20 Wie man Hingabe
entwickelt und wie wichtig es ist, das Tagebuch zu führen
Ich sprach gerade über Hingabe – wie sie entwickelt
wird und was sie bedeutet. Sie ist Sache des Herzens, nicht des Verstandes. Das
Herz hängt immer an etwas. Ihr könnt es Herz, Gemüt oder wie ihr wollt nennen.
Jetzt hängen wir an der Welt, an unseren Familien, an den äußeren Dingen.
Dieses Verhaftetsein hat sich durch ständige Berührung entwickelt. Je mehr wir
mit äußeren Dingen in Berührung kommen, desto mehr hängen wir an ihnen. Als
Beispiel: eine Mutter zieht ihr Kind auf. Wenn das Kind drei, vier oder fünf
Stunden wegbleibt und nicht heimkommt, wird die Mutter unruhig. Warum? Ihr Herz
hängt an dem Kind, weil sie in ständiger Verbindung mit ihm war. Jetzt hängt
unser Herz am physischen Körper und den äußeren Bindungen. Bhakti ist
zuallererst eine Sache des Herzens, nicht des Verstandes. Wir müssen Bindung an
Gott entwickeln. Jetzt hängen wir noch an der Welt. Alle äußeren Dinge aber
sind vergänglich, unterliegen stetigem Wandel. Das Herz, das daran hängt – wie
kann es davon frei sein? Es wird sich ebenso ständig wandeln. Deshalb müssen
wir zuerst eine Bindung entwickeln. Wir brauchen uns nur von der äußeren Welt
abwenden und Gott in uns zuwenden. Das fängt damit an, daß ihr euch ständig mit
dem verbindet, zu dem ihr eine Bindung entwickeln wollt. Die Religionen sind
der erste Schritt auf diesem Weg. Ihr könnt in die Kirche gehen und morgens,
abends und nachts ein Gebet sprechen. Die Sikhs gehen in Sikh- Tempel, die
Mohammedaner in Moscheen und die Hindus in die Hindu- Tempel. Eine natürliche
Bindung wird sich in dieser Richtung entwickeln, je öfter wir dorthin gehen.
Manchmal aber entziehen wir uns all solchen äußeren Übungen und deshalb wurde
das Tagebuch eingeführt. Ihr solltet alles um des einen willen tun, dem ihr
völlig ergeben seid. Euer Herz hängt an ihm und um seinetwillen liebt ihr alle,
die ihm verbunden sind, die von ihm geschaffen wurden. Auf diese Weise seid ihr
nicht gebunden. Wenn euch die Liebe für den Einen ganz beherrscht, dann liebt
ihr alle seinetwillen. Versteht ihr nun, wie man Hingabe entwickelt – wie man
sie von dem einen abwendet und mit dem anderen verbindet? Der erste Schritt
ist, mit Gott oder dem menschlichen Körper, in dem er sich offenbart, in ständige
Verbindung zu gelangen. So entwickelt sich eine Bindung. Hat sie sich
entwickelt, so werdet ihr hilflos, weil euer Herz an etwas gebunden ist. Wenn
ihr eine Richtung geht und euer Herz ist woanders gebunden, werdet ihr euch
immer dorthin gezogen fühlen, wo es gebunden ist. Hier fängt die Hingabe oder
Bhakti an. Die Tagebücher zeigen, wieviel Zeit ihr einsetzt und
wo euer Herz noch in der einen oder anderen Form an äußeren Dingen hängt.
Hingabe fordert, daß kein anderer Gedanke als der an den Einen, den ihr liebt,
euer Herz bewegt. Wenn kein Gedanke an einen anderen in eurem Herzen ist und es
frei ist von äußeren Bindungen, dann ist Gott darin. Hingabe beginnt, wenn ihr
euer Herz von den äußeren Dingen losgelöst und an Gott oder den Gott im
Menschen bindet. Das entwickelt sich durch ständigen Kontakt mit ihm. Es fängt
damit an, daß ihr euch euren spirituellen Übungen regelmäßig hingebt. Warum geht ihr zur Kirche oder an andere heilige
Orte? Um eine Weile an Gott zu denken, nicht wahr? Was nützt es aber, an einen
heiligen Ort oder in einen Tempel zu gehen, wenn euer Herz an äußeren dingen
hängt! Es gibt da eine Geschichte von zwei Freunden – der eine wollte Fußball
spielen, der andere wollte in die Kirche gehen. Beide waren halsstarrig, jeder
auf seine Weise. Der eine, der Fußball spielen wollte, ging auf den Sportplatz.
