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Wie wir unser Bhakti üben sollen

 

Es gibt neun Mittel und Wege, um unser Bhakti oder die Hingabe an Gott zu stärken. Die Hingabe entwickelt sich vor allem durch die Augen und wird dadurch gestärkt. Wenn ihr also Gott in euch seht, der das Licht und Tonprinzip ist, oder wenn ihr den physischen Körper seht, der jenes Licht und den Ton ausstrahlt, dann seht ihr ihn. Die Augen sind die Fenster der Seele, und durch sie nehmen wir Eindrücke von außen auf. Etwa achtzig Prozent alles äußeren Eindrücken nehmen wir durch die Augen auf. Die Augen sind also die wirksamste Hilfe bei der Entwicklung und Stärkung unserer inneren Hingabe zu ihm, den wir lieben. Wenn ihr den Gott im Menschen anschaut, nehmt ihr Eindrücke auf. Diese Eindrücke ruhen dann in eurem Herzen; und wenn ihr die Augen schließt, seht ihr das Licht, das von ihm ausstrahlt. Ihr braucht ihn nur anzuschauen, intensiv, genau und durchdringend – vergeßt alles dabei, nehmt die Eindrücke auf, schließt die Augen und laßt sie in eurem Herzen ruhen. Mit der Zeit werdet ihr dadurch Hingabe in euch entwickeln, die von Tag zu Tag stärker wird – so sehr, daß ihr fühlt, wie er in euch ist und ihr in ihm seid. Das ist wahre Hingabe, wahres Bhakti – und man kann es durch die Augen entwickeln.

Gott strahlt durch die Augen des Gottmenschen. Durch eure Augen werdet ihr in seine Augen sehen. Durch seine Augen fließen euch erhebende Blicke der höchsten Göttlichkeit zu. Ihr solltet diese Eindrücke aufnehmen, eure Augen schließen und euch in sie vertiefen. Das ist der beste Weg, die Hingabe in euch zu stärken.

Von den neun Wegen wird einer als Bräutigam und Braut beschrieben. Christus hat gesagt: „Gott ist unser Bräutigam, unser ewiger Bräutigam.“ Ein welcher Bräutigam ist höchstens hundert Jahre bei uns. Der Bräutigam der Seele ist Gott selbst; und alle Seelen sind seine jungfäulichen Bräute. Wenn ihr also wollt, daß er euer Leben durchdringt, dann nehmt die Erfahrung durch die Augen des Gott- im- Menschen in euch auf. Das ist die wirksamste Hilfe bei der Entwicklung von Liebe oder Hingabe. Jesus, die heilige Katharina und andere haben gesagt: „Ich bin Christus anverlobt.“ Die heilige Katharina trug einen Ring am Finger zum Zeichen, daß sie mit Christus verlobt sei. Diese äußerlichen Beispiele werden nur angeführt, um die Wahrheit zu verdeutlichen. Wenn zwei sich auf diese Weise vereinigen, vergessen sie ihren Körper und alles andere. Sie gehen glücklich ineinander auf – Seele in Seele – und vergessen die Welt. Ähnlich ist es, wenn eure Seele Eindrücke aufnimmt und diese in eurem Herzen ruhen – dann fühlt ihr tagtäglich, daß „Er in mir ist und ich in ihm bin.“ Das wird mit der Zeit geschehen – dazu sind Geduld und Ausdauer notwendig.

Kabir gab ein Beispiel: „Legt euch zwischen den Augen zur Ruhe nieder und schaut ihn an – nehmt die Ausstrahlung auf, die er euch gibt, und schließt die Augen. Ihr werdet da sein und auch er wird in euch sein. Schaut niemand sonst an und laßt auch ihn auf keinen anderen schauen.“ Dies ist ein deutliches Bild. So werdet ihr dem Herrn Freude machen und er wird mit euch zufrieden sein. Wenn ihr seine Eindrücke in euch aufnehmt, wird euer Herz natürlich vor Hingabe und Liebe überfließen.

Was wir er euch geben? Daß ihr immer an ihn denkt. Wenn ihr andere trefft, sprecht ihr über den Herrn oder den Bräutigam, genau wie im weltlichen Leben die jungverheirateten Frauen zusammensitzen und über ihre Ehemänner sprechen. Das gleiche geschieht jenen, die auf dem Weg zurück zu Gott sind. Wenn sich zwei von ihnen treffen, sprechen sie von Gott oder dem Gott im Menschen. Diese Hingabe wird noch weiter anwachsen, sie wird immer stärker, so sehr, daß ihr durch Ausstrahlung von göttlicher Liebe überfließt. Das ist ein Weg, wie wir die Hingabe entwickeln können. Über die anderen Wege haben wir vorhin gesprochen.

Das heutige Thema ist also: „Wie können wir Hingabe zu Gott entwickeln?“ In den alten Tagen, zur Zeit der Rishis und zur Zeit von Soami Shiv Dayal Singh schauten die Leute immer in die Augen des Meisters. Sie saßen da und schauten ein paar Minuten lang in seine Augen und nahmen seine Blicke auf. Das ist der beste Weg, um die Ausstrahlung des Meisters aufzunehmen. Immer, wenn ich zu meinem Meister ging, sagte er zu mir: „Komm, setz‘ dich zu mir und sag‘ etwas.“ Ich sprach dann mit ihm und die Zuhörer hatten ihre Freude daran. Damit will ich sagen, daß die Meister ihren Schülern früher erlaubten, von ihnen zu sitzen und in ihre Augen zu schauen. Die Augen sind die Fenster der Seele. Gott in ihm schaut euch an. Wenn ihr empfänglich seid, nehmt ihr alle diese Eindrücke auf. Ich glaube, das ist die größte Hilfe. Dann kam die Zeit, wo einer der Schüler die Füße von Soami Ji zu berühren versuchte, aber es wurde ihm nicht erlaubt. Soami Ji sagte: „Warum tust du das? Schau mich an!“ Einer der dabeisitzenden Schüler rief aus: „O Meister, warum erlaubt Ihr uns das nicht?“

