Kirpal Singh

Gespräche von Herz zu Herz

16. September 1970

Abend-Darshan/Rajpur


Frage: Was soll man tun, wenn der Ton während der Seh-Meditation sehr stark zu hören ist?

Antwort: Wenn du den starken Ton nicht ertragen kannst, ist es besser, die Aufmerksamkeit auf das Sehen zu lenken. Er wird dann abklingen. Laß von ihm ab oder folge ihm. Er wird dich ins Jenseits ziehen. Eines von beiden, du kannst es entscheiden. Wenn der Ton sehr stark ist und du ihn nicht ertragen kannst, richte deine Aufmerksamkeit auf das Sehen. Die Unerträglichkeit wird nachlassen, und er wird erträglich werden. Oder du folgst ihm und er wird dich ins Jenseits ziehen. Du kannst in der gleichen Haltung sitzen bleiben, das macht keinen Unterschied. Mit gekreuzten Beinen zu sitzen ist immer besser, weil es die Haltung des Kindes im Mutterschoß ist. Dann ziehst du dich zurück. Sitze einfach auf deinen Füßen, und deine Seele wird sich zurückziehen. Diese Sitzhaltung hilft dir dabei.

Frage: Dann sollte ich also bei der Hör-Meditation eine andere Haltung einnehmen?

Antwort: Nimm einfach die Daumen aus deinen Ohren, konzentriere dich auf das Sehen und wiederhole die Namen, das wird den Ton abklingen lassen. Oder du folgst dem Ton, dann wird er dich ins Jenseits ziehen. Tu das, der Meister wird auf dich warten.

Frage: Meister, wie soll man sich in der Gegenwart des Meisters verhalten?

Antwort: Das ist verschieden, je nach Fortschritt. Wenn wir den Meister über das befragen, was wir gesehen haben, mögen wir ihm vielleicht eine Frage stellen über einen Aspekt davon, aber wenn er antwortet, dann laßt alle Fragen beiseite, hört einfach zu und werdet empfänglich. Alle eure Fragen werden beantwortet werden. Wie ich bereits sagte, stellte ich meinem Meister während meines ganzen Lebens nur zwei Fragen. Die erste bezog sich auf die Vorstellung von Meisters Gestalt. Darüber sprach ich unlängst.
Die andere war: ”Was ist der Beweis dafür, daß diese Wissenschaft nach dir weiterleben wird?” Dazu sagte er: ”Wen ich zum Nachfolger ernenne, für den bin ich verantwortlich, für andere bin ich es nicht.” Das waren seine Worte. Ich fragte noch, welche Gestalt er haben werde, und er antwortete, er werde die Gestalt eines Sikhs haben. Das waren die einzigen Fragen. Ich lernte alles einfach nur, indem ich ihn ansah und ihm zuhörte. Aber das ist nicht bei allen so. Wer sich auf die intellektuelle Ebene begeben hat, muß nach dem warum und weshalb fragen, er muß verstehen. Er muß alle Fragen stellen und klären, sonst ist er nicht in der Lage den Weg zu gehen. Er muß intellektuell überzeugt sein, eine Bestätigung erhalten. Es ist immer besser, mit sich selbst ins Reine zu kommen. Wer also Fragen hat, sollte seine Bedenken beiseite schieben und alle Fragen stellen, und sie werden beantwortet werden. Irgend jemand schrieb: ”Was ist der Beweis?” Ich antwortete ihm: “Geh nach innen.” Er entgegnete: ”Ich möchte Zeit haben, um mit dir allein zu sein.” Ich antwortete ihm: ”Gut, komme. Geh mit mir in ein Zimmer, schließ es ab, nimm den Schlüssel an dich, und verlaß es nicht, bevor nicht alle deine Fragen beantwortet sind.” Alle Fragen sind gleicher Natur, sie werden nur auf verschiedene Art gestellt. Solange ihr nicht nach oben geht, könnt ihr nicht erkennen. Nähert ihr euch dem Giebel des Hauses, dem Dach, dann seht ihr einen Lichtschimmer. Geht ihr ganz nach oben, seht ihr das ganze Licht. So ist es für den, der sich auf die intellektuelle Ebene begeben hat, besser, ganz überzeugt zu sein.

