21 Was die Grundsätze
von Bhakti oder Hingabe sind
Ich sprach gerade über Hingabe, wirkliches Bhakti.
Der erste Grundsatz, der eigentliche und ich würde sagen, der großartigste von
allen ist, zu erkennen, daß Gott überall ist. Wir leben in ihm und er ist in
uns. Wir leben und haben unser Sein in ihm, wie ein Fisch im Fluß. Der Fisch
lebt im Wasser, sein ganzes Leben hängt davon ab. Er lebt im Wasser, er lebt
vom Wasser, das ihn ernährt. Als Gott wollte: „Ich bin einer und möchte viele
sein“, ging das ganze Universum von ihm aus und kam ins Sein. Die ganze Welt
ist ein Ausdruck, eine Offenbarung Gottes. Wo ist der Ort, an dem er nicht ist?
Wir sind in ihm, er ist in uns; und er ist die Kraft, die uns beherrscht. Alle
beseelten Körper sind Tropfen aus dem Meer der Allbewußtheit. Wenn wir das
erkennen, ist alles schön. Gott ist schön und jene von ihm geschaffene, durch
ihn offenbarte Welt ist auch schön. Schönheit kommt von Schönheit und nicht von
Häßlichkeit. Wenn uns in der Welt irgend etwas häßlich erscheint, kommt das nur
durch die Brille, die wir tragen. Wenn ihre Gläser rauchfarben sind, seht ihr
nur Rauch. Wenn sie rot sind, erscheint alles rot. Sind sie schwarz, erscheint
alles schwarz. Nun, die Welt ist nicht schwarz oder rot oder rauchfarben,
vergeßt das nicht! Deshalb müssen wir den Lauf unseres Gemüts und unseres
Herzens ändern. Der erste Grundsatz, den es zu beachten gilt, ist
die Erkenntnis, daß er überall ist. Wir sind in ihm und er ist in uns. Wenn ihr
das erkennt, begegnet ihr allen mit Achtung. Denn sie alle haben sich in
menschlicher Gestalt verkörpert. Wie können wir etwas tun, was nicht gut ist
oder sündigen, wenn wir wissen, daß er überall ist und alles weiß, was in
unseren Herzen vorgeht! Unser Meister sagte oft: „Wenn ein fünfjähriges Kind
bei euch ist, wagt ihr nicht, etwas Unrechtes zu tun.“ Wenn ihr mit der
Einstellung lebt, daß Er in mir und außerhalb von mir ist und ich in Ihm bin –
wie könnt ihr da etwas Böses tun? Oder könnt ihr es? Das ist Inhalt und
Inbegriff des Bhakti – sein eigentlicher Grundsatz. Wenn ihr daran festhaltet,
wird sich alles andere von selbst ergeben. Die Welt wird schön sein. Schönheit
kommt von Schönheit. Nur die Brille, die ihr aufhabt, läßt die Welt häßlich
oder nicht schön erscheinen. Wenn ihr die schlechten Gedanken über andere
vertreibt, werden alle freundlich sein. Wenn uns jemand die Hölle heiß macht,
zahlen wir es ihm heim – wir haben genau die gleichen Gedanken in uns. Heilige
kamen in die Welt, aber die Menschen achten sie nicht. Manchmal schlug man sie ans
Kreuz, manchmal verbrannte man sie lebendigen Leibes. Einem Heiligen hat man
die Haut vom Körper gezogen. Die Menschen flehen: „O Gott, sende uns einen
Menschen, um uns zu erlösen.“ Und Gott sagt: „Ich habe euch viele Menschen zu
eurer Erlösung gesandt, aber wie habt ihr sie behandelt? Sie kamen, um euch das
richtige Verstehen des Ganzen zu lehren – daß die ganze Schöpfung die
Offenbarung Gottes ist – daß ihr alle meine Kinder seid, Tropfen aus dem Meer
aller Bewußtheit - daß ich die
beherrschende Kraft in euch bin. Ihr lebt in mir und ich lebe in euch. Aber ihr
habt es vergessen.“ Das zu vergessen ist Täuschung oder das, was man
Maya nennt. Wenn ihr zu einem geht, dessen inneres Auge geöffnet ist, wird er
versuchen, euch aus dem Abgrund der Unwissenheit herauszuholen, selbst wenn ihr
schlecht über ihn sprecht. Wenn er euch etwas gibt, solltet ihr es entwickeln.
Wenn ihr innen seht, wird sich eure ganze Einstellung ändern. Dann seht ihr
auch außen, daß alles eine Offenbarung Gottes ist. So ist es – und wenn wir
einen Meister finden, beginnen wir zu erkennen, daß alles seine Offenbarung
ist. Der erste Grundsatz der Hingabe oder von Bhakti ist
also die Erkenntnis, daß Gott überall ist. Wir leben in ihm und er ist in uns.
