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Wie man Hingabe entwickelt und wie wichtig es ist, das Tagebuch zu führen

 

Ich sprach gerade über Hingabe – wie sie entwickelt wird und was sie bedeutet. Sie ist Sache des Herzens, nicht des Verstandes. Das Herz hängt immer an etwas. Ihr könnt es Herz, Gemüt oder wie ihr wollt nennen. Jetzt hängen wir an der Welt, an unseren Familien, an den äußeren Dingen. Dieses Verhaftetsein hat sich durch ständige Berührung entwickelt. Je mehr wir mit äußeren Dingen in Berührung kommen, desto mehr hängen wir an ihnen. Als Beispiel: eine Mutter zieht ihr Kind auf. Wenn das Kind drei, vier oder fünf Stunden wegbleibt und nicht heimkommt, wird die Mutter unruhig. Warum? Ihr Herz hängt an dem Kind, weil sie in ständiger Verbindung mit ihm war. Jetzt hängt unser Herz am physischen Körper und den äußeren Bindungen. Bhakti ist zuallererst eine Sache des Herzens, nicht des Verstandes. Wir müssen Bindung an Gott entwickeln. Jetzt hängen wir noch an der Welt. Alle äußeren Dinge aber sind vergänglich, unterliegen stetigem Wandel. Das Herz, das daran hängt – wie kann es davon frei sein? Es wird sich ebenso ständig wandeln. Deshalb müssen wir zuerst eine Bindung entwickeln. Wir brauchen uns nur von der äußeren Welt abwenden und Gott in uns zuwenden. Das fängt damit an, daß ihr euch ständig mit dem verbindet, zu dem ihr eine Bindung entwickeln wollt. Die Religionen sind der erste Schritt auf diesem Weg. Ihr könnt in die Kirche gehen und morgens, abends und nachts ein Gebet sprechen. Die Sikhs gehen in Sikh- Tempel, die Mohammedaner in Moscheen und die Hindus in die Hindu- Tempel. Eine natürliche Bindung wird sich in dieser Richtung entwickeln, je öfter wir dorthin gehen. Manchmal aber entziehen wir uns all solchen äußeren Übungen und deshalb wurde das Tagebuch eingeführt.

Ihr solltet alles um des einen willen tun, dem ihr völlig ergeben seid. Euer Herz hängt an ihm und um seinetwillen liebt ihr alle, die ihm verbunden sind, die von ihm geschaffen wurden. Auf diese Weise seid ihr nicht gebunden. Wenn euch die Liebe für den Einen ganz beherrscht, dann liebt ihr alle seinetwillen. Versteht ihr nun, wie man Hingabe entwickelt – wie man sie von dem einen abwendet und mit dem anderen verbindet? Der erste Schritt ist, mit Gott oder dem menschlichen Körper, in dem er sich offenbart, in ständige Verbindung zu gelangen. So entwickelt sich eine Bindung. Hat sie sich entwickelt, so werdet ihr hilflos, weil euer Herz an etwas gebunden ist. Wenn ihr eine Richtung geht und euer Herz ist woanders gebunden, werdet ihr euch immer dorthin gezogen fühlen, wo es gebunden ist. Hier fängt die Hingabe oder Bhakti an.

Die Tagebücher zeigen, wieviel Zeit ihr einsetzt und wo euer Herz noch in der einen oder anderen Form an äußeren Dingen hängt. Hingabe fordert, daß kein anderer Gedanke als der an den Einen, den ihr liebt, euer Herz bewegt. Wenn kein Gedanke an einen anderen in eurem Herzen ist und es frei ist von äußeren Bindungen, dann ist Gott darin. Hingabe beginnt, wenn ihr euer Herz von den äußeren Dingen losgelöst und an Gott oder den Gott im Menschen bindet. Das entwickelt sich durch ständigen Kontakt mit ihm. Es fängt damit an, daß ihr euch euren spirituellen Übungen regelmäßig hingebt.

