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Was die Grundsätze von Bhakti oder Hingabe sind

 

Ich sprach gerade über Hingabe, wirkliches Bhakti. Der erste Grundsatz, der eigentliche und ich würde sagen, der großartigste von allen ist, zu erkennen, daß Gott überall ist. Wir leben in ihm und er ist in uns. Wir leben und haben unser Sein in ihm, wie ein Fisch im Fluß. Der Fisch lebt im Wasser, sein ganzes Leben hängt davon ab. Er lebt im Wasser, er lebt vom Wasser, das ihn ernährt.

Als Gott wollte: „Ich bin einer und möchte viele sein“, ging das ganze Universum von ihm aus und kam ins Sein. Die ganze Welt ist ein Ausdruck, eine Offenbarung Gottes. Wo ist der Ort, an dem er nicht ist? Wir sind in ihm, er ist in uns; und er ist die Kraft, die uns beherrscht. Alle beseelten Körper sind Tropfen aus dem Meer der Allbewußtheit. Wenn wir das erkennen, ist alles schön. Gott ist schön und jene von ihm geschaffene, durch ihn offenbarte Welt ist auch schön. Schönheit kommt von Schönheit und nicht von Häßlichkeit. Wenn uns in der Welt irgend etwas häßlich erscheint, kommt das nur durch die Brille, die wir tragen. Wenn ihre Gläser rauchfarben sind, seht ihr nur Rauch. Wenn sie rot sind, erscheint alles rot. Sind sie schwarz, erscheint alles schwarz. Nun, die Welt ist nicht schwarz oder rot oder rauchfarben, vergeßt das nicht! Deshalb müssen wir den Lauf unseres Gemüts und unseres Herzens ändern.

Der erste Grundsatz, den es zu beachten gilt, ist die Erkenntnis, daß er überall ist. Wir sind in ihm und er ist in uns. Wenn ihr das erkennt, begegnet ihr allen mit Achtung. Denn sie alle haben sich in menschlicher Gestalt verkörpert. Wie können wir etwas tun, was nicht gut ist oder sündigen, wenn wir wissen, daß er überall ist und alles weiß, was in unseren Herzen vorgeht! Unser Meister sagte oft: „Wenn ein fünfjähriges Kind bei euch ist, wagt ihr nicht, etwas Unrechtes zu tun.“ Wenn ihr mit der Einstellung lebt, daß Er in mir und außerhalb von mir ist und ich in Ihm bin – wie könnt ihr da etwas Böses tun? Oder könnt ihr es? Das ist Inhalt und Inbegriff des Bhakti – sein eigentlicher Grundsatz. Wenn ihr daran festhaltet, wird sich alles andere von selbst ergeben. Die Welt wird schön sein. Schönheit kommt von Schönheit. Nur die Brille, die ihr aufhabt, läßt die Welt häßlich oder nicht schön erscheinen.

Wenn ihr die schlechten Gedanken über andere vertreibt, werden alle freundlich sein. Wenn uns jemand die Hölle heiß macht, zahlen wir es ihm heim – wir haben genau die gleichen Gedanken in uns. Heilige kamen in die Welt, aber die Menschen achten sie nicht. Manchmal schlug man sie ans Kreuz, manchmal verbrannte man sie lebendigen Leibes. Einem Heiligen hat man die Haut vom Körper gezogen. Die Menschen flehen: „O Gott, sende uns einen Menschen, um uns zu erlösen.“ Und Gott sagt: „Ich habe euch viele Menschen zu eurer Erlösung gesandt, aber wie habt ihr sie behandelt? Sie kamen, um euch das richtige Verstehen des Ganzen zu lehren – daß die ganze Schöpfung die Offenbarung Gottes ist – daß ihr alle meine Kinder seid, Tropfen aus dem Meer aller Bewußtheit  - daß ich die beherrschende Kraft in euch bin. Ihr lebt in mir und ich lebe in euch. Aber ihr habt es vergessen.“

Das zu vergessen ist Täuschung oder das, was man Maya nennt. Wenn ihr zu einem geht, dessen inneres Auge geöffnet ist, wird er versuchen, euch aus dem Abgrund der Unwissenheit herauszuholen, selbst wenn ihr schlecht über ihn sprecht. Wenn er euch etwas gibt, solltet ihr es entwickeln. Wenn ihr innen seht, wird sich eure ganze Einstellung ändern. Dann seht ihr auch außen, daß alles eine Offenbarung Gottes ist. So ist es – und wenn wir einen Meister finden, beginnen wir zu erkennen, daß alles seine Offenbarung ist.

Der erste Grundsatz der Hingabe oder von Bhakti ist also die Erkenntnis, daß Gott überall ist. Wir leben in ihm und er ist in uns. Wenn dieses richtige Verstehen in uns erwacht, dann ergeben sich ganz natürlich die rechten Gedanken daraus. Aus den rechten Gedanken entstehen die rechten Worte und daraus die rechten Taten. Deshalb betet immer zu Gott: „O Gott, gib uns die Verbindung mit einem, der von dieser Unwissenheit frei ist und sieht, daß diese Welt deine Offenbarung ist.“ Aber wie viele solche Menschen gibt es? Sie sind sehr selten. Es gibt nur sehr wenige. Gott sandte diese Menschen mit dem rechten Verstehen, um es auch euch zu geben – und wie habt ihr sie behandelt?