Das ist also eine der neun Formen der Hingabe oder des Bhakti und ich würde sagen, die wirksamste. Wenn euer Herz von Hingabe erfüllt ist, dann sprecht ihr natürlich aus dieser Fülle des Herzens heraus. Ihr werdet immer das Lob Gottes oder des Gott- im- Menschen besingen. Wenn zwei solche Schüler beisammen sind, werden sie immer vom Meister sprechen. Wenn immer mehrere zusammensitzen, wird die Hingabe zum Gottmenschen stärker. Versteht ihr jetzt, wie man Hingabe entwickelt? Diese dinge erfährt man nicht in normalen Gesprächen. Das sind praktische Hinweise, die ihr jeden Tag am Morgen erhaltet. Wenn euer Herz von Hingabe erfüllt ist, sprecht ihr natürlich aus dieser Fülle heraus. Wenn sich zwei Schüler begegnen, denken sie an ihn und nicht an den, mit dem sie sprechen. Wie zwei jungverheiratete Frauen über ihr Ehemänner sprechen, so sprechen zwei Schüler, die Gott oder  den Meister lieben, stets von Gott oder dem Meister. Dann erstrahlt seine Liebe natürlich zwischen ihnen. Wenn ihr von eurem Bräutigam sprecht, wie nahe fühlt ihr euch dann innerlich. Wenn jene, die auf dem weg sind, von Gott sprechen, fühlen sie, wie ihre Liebe zunimmt. Diese Verbindung kann nicht zerbrechen, nicht einmal nach dem Tode. Gott vereint uns in einer Verbindung, die selbst nach Verlassen des Körpers weiterbesteht. Unser Meister sagte immer: „Wenn mehrere Leute über einen Fluß setzen, wird ein Teil des andere Ufer früher erreichen, aber schließlich  treffen sich alle wieder.“ Ähnlich sind alle, die auf den Weg zu Gott gestellt wurden, dazu bestimmt, zu Ihm zurückzukehren. Aber wer kehrt nun zurück? Wer auf diese Weise sein Bhakti entwickelt. Das alles läßt uns sehen, wo wir stehen.

Gotterkenntnis ist also das höchste Ziel des menschlichen Lebens. Aber dazu müßt ihr euch erst selbst erkennen. Ihr müßt euch von allen zurückziehen, ihr müßt euch von allen äußeren lösen. Ich würde sagen, dies ist der wirksamste Weg. Das ist das Brot des Lebens, von dem Christus gesagt hat: „Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel kommt. Wer von diesem Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit.“ Damit ist nicht das normale Brot des Lebens gemeint. Dieses Brot des Lebens bekommt ihr, wenn ihr durch die Fenster eurer Seele in die Fenster schaut, durch die der Meister oder Gott im Menschen seine Liebe ausstrahlt. Das ist der wirksamste Weg, um wirklich das Brot des Lebens zu erlangen, soweit es Worte erklären können. Wenn ihr es dann habt, seid ihr glücklich. Jene, die auf dem Weg sind, sprechen nur über den Meister. Ihr werdet immer sein Lob, das Lob des Gottes in ihm besingen. Das ist also ein Weg, durch den sich unsere Hingabe entwickeln und auch stärker wird. Aber dafür ist Zeit notwendig, Geduld und Ausdauer. Es geschieht nicht an einem Tag. Wenn es geschieht, vergeßt ihr, wer ihr seid. Ihr sagt dann: „Ich bin es, doch nun nicht mehr ich, sondern Er lebt in mit.“ Das höchste Kennzeichen dafür ist: „Wenn ihr dem Meister und dem einen Schüler, der ganz in Einklang mit ihm ist, die gleiche Frage stellt, wird euch der Meister genau das sagen, was ihr vom Schüler hört, genau die gleichen Worte.“

Wenn der Meister über einen solchen Schüler spricht, der Hunderte von Kilometern entfernt sein mag, wird dieser die Ausstrahlung, die vom Meister ausgeht, spüren, wo immer er ist. Indem ich ihn nur anschaute, habe ich alles von meinem Meister gelernt. Ich habe ihm in meinem ganzen Leben nur zwei oder drei Fragen gestellt, mehr nicht. So gelangt der Meister in uns hinein: und da in ihm Gott ist, gelangt auch er in euch. Das ist ganz einfach, dazu bedarf es keiner Philosophie. Durch Ausstrahlung lernt ihr mehr, tausendmal mehr, als ihr es durch eure Übungen vermögt. Die Übungen tragen nur Frucht, wenn ihr empfänglich seid. Wenn ihr eine Zeitlang meditiert, euch zurückzieht und nach innen geht, werden keine fremden Gedanken dazwischenkommen oder stören.

Das ist also der wirksamste der neun Wege, Bhakti zu entwickeln. Was immer in euch ist, davon werdet ihr sprechen. Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über. Wenn immer sich zwei treffen, die den gleichen Weg gehen, fließen sie über von Liebe zu Gott, nicht von Liebe zueinander. Der Gott im Menschen vereint uns in einer solchen Verbindung, die nie getrennt werden kann – auch nicht nach dem Verlassen des Körpers. Ihr seid alle auf dem gleichen Weg. Ihr müßt prüfen, wie weit ihr euch entwickelt habt. Das ist keine Frage von hoch oder niedrig, reich oder arm. Wer sich bemüht, erlangt es.

 

 

 


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