Frage: Wie kann man das verschiedenfarbige Licht, das in der Meditation gesehen wird, erklären?

Antwort: Das steht in keinem Buch. Doch die Farben haben bestimmte Ursachen, die von der inneren Entwicklung, dem Hintergrund und bestimmten Eigenschaften im Leben eines Menschen abhängen. Gelbgoldenes Licht ist spiritueller Natur, ebenfalls das rein weiße; rotes Licht findest du bei energischer Haltung. Die verschiedenen Stufen haben verschiedene Farben und ebenfalls verschiedene Töne.

Frage: Sehen die einzelnen Menschen verschiedenes Licht oder ist es bei jedem die gleiche Folge von Lichterfahrungen?

Antwort: Wer bereits einen Hintergrund hat, geht schneller nach oben. Wer gerade erst beginnt, geht den regulären Weg. Er sieht den Himmel die Sterne, den großen Stern, und er geht darüber hinaus. Dann sieht er den Mond, den er ebenfalls hinter sich läßt. Wer jedoch bereits einen Hintergrund hat, beginnt sofort an dieser Stelle.

Frage: Wenn wir uns jeden Morgen zusammenfinden, sieht jeder von uns verschiedenes Licht. Es scheint, daß viele von uns etwa auf derselben Stufe stehen.

Antwort: Ja, natürlich. Manchmal gibt es einige, die zwei Meister sehen, Meister Sawan Singh und ...

Frage: Für die meisten von uns liegt das jenseits der Möglichkeiten.

Antwort: Nein, nicht jenseits. Ich erhalte Briefe, in denen berichtet wird, daß der Meister innen erscheint. Wer regelmäßig meditiert, erreicht das sicher, und er spricht innen mit dem Meister.

Frage: Das blaue Licht hast du nicht erwähnt. Jeder scheint es zu sehen. Was bedeutet es?

Antwort: Es ist das erste, das erscheint. Es zeigt eine liebevolle Einstellung. Krishna wird immer in einem blauen ‘dhoti‘ abgebildet, sein Gesicht ist blau. Seine Kleider sind gelb und blau. Diese Kombination bedeutet die Verbindung verschiedener Entwicklungsstufen.

Frage: Wenn wir anfangen zu meditieren, sollten wir dann versuchen, so schnell wie möglich das goldene Licht zu erreichen?

Antwort: Du kannst es dir nicht einfach vor die Augen holen. Es kommt von selbst wenn du die entsprechende Ebene erreichst. Das ist, wie gesagt, die Ebene, auf der sich die Gestalt des Meisters offenbart.

Frage: Das Licht scheint nur für kurze Zeit zu bleiben. Nimmt es mit der Zeit zu?

Antwort: Durch regelmäßiges Üben. Der Zeitraum wird größer, je länger du dich ohne Unterbrechung auf das konzentrieren kannst, was du siehst. Je länger du das kannst, desto schneller kommst du weiter.

Frage: Angenommen, man muß sich kratzen. Wirft einen das wieder völlig an den Anfang zurück?

Antwort: Das bedeutet, daß du dich nicht über das Körperbewußtsein erhoben hast, sonst hättest du es nicht bemerkt. Du bist noch nicht auf dem Giebel des Daches, du bist noch auf dem Weg dorthin.

Frage: Manche Leute haben gesagt wenn das Körperbewußtsein ausgeschaltet ist und sie sich darüber erhoben haben, geschieht eigentlich gar nichts. Dort beginnt doch die Gnade des Meisters zu wirken, oder nicht?

Antwort: Die Gnade des Meisters wirkt vom Tag der Initiation an. Sie ist immer da. Bei der Bank ist Geld auf deinen Namen angelegt. Es liegt an dir, zum Schalter zu gehen und es zu holen. Je länger du am Schalter bleiben kannst, desto mehr bekommst du.

Frage: Ich las in einigen Büchern, von dir oder von deinem Meister Baba Sawan Singh, der Meister würde seine Gnade nach Belieben austeilen.

Antwort: Sicherlich.

Frage: Bedeutet das, daß der Meister gelegentlich einen mehr liebt, als die anderen?

Antwort: Warum, warum? Ist er ein weltlicher Mensch?

Frage: Nein, ich meine, unter den Initiierten.

