19 Wie wir unser
Bhakti üben sollen
Es gibt neun Mittel und Wege, um unser Bhakti oder
die Hingabe an Gott zu stärken. Die Hingabe entwickelt sich vor allem durch die
Augen und wird dadurch gestärkt. Wenn ihr also Gott in euch seht, der das Licht
und Tonprinzip ist, oder wenn ihr den physischen Körper seht, der jenes Licht
und den Ton ausstrahlt, dann seht ihr ihn. Die Augen sind die Fenster der
Seele, und durch sie nehmen wir Eindrücke von außen auf. Etwa achtzig Prozent
alles äußeren Eindrücken nehmen wir durch die Augen auf. Die Augen sind also
die wirksamste Hilfe bei der Entwicklung und Stärkung unserer inneren Hingabe
zu ihm, den wir lieben. Wenn ihr den Gott im Menschen anschaut, nehmt ihr
Eindrücke auf. Diese Eindrücke ruhen dann in eurem Herzen; und wenn ihr die
Augen schließt, seht ihr das Licht, das von ihm ausstrahlt. Ihr braucht ihn nur
anzuschauen, intensiv, genau und durchdringend – vergeßt alles dabei, nehmt die
Eindrücke auf, schließt die Augen und laßt sie in eurem Herzen ruhen. Mit der Zeit
werdet ihr dadurch Hingabe in euch entwickeln, die von Tag zu Tag stärker wird
– so sehr, daß ihr fühlt, wie er in euch ist und ihr in ihm seid. Das ist wahre
Hingabe, wahres Bhakti – und man kann es durch die Augen entwickeln. Gott strahlt durch die Augen des Gottmenschen. Durch
eure Augen werdet ihr in seine Augen sehen. Durch seine Augen fließen euch
erhebende Blicke der höchsten Göttlichkeit zu. Ihr solltet diese Eindrücke
aufnehmen, eure Augen schließen und euch in sie vertiefen. Das ist der beste Weg,
die Hingabe in euch zu stärken. Von den neun Wegen wird einer als Bräutigam und
Braut beschrieben. Christus hat gesagt: „Gott ist unser Bräutigam, unser ewiger
Bräutigam.“ Ein welcher Bräutigam ist höchstens hundert Jahre bei uns. Der
Bräutigam der Seele ist Gott selbst; und alle Seelen sind seine jungfäulichen
Bräute. Wenn ihr also wollt, daß er euer Leben durchdringt, dann nehmt die
Erfahrung durch die Augen des Gott- im- Menschen in euch auf. Das ist die
wirksamste Hilfe bei der Entwicklung von Liebe oder Hingabe. Jesus, die heilige
Katharina und andere haben gesagt: „Ich bin Christus anverlobt.“ Die heilige
Katharina trug einen Ring am Finger zum Zeichen, daß sie mit Christus verlobt
sei. Diese äußerlichen Beispiele werden nur angeführt, um die Wahrheit zu
verdeutlichen. Wenn zwei sich auf diese Weise vereinigen, vergessen sie ihren
Körper und alles andere. Sie gehen glücklich ineinander auf – Seele in Seele –
und vergessen die Welt. Ähnlich ist es, wenn eure Seele Eindrücke aufnimmt und
diese in eurem Herzen ruhen – dann fühlt ihr tagtäglich, daß „Er in mir ist und
ich in ihm bin.“ Das wird mit der Zeit geschehen – dazu sind Geduld und
Ausdauer notwendig. Kabir gab ein Beispiel: „Legt euch zwischen den
Augen zur Ruhe nieder und schaut ihn an – nehmt die Ausstrahlung auf, die er
euch gibt, und schließt die Augen. Ihr werdet da sein und auch er wird in euch
sein. Schaut niemand sonst an und laßt auch ihn auf keinen anderen schauen.“
Dies ist ein deutliches Bild. So werdet ihr dem Herrn Freude machen und er wird
mit euch zufrieden sein. Wenn ihr seine Eindrücke in euch aufnehmt, wird euer
Herz natürlich vor Hingabe und Liebe überfließen. Was wir er euch geben? Daß ihr immer an ihn denkt.