Wenn dieses richtige Verstehen in uns erwacht, dann ergeben sich ganz natürlich
die rechten Gedanken daraus. Aus den rechten Gedanken entstehen die rechten
Worte und daraus die rechten Taten. Deshalb betet immer zu Gott: „O Gott, gib
uns die Verbindung mit einem, der von dieser Unwissenheit frei ist und sieht,
daß diese Welt deine Offenbarung ist.“ Aber wie viele solche Menschen gibt es?
Sie sind sehr selten. Es gibt nur sehr wenige. Gott sandte diese Menschen mit
dem rechten Verstehen, um es auch euch zu geben – und wie habt ihr sie behandelt? Gott sagte: „Ich habe euch Menschen gesandt, die
sagten, daß sie Gott sind, aber ihr achtete sie nicht. Ich habe euch auch
solche gesandt, die sagten: ‚Ich bin ein Mensch wie ihr; es ist alles Gottes
Gnade.‘ Und was sagt ihr dann? Ihr sagt: Wenn er ein Mensch ist, wie wir, wie
kann er uns dann erlösen?“ So schickt uns Gott Menschen mit dem rechten
Verstehen – und so behandeln wir sie. Der Grundsatz ist die Erkenntnis, daß Gott überall
ist. Das ist eine Tatsache und wir müssen das innere Auge entwickeln und
öffnen, damit wir sehen, daß es so ist. Es wird sich nur öffnen, wenn ihr einen
findet, der es in euch auftut. Es heißt das Dritte Auge oder Einzelauge. Ihr
werdet zu sehen beginnen, daß alles die Offenbarung Gottes ist. Es gibt nichts
Böses in der Welt. Wenn sie böse erscheint, so liegt das an der rauchfarbenen
oder sonstwie gefärbten Brille, die euer Herz oder Gemüt aufhat. Wenn ihr das
einmal so überdenkt, wie ich es euch eben dargelegt habe, dann liebt und achtet
ihr natürlich alle, selbst eure Feinde. Sie mögen anders über euch denken, aber
wenn ihr in euch alle schlechten Gedanken über andere besiegt habt, werdet ihr
mit Hilfe der Einstellung, die euch der Meister gibt, sehen, daß alles die
Offenbarung Gottes ist. Dann wird natürlich jeder schön sein. Ihr werdet diese
Schönheit selbst in euren Feinden sehen. An jeder verkehrten Ansicht ist nur
eure rauchfarbene Brille schuld. Was immer uns im Leben zustößt, sei es gut oder gar
nicht nach unserem Geschmack – ist alles nur eine Folge unseres vergangenen
Karmas. Was ihr sät, habt ihr zu ernten. Nicht Gott hat schuld, sondern wir.
Was wir gesät haben, das müssen wir ernten. Wenn ihr ein Pfefferkorn sät,
wächst daraus eine Pflanze, die Hunderte von Pfefferschoten trägt. Wenn ihr
einen Mangokern sät, wird ein Baum wachsen, der euch Hunderte von Mangofrüchten
schenkt. Wenn ihr also durch rechtes Verstehen alles Schlechte aus eurem Gemüt
hinauswerft, wird alles schön sein. Was uns sonst zustößt, ist eine Folge
unserer Vergangenheit oder wird uns von oben bestimmt. Wir sollten allem, was uns geschieht, offen und mit
Freude begegnen. Zuweilen stößt uns etwas zu, das wir nicht gut finden, aber
gerade das hilft uns, damit wir Höheres erreichen. Der Mensch lernt im Wasser
schwimmen, nicht auf dem Trockenen. Wenn ihr diese Einstellung entwickelt, wird
euer Auge geöffnet und sieht die Dinge im rechten Licht. Ihr werdet sehen, daß
alles die Offenbarung Gottes ist. Das wird euch stärker machen. Dieser
Grundsatz, der euch eben erklärt wurde, ist eine Tatsache – nicht von Menschen
erdacht. Ich gab euch dazu ein oder zwei Beispiele aus dem
Leben Guru Nanaks. Als er einmal Getreide oder Mais abwog, war er so in Gott
versunken, daß er ihn überall sah. Wenn ihr also denkt: „Nicht ich bin der
handelnde“, werdet ihr zum bewußten Mitarbeiter des göttlichen Planes. Wie
könnt ihr sagen, daß ihr es seid, die dies oder jenes tun? Ihr solltet sagen,
daß er es tut und nicht ihr. Ihr seid nur eine Marionette in seinen Händen.