Antwort: Unter den Initiierten liebt er die mehr, die gehorsamer sind.

Frage: Erhalten sie mehr Gnade?

Antwort: Je mehr du ihm dein Gesicht zuwendest, desto mehr Gnade erhältst du. Der Meister empfindet Liebe für alle, darum initiiert er. Ein Mensch mag euch Kleider geben, mag euch Geld oder Häuser schenken, aber niemand gibt sein Leben. Der Meister gibt euch sein Leben. Sein Leben ist Licht und Ton. Er gibt euch Leben, sein wahres Leben, damit ihr beginnen könnt, euch zu entwickeln. Wer kann das sonst geben? Ihr werdet wenige finden, die ihr Blut geben. Es ist ein großes Opfer, aber er gibt sein Leben. Was ist sein Leben? Es ist das Wort, das Fleisch gewordene Wort.

Frage: Du hast einen Teil deines Lebens in uns gelegt?

Antwort: Ja. Ein Mensch, der innen Licht sieht, kann euch Licht geben. Wenn er innen kein Licht hat, wie kann er euch dann Licht geben? Mit einer brennenden Lampe kann man andere Lampen anzünden. Aber wie kann man mit einer Lampe, die noch nicht brennt andere Lampen anzünden?

Frage: Das bringt mich auf eine Frage, die ich schon einmal gestellt habe: Wie sollen wir uns in der Gegenwart eines Meisters verhalten? Einige von uns sind sich da nicht sicher. Manche fragen sich, ob wir uns richtig verhalten, ob wir die notwendige Höflichkeit wahren und so weiter?

Antwort: Geh zu ihm mit der Einstellung, die dir zusagt. Suchst du wirklich nach Wahrheit, ist er über deine Fragen nicht verärgert, auch wenn du hundert und eine stellst. Er wird sie dir liebevoll erklären. Du magst sogar mit Kritik zu ihm kommen. Er wird sich dir in liebevoller Weise widmen. Wenn du verstehst, wirst du dich ändern. Die Menschen kommen und stellen so viele Fragen, und dann haben sie Erkenntnisse. Vieles wird gelehrt, aber nur ein Drittel durch das Wort, zwei Drittel über die Augen.

Frage: Sollte man sich vor einem Meister benehmen wie vor einem Kaiser?

Antwort: Seht ihn als euren älteren Bruder an, als euren Vater, euren Freund. Versteht einfach, was er sagt. Wenn ihr etwas Wesentliches erhaltet, was ihr selbst bezeugen könnt und von dem ihr wißt, daß es wahr ist, dann beginnt, fahrt fort mit dem, was er sagt. Das wichtigste Kriterium ist, ein Meister muß euch für den Anfang etwas geben können, ein kleines Startkapital. Dieses Kapital wird euch nur dadurch gegeben, daß ihr eine Zeitlang über das Körperbewußtsein erhoben werdet. Wer euch das geben kann, von dem könnt ihr mit Sicherheit sagen, er besitzt ‚einiges darüber hinaus‘. Wie groß mag er sein? Wenn ihr ihn erkennt, werdet ihr selbst zum Meister. Er kann nicht verstanden werden, und nur sehr wenige Menschen erkennen ihn wirklich. Die meisten kennen nur einen Teil, nämlich den Teil, den er zu erkennen gibt.

Frage: Führst du, während du heute abend hier mit uns sprichst gleichzeitig ähnliche Gespräche mit weiter fortgeschrittenen Initiierten auf anderen Ebenen?

Antwort: Der springende Punkt ist, daß sie nicht allein gelassen werden. Wer der Welt nicht verhaftet ist, wird auf die verschiedenen Ebenen gebracht, je nachdem, wie weit er entwickelt ist. Hat er jede Bindung gelöst, außer die an den Meister, wird er nicht mehr geboren, auch nicht als Mensch. Der Meister unterweist ihn auf der jeweiligen Ebene. Eines muß dabei jedoch beachtet werden: Es dauert dort viel länger, den gleichen Fortschritt zu erzielen, den ihr hier in vergleichsweise kürzerer Zeit erreichen könnt. Wozu ihr dort Jahre braucht, das erreicht ihr hier in Monaten. Warum dränge ich euch, eure Meditationen einzuhalten? Warum drängte mein Meister darauf? Ein Gelehrter ist auch nach dem Tod ein Gelehrter. Wenn ich dieses Gebäude verlasse, heißt das nicht, daß ich mich dadurch verändere. Was wir entwickelt haben, nehmen wir auf die jeweilige Ebene mit. Von da aus müssen wir weitergehen. Je mehr wir hier tun können, desto besser.