Und der andere ging in die Kirche, um zu beten. Was aber taten sie in
Wirklichkeit – der eine beim Fußball und der andere beim Gebet in der Kirche?
Der Fußballspieler dachte: „Mein Freund ist in der Kirche und betet jetzt
gewiß.“ Der andere in der Kirche dachte: „Mein Freund vergnügt sich jetzt wohl
beim Fußballspielen.“ All eure körperliche und äußere Arbeit sollte also
nur Gott zuliebe geschehen. Euer Herz sollte nur an den Einen gebunden sein.
Zuweilen besuchen die Leute einen heiligen Ort oder einen heiligen Mann, sind
aber in Gedanken woanders. Was hat das für einen Sinn? Es ist besser, auf dem
Fußballplatz zu sein und an die Kirche zu denken, als in der Kirche an den
Fußballplatz. Diese Art von Bindung ist Sache des Herzens. Aus ihr entwickelt
sich mit der Zeit Hingabe. Dieser erste Schritt ist notwendig. Aber was tun wir
gewöhnlich? Wir nehmen uns einer Sache an und lassen andere fallen. Wenn wir
die eine fallen lassen und der anderen nicht unsere volle Aufmerksamkeit
schenken, verlieren wir natürlich beide. Wie entwickelt sich Hingabe? Das erste
ist, mit dem in Verbindung zu sein, was wir gaben wollen, wofür wir uns
entschieden haben. Leider lassen wir uns treiben. Wir haben uns noch
nicht für ein Ziel entschieden oder für das, was wir eigentlich tun wollen.
Deshalb dränge ich immer: „Entscheidet euch, was ihr werden wollt.“ Manchmal
geben wir uns einer Sache zehn tage, einen Monat oder zwei Monate hin, und dann
werden wir uns einfach etwas anderem zu. So verbringen wir unsere Zeit mit
Brunnengraben: ein paar davon machen wir zwei Fuß, andere drei oder fünf Fuß
tief, aber nie stoßen wir auf Wasser. Entscheidet euch deshalb zuerst, was ihr
werden wollt – wem ihr euch völlig ergeben wollt. Wenn ihr die heiligen Schriften gelesen habt, dann
erkennt ihr, daß alle Meister sagen: wenn man einen menschlichen Körper
erhalten hat, ist die Verbindung mit Gott das höchste Ziel. Ihr geht immer
dorthin, wo ihr gebunden seid. Ihr seid immer wieder in die Welt gekommen, weil
ihr nicht an Gott gebunden seid – sonst wärt ihr zu ihm gegangen. Führt also
eure Tagebücher und entfernt alle fremden Gedanken aus eurem Herzen. Jetzt ist
es noch gespalten. Es sollte nur an den einen denken, dem ihr ergeben sein
wollt. Ich spreche vom wissenschaftlichen Standpunkt aus. Wenn die Hingabe
wächst, werdet ihr hilflos. Nehmen wir an, ihr betet täglich zu einer
festgelegten Zeit, ein, zwei, drei Monate lang. Nun kann es geschehen, daß ihr
einen Tag überhaupt keine Zeit dafür habt. Euer Herz wird beunruhigt sein, und
es wird euch vorkommen, als ob ihr etwas verloren habt. So entwickelt sich die
Hingabe. Die zweite Möglichkeit ist, bei einem zu sein, der
sein Herz Gott hingegeben hat. Wenn ihr euer Herz Gott hingeben wollt, müßt ihr
in der Gemeinschaft jener sein, die Gott ergeben sind. Wenn ihr euer Herz der
Welt hingeben wollt – nun gut. Dazu habt ihr reichlich Gelegenheit. Der dritte und wirksamste Weg ist, sich mit einem zu
verbinden, in dem diese Hingabe offenbar geworden ist, wo das Wort Fleisch
wurde, wo der Buchstabe ‚l‘ aus dem Wort ‚World‘ (Welt) entfernt worden ist.
Was dann verbleibt, ist das W o r t
oder Gott. Von ihm geht eine unmittelbare Strahlung aus, die man über
tausende von Kilometern hinweg empfangen kann. Aber dafür müßt ihr
Empfänglichkeit entwickeln. Durch Radio und Fernsehen hört oder seht ihr
jemanden sprechen, der Tausende von Kilometern von euch entfernt ist. Der
Gottmensch bist das fleischgewordene Wort, und er ist überall. Ihr braucht nur
Herz und Gemüt in seine Richtung zu lenken und ihr werdet von dort Hilfe
bekommen. Aber trotz all dem sollte man den physischen Kontakt nicht
unterschätzen. In der Gemeinschaft mit ihm erhaltet ihr die Ausstrahlung aus
erster Hand. In der Ferne müßt ihr eure Aufmerksamkeit auf ihn richten. Hier im
Ashram bedarf es nur wenig oder gar keiner Mühe, die Aufmerksamkeit zu lenken.