Wenn ihr andere trefft, sprecht ihr über den Herrn oder den Bräutigam, genau
wie im weltlichen Leben die jungverheirateten Frauen zusammensitzen und über
ihre Ehemänner sprechen. Das gleiche geschieht jenen, die auf dem Weg zurück zu
Gott sind. Wenn sich zwei von ihnen treffen, sprechen sie von Gott oder dem
Gott im Menschen. Diese Hingabe wird noch weiter anwachsen, sie wird immer
stärker, so sehr, daß ihr durch Ausstrahlung von göttlicher Liebe überfließt.
Das ist ein Weg, wie wir die Hingabe entwickeln können. Über die anderen Wege
haben wir vorhin gesprochen. Das heutige Thema ist also: „Wie können wir Hingabe
zu Gott entwickeln?“ In den alten Tagen, zur Zeit der Rishis und zur Zeit von
Soami Shiv Dayal Singh schauten die Leute immer in die Augen des Meisters. Sie
saßen da und schauten ein paar Minuten lang in seine Augen und nahmen seine
Blicke auf. Das ist der beste Weg, um die Ausstrahlung des Meisters
aufzunehmen. Immer, wenn ich zu meinem Meister ging, sagte er zu mir: „Komm,
setz‘ dich zu mir und sag‘ etwas.“ Ich sprach dann mit ihm und die Zuhörer
hatten ihre Freude daran. Damit will ich sagen, daß die Meister ihren Schülern
früher erlaubten, von ihnen zu sitzen und in ihre Augen zu schauen. Die Augen
sind die Fenster der Seele. Gott in ihm schaut euch an. Wenn ihr empfänglich
seid, nehmt ihr alle diese Eindrücke auf. Ich glaube, das ist die größte Hilfe.
Dann kam die Zeit, wo einer der Schüler die Füße von Soami Ji zu berühren
versuchte, aber es wurde ihm nicht erlaubt. Soami Ji sagte: „Warum tust du das?
Schau mich an!“ Einer der dabeisitzenden Schüler rief aus: „O Meister, warum
erlaubt Ihr uns das nicht?“ Das ist also eine der neun Formen der Hingabe oder
des Bhakti und ich würde sagen, die wirksamste. Wenn euer Herz von Hingabe
erfüllt ist, dann sprecht ihr natürlich aus dieser Fülle des Herzens heraus.
Ihr werdet immer das Lob Gottes oder des Gott- im- Menschen besingen. Wenn zwei
solche Schüler beisammen sind, werden sie immer vom Meister sprechen. Wenn
immer mehrere zusammensitzen, wird die Hingabe zum Gottmenschen stärker.