Frage: Aber es muß genau getan werden.

Antwort: Mit der geeigneten Führung und Hilfe und durch Empfänglichkeit.

Frage: Zählt ungenaues meditieren zu unseren Gunsten?

Antwort: Es ist vergleichsweise besser, ungenau zu meditieren, als überhaupt nicht. Aber es liegt an euch. Ihr werdet dann nicht denselben Fortschritt erzielen. Hafiz, ein großer persischer Heiliger, sagte: ”Setz dich in Meditation vor seine Tür. Überlege nicht, ob er dich hört oder nicht. Deine Pflicht ist, an seiner Tür zu sitzen, abgeschieden von der Welt, das ist alles, mehr gibt es nicht zu tun.” Meditieren wir völlig losgelöst von der Welt? Ist es so, dann haben wir Erfolg. Warum erheben wir uns nicht über das Körperbewußtsein? Weil wir verhaftet sind und mit so vielem beschäftigt sind.

Frage: Angenommen, wir wären zu vollkommener Konzentration fähig, wie lange dauert es dann gewöhnlich, bis unser Körper völlig empfindungslos wird?

Antwort: Wenn der Meister initiiert, bringt er euch ins Jenseits. Einige sehen die volle Sonne oder den Vollmond bereits am ersten Tag während der Initiation. Jeder Mensch hat seine eigene Entwicklung, entsprechend seinem Hintergrund. Es gibt Fälle, bei denen es nicht lange dauert. Sie gehen sehr schnell durch den großen Stern und manchmal sogar durch den Mond oder die Sonne.

Zu Lebzeiten meines Meisters besuchte ich einmal einen Mann in Rawalpindi. Er hatte mich gebeten, auf dem Weg ins Büro bei ihm vorbeizukommen. Ich betrat sein Haus und setzte mich zu ihm und zu seinen Brüdern. Sie fragten mich: “Wie lange dauert es, den Körper zu verlassen, sich zurückzuziehen?” Ich antwortete: ”Wollt ihr es wissen? Gut, ich werde es euch zeigen.” Ich schloß meine Augen. Sie dachten: ”Er ist tot.” Seht ihr? Es geschieht augenblicklich, wenn jemand daran gewöhnt ist. Es erfordert Übung. Anfänglich ist es schwierig. Bereits am ersten Tag erhaltet ihr etwas, unabhängig davon, wie viel oder wie wenig ihr tut. Das geschieht nur, indem ihr euch über das Körperbewußtsein erhebt oder dem Augenbrennpunkt nähert. Wir müssen das langsam entwickeln. Es ist eine exakte Wissenschaft, so wie zwei und zwei vier ergeben. Darüber besteht kein Zweifel. Die Menschen können es haben und selbst sehen. Das ist das einzige Kriterium für einen Meister, nicht seine Propaganda.

Frage: Warum ist es so viel schwieriger, auf den Ton zu hören, als das Licht zu sehen?

Antwort: Weil der Ton das Gemüt vernichtet. Ein Mensch würde sich eher in ein Kanonenrohr flüchten, als den Ton zu hören, denn den Ton zu hören, vernichtet das Gemüt für immer. Er wird sich dem Sehen widmen, gut, doch den Ton zu hören, ist schwierig. Er denkt: ”Ich sterbe.”

Frage: Willst du trotzdem, daß wir für das Sehen und das Hören auf den Ton gleichviel Zeit einsetzen?