Ihr seht mit eigenen Augen. Versteht ihr, wie Hingabe entwickelt und gestärkt
wird? Jetzt sollten wir prüfen, wo wir stehen. Wenn unser Herz sich dem Einen hingibt und wir um
seinetwillen selbstlos dienen, so bindet uns das nicht. Wenn ihr nicht wirklich
ergeben seid, sondern nur um eueres äußeren Ansehen und um eures guten Namens
willen so tut, als ob ihr ergeben seid, dann seid ihr gebunden. Ihr geht dahin,
wo ihr gebunden seid. Die Meister haben diese Dinge jeweils auf ihre eigene
Weise erklärt. Ihr werdet immer wieder feststellen, daß alle Meister in ihren
Reden und Schriften von der gleichen grundlegenden Dingen sprechen. Wißt ihr
nun, wie man Hingabe entwickelt? Dafür solltet ihr euch euren Übungen
regelmäßig widmen und auch eure Tagebücher führen. Das wird euch an diese
Gewohnheit binden. Ich lege euch immer nahe: „Sendet eure Tagebücher wenigstens
leer ein.“ Wie lange werdet ihr sie leer einsenden? Einen Monat, zwei Monate,
dann werdet ihr beginnen, sie auszufüllen und das wird euch zur festen
Gewohnheit. Dann werde ich sagen: „Bitte, setzt mehr Zeit ein.“ Ich bestrafe
nie jemand, auch jene nicht, die das nicht tun, was ich sage. Ich bitte sie nur
immer wieder, das zu tun, worum ich sie bitte. Das also ist der Sinn des
Tagebuchs und wie wichtig es ist, es zu führen. Wie viele führen es denn
wirklich? Manchmal bringen mir die Leute ihre Tagebücher einfach und ich sehe,
daß sie ganz leer sind, aber nur wenig oder gar keine Erfahrungen vermerkt
sind. Ich sage dann zu ihnen: „Lieber Freund, dein Tagebuch ist in Ordnung,
aber so solltest du eigentlich schon zur dritten Ebene gelangt sein.“ Ein Herz,
das nicht an der Welt hängt, denkt nie an weltliche Dinge. Wenn einer keine
Fehler unter den verschiedenen Rubriken aufweist und reinen Herzens ist, dann
muß Gott in ihm sein. Er ist bereits dort, aber dann wird er sich offenbaren. Ich habe euch gerade von den zwei Freunden erzählt,
von denen einer Fußball spielen und der andere in die Kirche gehen wollt. Jeder
tat, was er vorhatte. Der eine auf dem Fußballplatz dachte: „Oh, mein Freund
ist jetzt in der Kirche und betet.“ Obwohl sein physischer Körper auf dem
Fußballplatz war, weilte sein Herz in der Kirche. Der andere in der Kirche
dachte: „Mein Freund vergnügt sich jetzt wohl beim Fußballspielen.“ Wenn ihr
also vor dem Meister sitzt, solltet ihr erkennen, woran ihr wirklich hängt.
Dann erst könnt ihr den vollen Nutzen aus seiner Gegenwart gewinnen. Hingabe
fängt zuallererst mit dem Führen des Tagebuches an. Es wurde mit dem Gedanken
an einen sehr hohen Zweck entwickelt. Versteht ihr jetzt den Sinn des
Tagebuches? Diese Dinge habe ich euch ausführlich erklärt. Das steht zwar in
den Büchern, aber nicht so genau. Wer das Tagebuch nicht führt, wird ständig
fehlen. Mit der Zeit wird sein ganzes Herz an der Welt hängen. Äußerlich mag er
sehr ergeben scheinen, aber in Wirklichkeit hängt er an der Welt. Nun versteht ihr, wie man Hingabe entwickelt, was
sie uns gibt, wie sie weiter gestärkt wird und wie ihr euch völlig in diese
Hingabe erheben könnt. Daran fehlt es uns. Jeden Tag bekommt ihr etwas
ausführlich erklärt, damit ihr begreift, worum es geht. Doch das allein ist
nicht genug – ihr müßt danach leben. Je mehr ihr danach lebt, um so mehr
verändert ihr euch. Euer Herz wird dann an Höherem hängen, als an den Dingen
der Welt. |