29. Kapitel

Ergebung in den Meister

 

Ergebung zu den Füßen des Meisters bedeutet, den eigenen Willen mit dem Willen des Meisters in Einklang zu bringen und sich ganz seinem Erbarmen zu überlassen. Es ist der sicherste und einfachste Weg, alle Sorgen und Ängste zu umgehen. Dies ist nur gegeben, wenn ein Schüler vollkommenen Glauben und unbedingtes Vertrauen in die Kompetenz des Meisters hat.

Diese Art der Selbsthingabe gleicht der eines völlig hilflosen Patienten, der sich ruhig auf die Kunst eines erfahrenen Chirurgen verläßt, von dessen Messer und Lanzette er sein Leben abhängig weiß.

Oder sie an mit der Zuversicht von einem verglichen werden, der sich hoffnungslos im Dickicht des Waldes verirrt und vom Forstaufseher, der ihn entdeckt, wieder auf den weg geführt wird.

Auf genau die gleiche Weise besteht die Aufgabe des Meisters nicht lediglich in der theoretischen Belehrung über Para Vidya (die Wissenschaft des Jenseits), sondern schließt auch den praktischen Beweis aus den Ergebnissen der spirituellen Experimente ein sowie die Hilfe und Führung für den Schüler in all seinen Schwierigkeiten. Ein wahrer Freund gibt nicht nur theoretische Lektionen darüber, wie man von Gemüt und Materie frei wird, sondern er hilft, tatsächlich davon loszukommen.

Nehmen wir zum Beispiel an, jemand muß eine Auslandsreise machen. Er wird sich zuerst erkundigen, welche verschiedenen Land-, Schiffs- oder Flugverbindungen es gibt, und sich für eine davon entscheiden. Hat er seine Wahl getroffen, steigt er in Flugzeug, Schiff oder Zug ein und setzt sich, vom Können des Piloten, Kapitäns oder Zugführers überzeugt, unbesorgt und bequem auf seinen Platz. Sollte das Schiff in Not geraten oder das Flugzeug von einem Sturm erfaßt werden, hat der verantwortliche Pilot oder Kapitän die Pflicht, alles zu tun, um das Beförderungsmittel und die Passagiere in Sicherheit zu bringen.

Genauso muß sich, wer spirituelle Erkenntnis sucht, nach sorgfältiger Prüfung zuerst über die spirituelle Lauterkeit eines Meisters klarwerden und sich dann ohne jeden Vorbehalt voll und ganz seiner Autorität und Weisung unterstellen. Denn er allein kennt die Windungen und Krümmungen des spirituellen Pfades und kann ein unfehlbarer Führer sein.

Das Wort Ergebung bedeutet also, daß ein Schüler voller Vertrauen in die Fähigkeit und Kompetenz des Meisters haben sollte und gewissenhaft seiner Anweisung, welcher Art auch immer, folgt und danach lebt, ohne Rücksicht darauf, ob er sie versteht oder nicht, denn sein begrenzter Verstand kann sich irren, viel zu wenig in die Tiefe dringen oder sich sonst als unzugänglich erweisen.

Es ist nicht an ihm, die Richtigkeit der Gebote des Meisters in Frage zu stellen. Er muß lernen, wie ein Soldat seinen Anordnungen nachzukommen, ohne das Warum und Wofür der Dinge zu kennen. Denn der Meister weiß, was in jedem fall am besten und geeignetsten ist.

Daher muß man dem Meister aufs Wort gehorchen und sich augenblicklich dem Sadhan, der spirituellen Übung oder Schulung, unterziehen, wie es einem erklärt wurde.

Dies ist der einzige Weg zum spirituellen Erfolg. Es gibt keinen anderen.

In dem Zusammenhang haben wir das Zeugnis von Hafiz, einem großen persischen Sufi- Dichter:

 

                            Färbe deinen Gebetsteppich in Wein,

                            wenn es der Meister wünscht, denn er

                            kennt die Windungen des vor dir liegenden Weges.

 

Vertraut der Schüler alles dem Meister an, wird er sorgenfrei, und der Meister muß notwendigerweise die ganze Verantwortung übernehmen; so wie es eine Mutter für ihr Kind tut, das nicht weiß, was gut für es ist.

Wenn sich der Schüler in seinem Sadhan entwickelt, wird er fähig, mehr von der Gnade des Meisters zu empfangen. Unter seinem gütigen und segensreichen Einfluß kommt der Schüler täglich voran, und alle seine Wünsche werden erfüllt, ohne daß er selbst die geringste Mühe hat.

Weise und Seher rufen von den Dächern:

 

                            Ihr Sucher nach Frieden,

                            eilt zu einem Meister- Heiligen.

 

Im 18. Gesang, Vers 66 der Bhagavad Gita verkündet der erhabene Lord Krishna als Weltlehrer:

 

                            Laß alle Formen und Gebräuche fahren,

                            und komm zu mir als deinem Zufluchtsort.

                            Von allem Übel wird‘ ich dich erlösen.

                            Sei eins mit mir und fürchte dich nicht mehr.

 

Im Koran lesen wir ebenfalls:

 

                            Wer immer sein Ziel Allah überläßt,

                            während er Gutes tut,

                            dessen Lohn ist bei seinem Herrn,

                            und keine Furcht wird ihn überkommen,

                            noch wird er bekümmert sein.