Versteht ihr jetzt, wie man Hingabe entwickelt? Diese dinge erfährt man nicht
in normalen Gesprächen. Das sind praktische Hinweise, die ihr jeden Tag am
Morgen erhaltet. Wenn euer Herz von Hingabe erfüllt ist, sprecht ihr natürlich
aus dieser Fülle heraus. Wenn sich zwei Schüler begegnen, denken sie an ihn und
nicht an den, mit dem sie sprechen. Wie zwei jungverheiratete Frauen über ihr
Ehemänner sprechen, so sprechen zwei Schüler, die Gott oder den Meister lieben, stets von Gott oder dem
Meister. Dann erstrahlt seine Liebe natürlich zwischen ihnen. Wenn ihr von
eurem Bräutigam sprecht, wie nahe fühlt ihr euch dann innerlich. Wenn jene, die
auf dem weg sind, von Gott sprechen, fühlen sie, wie ihre Liebe zunimmt. Diese
Verbindung kann nicht zerbrechen, nicht einmal nach dem Tode. Gott vereint uns
in einer Verbindung, die selbst nach Verlassen des Körpers weiterbesteht. Unser
Meister sagte immer: „Wenn mehrere Leute über einen Fluß setzen, wird ein Teil
des andere Ufer früher erreichen, aber schließlich treffen sich alle wieder.“ Ähnlich sind alle, die auf den Weg zu
Gott gestellt wurden, dazu bestimmt, zu Ihm zurückzukehren. Aber wer kehrt nun
zurück? Wer auf diese Weise sein Bhakti entwickelt. Das alles läßt uns sehen,
wo wir stehen. Gotterkenntnis ist also das höchste Ziel des
menschlichen Lebens. Aber dazu müßt ihr euch erst selbst erkennen. Ihr müßt
euch von allen zurückziehen, ihr müßt euch von allen äußeren lösen. Ich würde
sagen, dies ist der wirksamste Weg. Das ist das Brot des Lebens, von dem
Christus gesagt hat: „Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel kommt. Wer
von diesem Brot ißt, der wird leben in Ewigkeit.“ Damit ist nicht das normale
Brot des Lebens gemeint. Dieses Brot des Lebens bekommt ihr, wenn ihr durch die
Fenster eurer Seele in die Fenster schaut, durch die der Meister oder Gott im
Menschen seine Liebe ausstrahlt. Das ist der wirksamste Weg, um wirklich das
Brot des Lebens zu erlangen, soweit es Worte erklären können. Wenn ihr es dann
habt, seid ihr glücklich. Jene, die auf dem Weg sind, sprechen nur über den
Meister. Ihr werdet immer sein Lob, das Lob des Gottes in ihm besingen. Das ist
also ein Weg, durch den sich unsere Hingabe entwickeln und auch stärker wird.
Aber dafür ist Zeit notwendig, Geduld und Ausdauer. Es geschieht nicht an einem
Tag. Wenn es geschieht, vergeßt ihr, wer ihr seid. Ihr sagt dann: „Ich bin es,
doch nun nicht mehr ich, sondern Er lebt in mit.“ Das höchste Kennzeichen dafür
ist: „Wenn ihr dem Meister und dem einen Schüler, der ganz in Einklang mit ihm
ist, die gleiche Frage stellt, wird euch der Meister genau das sagen, was ihr
vom Schüler hört, genau die gleichen Worte.“ Wenn der Meister über einen solchen Schüler spricht,
der Hunderte von Kilometern entfernt sein mag, wird dieser die Ausstrahlung,
die vom Meister ausgeht, spüren, wo immer er ist. Indem ich ihn nur anschaute,
habe ich alles von meinem Meister gelernt. Ich habe ihm in meinem ganzen Leben
nur zwei oder drei Fragen gestellt, mehr nicht. So gelangt der Meister in uns
hinein: und da in ihm Gott ist, gelangt auch er in euch. Das ist ganz einfach,
dazu bedarf es keiner Philosophie. Durch Ausstrahlung lernt ihr mehr,
tausendmal mehr, als ihr es durch eure Übungen vermögt. Die Übungen tragen nur
Frucht, wenn ihr empfänglich seid. Wenn ihr eine Zeitlang meditiert, euch
zurückzieht und nach innen geht, werden keine fremden Gedanken dazwischenkommen
oder stören. Das ist also der wirksamste der neun Wege, Bhakti zu
entwickeln. Was immer in euch ist, davon werdet ihr sprechen. Wem das Herz voll
ist, dem geht der Mund über. Wenn immer sich zwei treffen, die den gleichen Weg
gehen, fließen sie über von Liebe zu Gott, nicht von Liebe zueinander. Der Gott
im Menschen vereint uns in einer solchen Verbindung, die nie getrennt werden
kann – auch nicht nach dem Verlassen des Körpers. Ihr seid alle auf dem gleichen
Weg. Ihr müßt prüfen, wie weit ihr euch entwickelt habt. Das ist keine Frage
von hoch oder niedrig, reich oder arm. Wer sich bemüht, erlangt es. |