Antwort: Das hängt davon ab, wie weit ihr vorankommen wollt. Entschuldigt, doch wenn ihr schneller vorankommen wollt, müßt ihr mehr Zeit einsetzen. Licht und Ton ergänzen sich. Wenn ihr die gleiche Zeit einsetzt, kommt ihr schneller voran. Aber meistens tun wir es nicht. Hört einfach auf den Ton, er zieht euch ins Jenseits und ihr werdet Licht sehen. Ihr müßt wissen, wohin ihr geht, der Ton wird euch dann gewaltig ziehen. Aber ihr wißt nicht, wohin ihr geht, deshalb muß beides entwickelt werden. Das Tonprinzip ist das führende Prinzip. Wer nur auf Licht meditiert, mag von Licht umflutet sein, aber er weiß nicht, wo es weitergeht. Der Ton führt uns. All die Sadhus kümmern sich wenig um den Ton. Sind sie aber von Licht umflutet, wissen sie nicht, was sie als nächstes tun sollen und wohin sie sich wenden sollen. Beide, Licht und Ton, gehen Hand in Hand.

Frage: Ich habe keine Fragen mehr Vielen Dank.

Antwort: Keinen Dank. Dank allein hat keinen Wert, wie ich neulich sagte. Bekommt ihr Tausende von Dollars, dann könnt ihr sagen: ”Ich danke dir.” ‘Dank‘ hat sich zu einer falschen Ausdrucksform entwickelt.

Frage: Sollten wir aufhören, dir zu danken?

Antwort: Das ist es, was ich sage. Wenn ich etwas von mir selbst gebe, ist Dank angebracht. Aber ich gebe nichts von mir selbst. Ich habe es selbst bekommen. Jemand hat mir sein Lagerhaus übergeben, damit ich mich darum kümmere. Das ist alles, was ich im Augenblick dazu sagen kann. Mein Meister hielt mich für einen ziemlichen Verschwender. So sagte er oft: ”Gut, mach weiter, nimm es und tu es.” Das ist alles. Es ist nicht mein selbstverdientes Geld, sondern stammt nur von ihm.

(Sehr langsam und ernst) Es wäre besser, wenn ihr mehr Zeit einsetzen würdet. Das Tonprinzip schenkt euch mehr Konzentration. Es ist der einzige Weg, das Gemüt zu kontrollieren, und es ist ein schnellerer Weg. Das Gemüt ist wie ein hundertköpfiger Drache, es hat hundert Wege, uns irrezuführen. Es kann nur durch diesen Ton bezwungen werden. Guru Ram Das sagt: “Wenn ihr mit Naam in Verbindung kommt, wird das Gemüt beherrscht.” Das ist so klar wie das Tageslicht. Es ist nicht so schwierig, wie die Menschen glauben. Ich sage noch einmal, es ist schwer, ein Mensch zu werden. Gott sucht hier, er sucht dort, er sucht überall nach dem idealen Menschen. Kabir sagt: ”Ich bin nun so gereinigt, daß Gott mich sucht und mich ruft, ‘Kabir, Kabir‘. Er folgt mir beständig.”

Ein Mann hat vier oder fünf Söhne. Einer von ihnen ist sehr pflichtbewußt und versteht durch den kleinsten Hinweis, was der Vater im Sinn hat. Er ist gehorsam, ohne daß man ihn um etwas bittet. Meint ihr nicht, der Vater wird ihn besonders mögen? Natürlich wird er jedem Sohn seinen Anteil geben, aber dem gehorsamsten Sohn wird er darüber hinaus alle Schlüssel übergeben, damit dieser auch für die anderen noch etwas tun kann. Die Schlüssel selbst wird er nicht jedem geben.

Deshalb seid regelmäßig. Regelmäßigkeit zahlt sich aus. Seid ihr initiiert, dann wohnt die Gotteskraft in euch. Sie wird euch nicht verlassen bis ans Ende der Welt, bis sie euch nach Sat Naam gebracht hat. Sat Naam selbst führt euch dann weiter, bis ihr im Namenlosen Einen aufgeht. Merkt euch gut, er ist in euch. Übertretet oder brecht nicht vorsätzlich seine Gebote. Wer seine Gebote hält, fürchtet sich nicht, weder in dieser Welt, noch in den drei anderen. Wenn Baba Jaimal Singh jemanden initiierte, sagte er stets: ”Jetzt wohne ich in dir, bedenke das. Tu nichts Unrechtes.” Das waren seine Worte. Kam der Initiierte wieder, fragte er: ”Was hast du getan? Wie weit hast du dich entwickelt?” Unser Meister fragte ebenfalls immer: ”Wie geht es dir?” Der eine oder andere antwortete dann vielleicht: ”Mein Sohn war krank, nun ist er gesund. Meine Frau war krank, aber jetzt geht es ihr wieder gut. Ich habe diesen und jenen Prozeß gewonnen. Mein Sohn hat die eine oder andere Prü-fung bestanden.” Doch dann fragte er: “Hast du meine Arbeit getan?” Versteht ihr? Sehr höflich. ”Hast du meine Arbeit getan?” Es ist seine Arbeit. Wie kommt das? Durch Rückwirkung aus der Vergangenheit. Der Meister hilft in all unseren Angelegenheiten und zwar immer zu unserem Besten. Er gewährt uns stets seinen Schutz, seinen physischen Schutz, ob der Initiierte es weiß oder nicht. Wir müssen uns ihm nur zuwenden. Um den Rest muß er sich dann kümmern.