Warum geht ihr zur Kirche oder an andere heilige Orte? Um eine Weile an Gott zu denken, nicht wahr? Was nützt es aber, an einen heiligen Ort oder in einen Tempel zu gehen, wenn euer Herz an äußeren dingen hängt! Es gibt da eine Geschichte von zwei Freunden – der eine wollte Fußball spielen, der andere wollte in die Kirche gehen. Beide waren halsstarrig, jeder auf seine Weise. Der eine, der Fußball spielen wollte, ging auf den Sportplatz. Und der andere ging in die Kirche, um zu beten. Was aber taten sie in Wirklichkeit – der eine beim Fußball und der andere beim Gebet in der Kirche? Der Fußballspieler dachte: „Mein Freund ist in der Kirche und betet jetzt gewiß.“ Der andere in der Kirche dachte: „Mein Freund vergnügt sich jetzt wohl beim Fußballspielen.“

All eure körperliche und äußere Arbeit sollte also nur Gott zuliebe geschehen. Euer Herz sollte nur an den Einen gebunden sein. Zuweilen besuchen die Leute einen heiligen Ort oder einen heiligen Mann, sind aber in Gedanken woanders. Was hat das für einen Sinn? Es ist besser, auf dem Fußballplatz zu sein und an die Kirche zu denken, als in der Kirche an den Fußballplatz. Diese Art von Bindung ist Sache des Herzens. Aus ihr entwickelt sich mit der Zeit Hingabe. Dieser erste Schritt ist notwendig. Aber was tun wir gewöhnlich? Wir nehmen uns einer Sache an und lassen andere fallen. Wenn wir die eine fallen lassen und der anderen nicht unsere volle Aufmerksamkeit schenken, verlieren wir natürlich beide. Wie entwickelt sich Hingabe? Das erste ist, mit dem in Verbindung zu sein, was wir gaben wollen, wofür wir uns entschieden haben.

Leider lassen wir uns treiben. Wir haben uns noch nicht für ein Ziel entschieden oder für das, was wir eigentlich tun wollen. Deshalb dränge ich immer: „Entscheidet euch, was ihr werden wollt.“ Manchmal geben wir uns einer Sache zehn tage, einen Monat oder zwei Monate hin, und dann werden wir uns einfach etwas anderem zu. So verbringen wir unsere Zeit mit Brunnengraben: ein paar davon machen wir zwei Fuß, andere drei oder fünf Fuß tief, aber nie stoßen wir auf Wasser. Entscheidet euch deshalb zuerst, was ihr werden wollt – wem ihr euch völlig ergeben wollt.

Wenn ihr die heiligen Schriften gelesen habt, dann erkennt ihr, daß alle Meister sagen: wenn man einen menschlichen Körper erhalten hat, ist die Verbindung mit Gott das höchste Ziel. Ihr geht immer dorthin, wo ihr gebunden seid. Ihr seid immer wieder in die Welt gekommen, weil ihr nicht an Gott gebunden seid – sonst wärt ihr zu ihm gegangen. Führt also eure Tagebücher und entfernt alle fremden Gedanken aus eurem Herzen. Jetzt ist es noch gespalten. Es sollte nur an den einen denken, dem ihr ergeben sein wollt. Ich spreche vom wissenschaftlichen Standpunkt aus. Wenn die Hingabe wächst, werdet ihr hilflos. Nehmen wir an, ihr betet täglich zu einer festgelegten Zeit, ein, zwei, drei Monate lang. Nun kann es geschehen, daß ihr einen Tag überhaupt keine Zeit dafür habt. Euer Herz wird beunruhigt sein, und es wird euch vorkommen, als ob ihr etwas verloren habt. So entwickelt sich die Hingabe.

Die zweite Möglichkeit ist, bei einem zu sein, der sein Herz Gott hingegeben hat. Wenn ihr euer Herz Gott hingeben wollt, müßt ihr in der Gemeinschaft jener sein, die Gott ergeben sind. Wenn ihr euer Herz der Welt hingeben wollt – nun gut. Dazu habt ihr reichlich Gelegenheit.

Der dritte und wirksamste Weg ist, sich mit einem zu verbinden, in dem diese Hingabe offenbar geworden ist, wo das Wort Fleisch wurde, wo der Buchstabe ‚l‘ aus dem Wort ‚World‘ (Welt) entfernt worden ist. Was dann verbleibt, ist das  W  o  r  t  oder Gott. Von ihm geht eine unmittelbare Strahlung aus, die man über tausende von Kilometern hinweg empfangen kann. Aber dafür müßt ihr Empfänglichkeit entwickeln. Durch Radio und Fernsehen hört oder seht ihr jemanden sprechen, der Tausende von Kilometern von euch entfernt ist. Der Gottmensch bist das fleischgewordene Wort, und er ist überall. Ihr braucht nur Herz und Gemüt in seine Richtung zu lenken und ihr werdet von dort Hilfe bekommen. Aber trotz all dem sollte man den physischen Kontakt nicht unterschätzen. In der Gemeinschaft mit ihm erhaltet ihr die Ausstrahlung aus erster Hand. In der Ferne müßt ihr eure Aufmerksamkeit auf ihn richten. Hier im Ashram bedarf es nur wenig oder gar keiner Mühe, die Aufmerksamkeit zu lenken. Ihr seht mit eigenen Augen. Versteht ihr, wie Hingabe entwickelt und gestärkt wird? Jetzt sollten wir prüfen, wo wir stehen.

