

 

                        Du bist als Mensch geboren worden,

                        und das ist die günstige Gelegenheit,

                        dich mit Gott zu verbinden.

                                                                                                          Asa M.1

 

„Jetzt oder nie“, heißt die Parole, die Guru Nanak aufgestellt hat. Die Bindung an die Sinnesgegenstände, das prunkhafte Zurschaustellen von Reichtum und Wohlstand, der luxuriöse Überfluß und die Fülle, das zügellose Sinnestrachten nach Wohlleben und Behaglichkeit - dies alles trägt zur Unausgeglichenheit des einfältigen Gemüts bei. Es sind dies die Disteln und Dornen, welche die Schönheit des ungetrübten Geisteszustandes beeinträchtigen, der der rechte Boden und bestens geeignet ist für das Aufdämmern der Gottheit. Jeder Tag, jede Stunde und jede vorübergehende Minute führt und immer mehr in die Gebundenheit der sinnesfreudigen Erscheinung der Welt.

 

Guru Nanak sagt:

 

                        Da wir der objektiven Welt verhaftet sind,

                        wie können wir einen Blick von Dir, o Herr,

                        dem ewig-seinenden Einen, erlangen?

                                                                                                          Bilawal M.5

 

Wir müssen kurz innehalten, um zu sehen, wo wir uns befinden und in welche spirituellen Höhen uns zu führen der wahre Meister gekommen ist.

 


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