Wenn ihr diese Einstellung habt, sagt ihr wie Guru Nanak: „Ich bin Dein – Du
bist es, nicht ich.“ Ihr werdet so sehr versunken und gefesselt sein, daß ihr
euch selbst vergeßt. Guru Nanak also wog Getreide ab und als er zu dem Wort
‚tera‘ kam, das sowohl ‚dreizehn‘ wie auch ‚dein‘ bedeutet, wurde er ganz
berauscht und wiederholte immer wieder: „Ich bin Dein, ich bin Dein.“ Der
zehnte Guru der Sikhs sagte, als er über Gott sprach: „Die ganze Welt ist Dein;
alle Flüsse und Berge sind dein. Du bist es, der sich in allen offenbart.“ Er
war so in Gott vertieft, daß er stundenlang in diesem Zustand der Berauschung
verweilte. Der eigentliche Grundsatz ist also die Erkenntnis,
daß Gott überall ist. Wir sind in Ihm, und Er ist in uns. Wir sind Tropfen aus
dem Meer der Allbewußtheit. Das ist das rechte Verstehen. Wenn ihr das erlangt,
werdet ihr die rechten Gedanken haben. Aus den rechten Gedanken ergeben sich
die rechten Worte und aus ihnen die richtigen Taten. Alles ist die Offenbarung
Gottes. Er ist das wahre Leben unseres Lebens. Auf diesem Fundament erhebt sich
der Aufbau von Bhakti. Wenn ein fünfjähriges Kind bei uns ist, wagen wir nicht,
etwas Unrechtes zu tun. Wenn wir wissen, daß Gott jede unserer Handlungen, ja
sogar die eigentliche Richtung unserer Gedanken sieht – wie können wir dann
etwas Unrechtes tun! Heute befassen wir uns also damit, ‚Was die
Grundsätze von Bhakti oder der Hingabe sind‘. Vor allem ist es die Erkenntnis,
daß Gott überall ist – daß alles seine Offenbarung ist. Er ist die
kontrollierende Kraft, und wir sind Tropfen aus dem Ozean seines Seins. Wir
leben und haben unser Sein in ihm. Alle anderen Grundsätze ergeben sich von
selbst daraus. Wenn uns etwas begegnet, das nicht nach unserem Geschmack ist,
so ist das eine Folge von dem, was wir einst getan haben. Das paßt zu der
rauchfarbenen oder sonstwie gefärbten Brille, die wir tragen. In Wahrheit ist
und bleibt alles die Offenbarung Gottes. Wenn ihr durch die Gnade eines
Meisters, durch Gott in ihm, das rechte verstehen erlangt, werdet ihr sehen,
daß es so ist. Die ganze Welt erkennt, daß sie der Täuschung oder
Maya unterliegt. Ihr müßt euch über das Körperbewußtsein erheben, um euer
inneres Auge zu öffnen und selbst zu sehen. Dafür wurde euch ein Anfangskapital
gegeben. Wenn ihr nach diesen Grundsätzen lebt, werdet ihr die volle Frucht
eures Bhakti ernten – ihr werdet Gott in euch sehen. Was ist denn schließlich
das Ziel all unserer Bußübungen und eines richtigen Lebens? Die Gotterkenntnis.
Bleibt, wo ihr seid. Welcher Glaubensrichtung ihr auch angehört – ihre äußeren
Formen, Rituale oder Symbole braucht ihr keinesfalls ändern. Ihr müßt Gott
lieben. Die ganze Welt ist eine Offenbarung der Liebe. Wir sind alle Brüder und
Schwestern in Gott. Die gleiche kontrollierende Kraft hält uns im Körper. Dies
also ist der Kern und das Wesen von Bhakti, das Grundprinzip der Hingabe oder
Liebe. Bhagat (der Ergebene) erhebt sich zu Bhagwant (Gott). Wenn wir Gott
lieben, werden wir anderen freudig dienen. Dadurch geratet ihr in Verkürzung,
in glückselige Verzückung. Wie eine liebende Mutter ihr schmutziges Kind wäscht
und es dann an die Brust drückt, so sollten wir die Sünde hassen, doch den
Sünder lieben. Das ergibt sich ganz natürlich. Der eigentliche und wesentliche Grundsatz von Bhakti
ist also die Erkenntnis, daß wir in ihm sind und er in uns. Es gibt, keinen
Ort, an dem er nicht ist. Er ist hier, in mir, außerhalb, überall. Eure inneres
Auge, das Einzelauge oder Dritte Auge, ist nur noch nicht geöffnet. Einer,
dessen inneres Auge geöffnet ist, wird euch eine Erfahrung davon geben. Wenn
ihr seine Anweisung genau befolgt, werdet ihr eines Tages selbst sehen. |