                                                                  2.112; 10.6

 

Und in der Bibel heißt es:

 

                            Ich muß meine Hand wider dich kehren,

                            und deinen Schaum aufs lauterste ausfegen,

                            und all dein Blei ausschneiden.

                                                                  Jes. 1, 25

 

                            Kommet her zu mir alle,

                            die ihr mühselig und beladen seid;

                            ich will euch erquicken.

                                                                  Matth. 11, 28

 

Ferner:

 

                            Rufe mich an in der Not,

                            so will ich dich erretten.

                                                                  Psalm 50, 15

 

Selbsthingabe ist keine leichte Sache. Um sie zu erfüllen, muß man wieder zu einem unschuldigen Kind werden. Sie erfordert eine völlige Umkehr und vollständige Umwandlung, bei der man die eigene Individualität ausschaltet.

Es ist der Pfad der Selbstverleugnung, den nicht jeder gehen kann.

Andererseits ist der Pfad spiritueller Schulung verhältnismäßig leicht. Jedem ist es gegeben, spirituell voranzukommen.

Es ist zweifellos ein langer und mühseliger Weg im Vergleich zu dem der Selbsthingabe, doch wenn man dem Meister vertraut, kann man ihn, Schritt für Schritt, mit Entschlossenheit gehen. Wenn es aber einem gelingt, an der Selbsthingabe festzuhalten, können ihm bald alle Segnungen des Meisters zuteil werden; denn er geht direkt in seinen Schoß und hat selber nichts weiter für sich zu tun.

Er ist nun der Erwählte des Meisters, sein geliebter Sohn, der Sohn Gottes. Aber sehr selten wird sogar eine wirklich begünstigte Seele fähig sein, sich diese Haltung zu eigen zu machen.

 

                            Wenn es der Herr so bestimmt, o Nanak, kann einer

                            den Pfad der Selbsthingabe gehen. Wahrlich gesegnet

                            ist, wer sich zu den Füßen des Satgurus ergibt.

                           

                            Der Wahrheit nahe, berauscht er sich an der Wahrheit

                            und wird mühelos eins mit ihr.

 

                            Ô Nanak, nur durch die Gnade des Herrn wird man

                            einem solchen Gurmukh begegnen!

 

In den Schriften findet sich eine Vielzahl von Vorteilen für den, der diesen Pfad annimmt:

 

                            Alle Übel und Sorgen schwinden durch Ergebung zu

                            den Füßen des Meisters.

 

                            Der Welt der Freude und des Leids entkommt nur

                            einer, der die Füße des Satgurus erreicht.

 

                            Ein Gurmukh steht jenseits der drei Gunas und ist

                            dem Herrn angenehm.

 

                            In der Selbsthingabe wird das Gemüt geläutert; aber

                            einzig Gottes Namen zu preisen ist von keiner Hilfe.

 

                            Zum Wohl der Welt kommen jene, die nach des Herrn

                            Anblick dürsten.

 

                            Wer sich überantwortet, rettet sich und wird völlig frei;

                            jeder Wunsch wird ihm erfüllt.

 

                            Alle Freuden sind mit dem Satguru; neige dich also zu

                            seinen Füßen.

 

                            Sein bloßer Anblick ist segensreich.

 

                            Ohne etwas zu bereuen, singe zu seinem Ruhm.

 

                            Ich sehe, wie sich die Welt im Feuer der Selbstsucht

                            verzehrt.

                            Rette dich durch Hingabe an den Meister, und dann

                            höre auf den wahren Shabd.

 

                            Ich ergebe mich einem, der die alleinige, materielle

                            wie auch bewirkende Ursache ist. Seine Gnade hat die

                            Heimat im Licht des Mondes offenbart.

                            Durch den Lebensimpuls eines vollendeten Meisters

                            weilt Ram Naam in mir.

 

                            O Nanak, durch Ergebung zu den Füßen des Meisters

                            wird der Herr barmherzig.

                  

                            Im Kal Yuga liegt Naam überall verborgen, und der

                            Herr durchdringt alles in Fülle.

 

                            Doch das unschätzbare Naam wird in der Hingabe an

                            den Meister offenbar.

 

Dank der Segnungen des Gurus verliert man die Frucht vor dem Tod und wird erfolgreich über das Meer des Lebens gebracht.

 

                            Glücklich besiegt er den Tod und geht nie zur Hölle.

                            O Nanak, er wird errettet durch Hingabe, denn Hari

                            nimmt ihn unmittelbar in seine Obhut.

 

Von ihm angenommen, werden alle seine Handlungen rein.

 

                            O Nanak, nie wird er zur Hölle gehen;

                            das ist der Lohn der Ergebenheit!

 

                            Keiner außer dem Erwählten vertieft sich in die

                            Hingabe von Naam.

                            Durch die Ergebung zu den Füßen des Meisters hat das

                            Kommen und Gehen ein Ende.

 

                            Der Herr aller, der das Übel vertreibt, wird erreicht,

                            wenn man sich einem Sadh ergibt. Und das

                            aufgewühlte Meer des Lebens ist bald überquert.

 

Wenn sich ein Jiva dem Satguru ergibt, nimmt ihn der Herr in seinen Schutz und gewährt ihm die Segnungen von Sahaj (dem ewigen Glück). Alle Zweifel und Ängste vergehen nun, und er gelangt zu seinem wirklichen Selbst.

 

 

 

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