Taoismus

 

Wenn wir uns China zuwenden, stellen wir fest, daß das Beste des buddhistischen Gedankengutes in die religiösen Traditionen der Chinesen übergegangen ist. Wir wollen vor allem die Botschaft hervorheben, die Laotse, der Vater des chinesischen Mystizismus (Hsuanchiao) oder Taoismus, von sich aus lehrte. Das Wort  >>Tao<< bedeutet  >>Weg<< oder  >>Pfad<< und zeigt das verborgene >>Prinzip des Universums<< an.

 

Laotse spricht vom Tao als  >>Absolutes Tao<<, das der  >>Geist<< und die >>Quintessenz<< (die spirituelle Wahrheit) ist und, völlig getrennt von seinen Offenbarungen, ihnen dennoch innewohnt. Genau wie die indischen Mystiker zwischen dem  >>Aum<<, das man singt, und dem  >>Aumaa, welches das unterschieden hatten, so erklärt uns auch Laotse:

 

Das Tao, das man beschreiben kann,

ist nicht das Absolute Tao.

Die Namen, die man nennen kann,

sind nicht die absoluten Namen.

 

Von der Natur des Tao ist gesagt:

 

Das Tao durchdringt alles,

doch geht es durch sein Wirken

nicht etwa im Bestehenden auf.

Es ist unergründlich wie der Urquell aller Dinge.

 

Ferner heißt es:

 

Das große Tao fließt überall;

(gleich einer Flut) kann es zur Rechten

und zur Linken sein.

Die Myriaden Dinge nehmen ihr Dasein von ihm,

und es verweigert sich ihnen nicht.

 

Und:

 

Das Tao ist ewig ohne Tun

und dennoch wird alles durch es vollbracht.

 

Im zweiten Buch, das sich mit der Nutzanwendung des Tao befaßt, wird das Prinzip der Rückkehr

behandelt:

 

Rückkehr ist die Bewegung des Tao.

Sanftheit ist das Wirken des Tao.

Alle Dinge dieser Welt entstammen dem Sein,

und das Sein entsteht aus dem Nichtsein.

 

Das Tao ist die Quelle allen Wissens:

 

Ohne aus der Tür zu gehen,

weiß man um das Geschehen in der Welt.

Ohne aus dem Fenster zu blicken,

kann man das Tao des Himmels erschauen.

Je mehr Wissen einer besitzt,

um so weniger wird sein Erkennen.

Also auch der Berufene:

Er wandert nicht und kommt doch ans Ziel.

Er sieht sich nicht um und vermag doch zu benennen.

Er handelt nicht und bringt doch zur Vollendung.

 

Die große Harmonie des Tao, das unerklärbare Geheimnis des Universums, offenbart sich:

 

Wenn die mystische Tugend klar wird

und in die Ferne reicht,

und die Dinge kehren (zu ihrer Quelle) zurück,

dann und nur dann

wird der große Einklang erkennbar.

 

Von seinen eigenen Lehren (wie von denen der großen Weisen) hat er gesagt:

 

Meine Worte sind sehr leicht zu verstehen

und sehr leicht auszuführen,

und doch ist niemand auf Erden imstande,

sie zu verstehen und auszuführen.

Diese Worte haben einen Vater.

Diese Taten haben einen Herrn.

Weil sie nicht verstanden werden,

darum werde ich nicht verstanden.

Daß ich von wenigen nur verstanden werde,

ist ein Zeichen meines Wertes.

Also auch der Berufene:

Er trägt sein Juwel in härenem Gewand.

 

Schließlich spricht er vom Weg zum Himmel:

 

Wahre Worte sind nicht schön,

schöne Worte sind nicht wahr.

Tüchtigkeit überredet nicht,

Überredung ist nicht tüchtig.

Der Weise ist nicht gelehrt,

der Gelehrte ist nicht weise.

Der Berufene häuft keinen Besitz an.

Je mehr er für andere tut,

desto mehr besitzt er.

Je mehr er anderen gibt,

desto mehr hat er.

Das Tao des Himmels segnet,

aber schadet nicht.

Der Weg des Weisen vollendet,

aber streitet nicht.

 

Aus obigem ist klar zu ersehen, daß Tao der Weg ist; der Weg zur Wirklichkeit, der unaussprechliche und transzendente, der Urgrund allen Seins, der Schoß, aus dem alles Leben hervorgeht. Es kommt nur durch das Üben der Stille oder die Befreiung des Gemüts vom Gemütsstoff, was aber nur wenige, sich daran erfreuend, praktizieren und auf andere übertragen können. Das Hineinkommen ins Innere liegt in der Umkehrung und Läuterung des Geistes, wobei man das  >Ich<< außer acht läßt.  >>Warte im Schweigen, und das Strahlen des Geistes wird kommen und in dir Wohnung nehmen<<. Durch die Methode wachsamen Beobachtens und Wartens wird das Gemüt leer und still; und einem solchen Gemüt enthüllt die Natur ihr Geheimnis. >We Wie oder die  >>Schöpferische Stille<<, die zugleich >>höchste Aktivität<< und >>äußerste Entspannung<< in sich schließt und bedeutet, ist zur Verwirklichung des Tao unabdingbar. Es ist  >>das leben, das jenseits der Anspannung gelebt wird<<, das wie ein magischer Zauber wirkt. Das Tao wirkt, ohne zu wirken, und kann niemals gelernt werden, und so  >>zieht der kluge Mensch das Innere dem Äußeren vor<<. Der Weg zu Tao ist immer im Einklang mit der Natur, und man kommt durch das Anstreben der Einfachheit dahin. Es ist eine Lebensweise, die buchstäblich gelebt werden muß, die den allumfassenden ununterbrochenen Ablauf des Tao mit sich bringt.

Aber heutzutage hat der Taoismus ohne Laotse seine ursprüngliche tiefe Bedeutung verloren und einen untergeordneten Sinn erhalten, der lediglich den Weg des Universums oder den Weg, mit dem der Mensch sein Leben in Einklang bringen soll, anzeigt; und es ist schwer zu ersehen, wie weit einer aus sich selbst das Tao erreichen kann, ohne eine Meisterseele, die ihn auf den Pfad stellt.

 

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