Wenn unser Herz sich dem Einen hingibt und wir um seinetwillen selbstlos dienen, so bindet uns das nicht. Wenn ihr nicht wirklich ergeben seid, sondern nur um eueres äußeren Ansehen und um eures guten Namens willen so tut, als ob ihr ergeben seid, dann seid ihr gebunden. Ihr geht dahin, wo ihr gebunden seid. Die Meister haben diese Dinge jeweils auf ihre eigene Weise erklärt. Ihr werdet immer wieder feststellen, daß alle Meister in ihren Reden und Schriften von der gleichen grundlegenden Dingen sprechen. Wißt ihr nun, wie man Hingabe entwickelt? Dafür solltet ihr euch euren Übungen regelmäßig widmen und auch eure Tagebücher führen. Das wird euch an diese Gewohnheit binden. Ich lege euch immer nahe: „Sendet eure Tagebücher wenigstens leer ein.“ Wie lange werdet ihr sie leer einsenden? Einen Monat, zwei Monate, dann werdet ihr beginnen, sie auszufüllen und das wird euch zur festen Gewohnheit. Dann werde ich sagen: „Bitte, setzt mehr Zeit ein.“ Ich bestrafe nie jemand, auch jene nicht, die das nicht tun, was ich sage. Ich bitte sie nur immer wieder, das zu tun, worum ich sie bitte. Das also ist der Sinn des Tagebuchs und wie wichtig es ist, es zu führen. Wie viele führen es denn wirklich? Manchmal bringen mir die Leute ihre Tagebücher einfach und ich sehe, daß sie ganz leer sind, aber nur wenig oder gar keine Erfahrungen vermerkt sind. Ich sage dann zu ihnen: „Lieber Freund, dein Tagebuch ist in Ordnung, aber so solltest du eigentlich schon zur dritten Ebene gelangt sein.“ Ein Herz, das nicht an der Welt hängt, denkt nie an weltliche Dinge. Wenn einer keine Fehler unter den verschiedenen Rubriken aufweist und reinen Herzens ist, dann muß Gott in ihm sein. Er ist bereits dort, aber dann wird er sich offenbaren.

Ich habe euch gerade von den zwei Freunden erzählt, von denen einer Fußball spielen und der andere in die Kirche gehen wollt. Jeder tat, was er vorhatte. Der eine auf dem Fußballplatz dachte: „Oh, mein Freund ist jetzt in der Kirche und betet.“ Obwohl sein physischer Körper auf dem Fußballplatz war, weilte sein Herz in der Kirche. Der andere in der Kirche dachte: „Mein Freund vergnügt sich jetzt wohl beim Fußballspielen.“ Wenn ihr also vor dem Meister sitzt, solltet ihr erkennen, woran ihr wirklich hängt. Dann erst könnt ihr den vollen Nutzen aus seiner Gegenwart gewinnen. Hingabe fängt zuallererst mit dem Führen des Tagebuches an. Es wurde mit dem Gedanken an einen sehr hohen Zweck entwickelt. Versteht ihr jetzt den Sinn des Tagebuches? Diese Dinge habe ich euch ausführlich erklärt. Das steht zwar in den Büchern, aber nicht so genau. Wer das Tagebuch nicht führt, wird ständig fehlen. Mit der Zeit wird sein ganzes Herz an der Welt hängen. Äußerlich mag er sehr ergeben scheinen, aber in Wirklichkeit hängt er an der Welt.

Nun versteht ihr, wie man Hingabe entwickelt, was sie uns gibt, wie sie weiter gestärkt wird und wie ihr euch völlig in diese Hingabe erheben könnt. Daran fehlt es uns. Jeden Tag bekommt ihr etwas ausführlich erklärt, damit ihr begreift, worum es geht. Doch das allein ist nicht genug – ihr müßt danach leben. Je mehr ihr danach lebt, um so mehr verändert ihr euch. Euer Herz wird dann an Höherem hängen, als an den Dingen der Welt.

 

 

 


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