Ein Mann hat drei oder vier Söhne. Einer sagt: ”Ich möchte das haben, Vater, gib es mir.” ”Gut.” Der andere sagt: ”Ich möchte ein Fahrrad.” ”Gut.” Der dritte sagt: ”Ich möchte ein Auto.” ”Gut.” Der Vierte ist zurückhaltend und bittet um nichts. Meint ihr, sein Vater wird ihn übersehen? Für ihn wird der Vater alles bereithalten und alles für ihn tun. Er wird ihm die Schlüssel für alles aushändigen. Aber ein solcher Mensch würde nie sagen: ”Das gehört mir.” Er sagt stattdessen: ”Es gehört meinem Vater.”

Es ist immer besser, aufgeschlossen zu sein und nichts zu haben, was am Herzen nagt. Habt keine Vorbehalte, keine Scham, auch nicht wegen der schlimmsten Frage. Keine Frage ist schlecht. Ist etwas unklar, dann herrscht Dunkelheit. Meint ihr, die Dunkelheit würde von sich aus kapitulieren und verschwinden - oder glaubt ihr, daß ihr sie besiegen könnt? Es ist nur etwas Licht nötig. Wenn ihr also Unklarheiten habt dann bringt sie vor, wie drastisch sie auch sein mögen. Es steht euch frei zu fragen. Ich zwinge euch doch nichts auf, noch führe ich mich wie ein Boß auf. Ich spreche mit dem gesunden Menschenverstand zu euch, damit ihr versteht.
Es ist ein großer Segen, einen lebenden Meister zu haben, denn dadurch wird vieles klar Alle Schriften werden verständlich, werden klar wie das Tageslicht. Auch wenn ihr die Sprache nicht versteht, werdet ihr alles innen sehen. Als mein Meister noch lebte, ereignete sich einmal folgendes: Ich wurde von ihm gebeten, Ansprachen und Satsangs zu halten. Manche kamen mit einer sehr kritischen Haltung zum Satsang. Sie dachten vielleicht, ich würde die Ansprache vorher auswendig lernen und würde deshalb so fließend sprechen. Eines Tages jedenfalls, als der Satsang vorbei war, sagte ein Sanskrit-Gelehrter: “Ich bitte Sie, diese Hymne zu erklären.” Er zitierte in Sanskrit. Ich verstand nichts, abgesehen von ein oder zwei Worten. Es war eine Beschreibung von Daswan Dwar. Er sagte: ”Interpretieren Sie mir das bitte.” Ich sagte ihm: ”Ich kann kein Sanskrit, doch ich kann Ihnen etwas über den Ort sagen, der beschrieben wird: Dort gibt es einen lichtspendenden Baum mit vielen Lichtern darin.” Er sagte: ”Nein, nein, das ist damit nicht gemeint.” Ich antwortete ihm: ”Ich weiß nicht, was in Ihrem Sanskrit-Wörterbuch steht oder nicht, aber an dem Ort, auf den sich das bezieht, kann nichts anderes sein.” Da sagte ein anderer Sanskrit-Gelehrter, der ebenfalls dabei war: ”Doch, es bedeutet dies auch.” Ihr müßt also die Dinge selbst sehen, andernfalls bleiben die Schriften Bücher mit sieben Siegeln, die der Nachwelt nur weitergegeben werden, ohne daß man sie versteht. Die Verfasser von einst sahen etwas und sagten etwas aus, und wer heute sieht, sagt genau dasselbe.

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