3. Keuschheit Keuschheit ist Leben, und Sichgehenlassen ist der
Tod. Enthaltsamkeit ist eine Tugend, die auf allen Gebieten des Lebens, seien
sie weltlich oder spirituell, beachtet werden muß, wenn man Erfolg haben will.
Ein sauberes, keusches Leben ist ein fruchtbarer Boden, in dem die heilige Saat
der Spiritualität am besten gedeiht. Es besteht aus der Beherrschung in
Gedanken, Worten und Taten, da das Gift in jedem Falle in die tiefsten Tiefen
des Gemüts dringt und sich durch den in zahllosen Lebensläufen angesammelten
Schmutz und Unrat vervielfacht. Die Keuschheit zu pflegen ist eine mühsame
Arbeit, die einen lebenslangen Kampf erfordert. Es ist wirklich etwas sehr
Anstrengendes. Diejenigen sind begünstigt, die sexuell enthaltsam leben, denn
sie sind in einer weit besseren Lage, dem Pfad gottwärts zu folgen, als solche,
die sich in dem erbärmlichen und elenden Sumpf der Schwachheit gegen sich
selbst herumwälzen. Ein normales maßvolles Eheleben, wie es in den Schriften
vorgeschrieben wird, ist jedoch kein Hindernis für die Spiritualität. Wenn man
die Gegebenheiten des Lebens untersucht, zeigt sich, daß normalerweise viel von
unserer Umwelt und unserer Lebensweise abhängt. Auch unsere Nahrung spielt eine
nicht unbedeutende Rolle bei der Entwicklung unserer Denkweise. Die Nahrung, die
wir in unser System aufnehmen, färbt unseren Lebensimpuls in ihrer Farbe. Die
Knochen und das Blut nehmen die Farbe der Nahrung an. Verdorbene oder tote
Nahrung trägt kein Leben in sich. Das ist der Grund, warum die Meister des
spirituellen Pfades immer auf der vollständigen Enthaltsamkeit von allem
Fleisch, Fisch, Geflügel und Eiern (befruchtet oder unbefruchtet), allen
alkoholischen Getränken und sonstigen Opiaten und Genußmitteln bestehen; denn
das eine schwächt die Denkfähigkeit, während das andere tierische
Leidenschaften im Innern aufkommen läßt und gegenüber den höheren
Lebensimpulsen empfindungslos macht. „Wie du denkst, so wirst du.“ ist eine
uralte Redeweise, und man kann hinzufügen: „Wie die Nahrung, so der Geist“. Eine natürliche Nahrung, die aus Gemüse, Früchten,
Nüssen, Milch, Butter, Brot und Käse usw. besteht und maßvoll genommen wird,
ist der Gesundheit sehr zuträglich und gibt Kraft, um den Verpflichtungen des
Lebens nachzukommen, seien sie irdischer oder spiritueller Art. Ein bekannter Arzt sagt: Wir graben
unsere Gräber in der Küche und noch mehr
mit unseren Zähnen. Darüber hinaus ist mit diesem Problem das
weitreichende, unerbitterliche Gesetz des Karma, das Gesetz von Ursache und
Wirkung eng verknüpft. „Was man sät, wird man ernten.“ ist wohlbekannt
und bedarf keines weiteren Kommentars. Wer Unkraut sät, kann keine Rosen
erwarten. Für alles, was in der Welt und von der Welt ist, muß bezahlt werden.
Auch unsere sogenannten Freuden und Vergnügungen fordern ihren Preis. Man kann
kein Leben nehmen, ohne dafür bestraft zu werden. „Der Sünde Sold ist der
Tod“, sagt Christus, und ihr mögt selbst entscheiden, ob ihr bereit seid,
dafür zu zahlen. Bei der Beachtung von Brahmacharya bewahren wir
nicht nur die wichtige Lebenskraft (die ein unschätzbares Gut im menschlichen
Körper ist und keinesfalls unterschätzt werden darf), sondern können uns mit
ihrer bedeutsamen Hilfe auf die Gottheit abstimmen, die bereits in die Urform
unseres Lebens eingewirkt ist, aber in dem gewaltigen Wirbel der Welt verloren
ging. Die uns verlorengegangenen Enden der Lebensschnur, das heilige Licht und
der hörbare Lebensstrom - wie durch die
Meister offenbart- , können nicht beliebig lange gehalten werden, wenn wir
nicht fest in ein Leben der Keuschheit eingebettet sind. Ein leerer Sinn ist
des Teufels Werkstatt, und deswegen wird die beständige Wiederholung der
geladenen Worte und die Erinnerung an den Meister eingeschärft, was eine
mächtige Hilfe ist, um den Geist in dem tosenden Meer des Lebens zu festigen
und beständig zu machen. Es muß eindeutig verstanden werden, daß keine noch so
große Menge an intellektuellem Wissen und spitzfindigem Denken in der Stunde
qualvoller Agonie nutzen kann, sondern allein der gnädige Schutz des Meisters. Wiederum behalten reife Früchte ihre Frische,
solange sie an den Ästen hängen; wenn sie erst einmal gepflückt sind, können
sie nur in Honig oder in Kühlräumen mit hohem Kältegrad aufbewahrt werden. Die
persönliche Aura des gütigen Meisters gleicht dem die Frische bewahrenden Honig
und seine liebevolle Fürsorge der unschätzbaren Kühllagerung, wo man auf
Befreiung von der uralten Melodie des irdischen Daseins hoffen kann.
Diejenigen, deren Leben der heiligen Sache Gottes geweiht war, haben Berichte
ihrer wertvollen Erfahrungen hinterlassen, die im Übermaß zeigen, daß es für
jeden Hoffnung gibt, vorausgesetzt, es ist ihm ernst in seinem Streben und vor
allem natürlich, daß er die richtige Führung und Hilfe eines wahrhaft kompetenten
Meisters hat. Wie jeder Heilige eine Vergangenheit hat, so hat jeder Sünder
eine Zukunft; aber ohne die Gnade der Meisterkraft oben kann nichts vollbracht
werden. Der Schüler muß natürlich fest arbeiten, sich mit Dingen beschäftigen,
die ihn nützlich sind, und zumindest die heiligen geladenen Namen im Geiste
wiederholen, unpassende und schlechte Gesellschaft, wie auch jeden Umgang
meiden, der nicht geistesverwandt ist; er sollte sich nicht mit unzüchtiger
Literatur befassen und auch nicht nach dem anderen Geschlecht Ausschau halten;
und er muß außerdem von der strikt vegetarischen Diät leben, die sorgfältig
gekocht und mit Maß eingenommen werden soll. Dies sind einige hilfreiche
Faktoren, die, wenn sie genau befolgt werden, mit der Gnade der Meisterkraft
oben zu gegebener Zeit sichere Ergebnisse zeitigen. Es mag vielleicht angebracht sein, hier ein paar
Worte über „Brahmacharya“ zu sagen. Im buchstäblichen Sinne heißt es „der
Pfad“ (der praktische Pfad des Verhaltens), der zu Brahma oder Gott führt. Er
besteht darin, daß man alle Sinne unter Kontrolle hält und sie in die richtige
Richtung lenkt. Mit anderen Worten: er verhilft zu einem Leben der
Enthaltsamkeit und Mäßigkeit, Ausgeglichenheit und Selbstbeschränkung, und er
schließt vollständige Abstinenz von jeder dem Fortschritt unzuträglichen
Nahrung und schädlichen Getränken ein. Ein Leben wie dieses ist ein sine qua non oder ein Muß für den Pfad gottwärts, und dem
Aspiranten wird sehr geraten, es gewissenhaft zu befolgen. |