Gott sagte: „Ich habe euch Menschen gesandt, die sagten, daß sie Gott sind, aber ihr achtete sie nicht. Ich habe euch auch solche gesandt, die sagten: ‚Ich bin ein Mensch wie ihr; es ist alles Gottes Gnade.‘ Und was sagt ihr dann? Ihr sagt: Wenn er ein Mensch ist, wie wir, wie kann er uns dann erlösen?“ So schickt uns Gott Menschen mit dem rechten Verstehen – und so behandeln wir sie.

Der Grundsatz ist die Erkenntnis, daß Gott überall ist. Das ist eine Tatsache und wir müssen das innere Auge entwickeln und öffnen, damit wir sehen, daß es so ist. Es wird sich nur öffnen, wenn ihr einen findet, der es in euch auftut. Es heißt das Dritte Auge oder Einzelauge. Ihr werdet zu sehen beginnen, daß alles die Offenbarung Gottes ist. Es gibt nichts Böses in der Welt. Wenn sie böse erscheint, so liegt das an der rauchfarbenen oder sonstwie gefärbten Brille, die euer Herz oder Gemüt aufhat. Wenn ihr das einmal so überdenkt, wie ich es euch eben dargelegt habe, dann liebt und achtet ihr natürlich alle, selbst eure Feinde. Sie mögen anders über euch denken, aber wenn ihr in euch alle schlechten Gedanken über andere besiegt habt, werdet ihr mit Hilfe der Einstellung, die euch der Meister gibt, sehen, daß alles die Offenbarung Gottes ist. Dann wird natürlich jeder schön sein. Ihr werdet diese Schönheit selbst in euren Feinden sehen. An jeder verkehrten Ansicht ist nur eure rauchfarbene Brille schuld.

Was immer uns im Leben zustößt, sei es gut oder gar nicht nach unserem Geschmack – ist alles nur eine Folge unseres vergangenen Karmas. Was ihr sät, habt ihr zu ernten. Nicht Gott hat schuld, sondern wir. Was wir gesät haben, das müssen wir ernten. Wenn ihr ein Pfefferkorn sät, wächst daraus eine Pflanze, die Hunderte von Pfefferschoten trägt. Wenn ihr einen Mangokern sät, wird ein Baum wachsen, der euch Hunderte von Mangofrüchten schenkt. Wenn ihr also durch rechtes Verstehen alles Schlechte aus eurem Gemüt hinauswerft, wird alles schön sein. Was uns sonst zustößt, ist eine Folge unserer Vergangenheit oder wird uns von oben bestimmt.

Wir sollten allem, was uns geschieht, offen und mit Freude begegnen. Zuweilen stößt uns etwas zu, das wir nicht gut finden, aber gerade das hilft uns, damit wir Höheres erreichen. Der Mensch lernt im Wasser schwimmen, nicht auf dem Trockenen. Wenn ihr diese Einstellung entwickelt, wird euer Auge geöffnet und sieht die Dinge im rechten Licht. Ihr werdet sehen, daß alles die Offenbarung Gottes ist. Das wird euch stärker machen. Dieser Grundsatz, der euch eben erklärt wurde, ist eine Tatsache – nicht von Menschen erdacht.

Ich gab euch dazu ein oder zwei Beispiele aus dem Leben Guru Nanaks. Als er einmal Getreide oder Mais abwog, war er so in Gott versunken, daß er ihn überall sah. Wenn ihr also denkt: „Nicht ich bin der handelnde“, werdet ihr zum bewußten Mitarbeiter des göttlichen Planes. Wie könnt ihr sagen, daß ihr es seid, die dies oder jenes tun? Ihr solltet sagen, daß er es tut und nicht ihr. Ihr seid nur eine Marionette in seinen Händen. Wenn ihr diese Einstellung habt, sagt ihr wie Guru Nanak: „Ich bin Dein – Du bist es, nicht ich.“ Ihr werdet so sehr versunken und gefesselt sein, daß ihr euch selbst vergeßt. Guru Nanak also wog Getreide ab und als er zu dem Wort ‚tera‘ kam, das sowohl ‚dreizehn‘ wie auch ‚dein‘ bedeutet, wurde er ganz berauscht und wiederholte immer wieder: „Ich bin Dein, ich bin Dein.“ Der zehnte Guru der Sikhs sagte, als er über Gott sprach: „Die ganze Welt ist Dein; alle Flüsse und Berge sind dein. Du bist es, der sich in allen offenbart.“ Er war so in Gott vertieft, daß er stundenlang in diesem Zustand der Berauschung verweilte.

Der eigentliche Grundsatz ist also die Erkenntnis, daß Gott überall ist. Wir sind in Ihm, und Er ist in uns. Wir sind Tropfen aus dem Meer der Allbewußtheit. Das ist das rechte Verstehen. Wenn ihr das erlangt, werdet ihr die rechten Gedanken haben. Aus den rechten Gedanken ergeben sich die rechten Worte und aus ihnen die richtigen Taten. Alles ist die Offenbarung Gottes. Er ist das wahre Leben unseres Lebens. Auf diesem Fundament erhebt sich der Aufbau von Bhakti. Wenn ein fünfjähriges Kind bei uns ist, wagen wir nicht, etwas Unrechtes zu tun. Wenn wir wissen, daß Gott jede unserer Handlungen, ja sogar die eigentliche Richtung unserer Gedanken sieht – wie können wir dann etwas Unrechtes tun!

Heute befassen wir uns also damit, ‚Was die Grundsätze von Bhakti oder der Hingabe sind‘. Vor allem ist es die Erkenntnis, daß Gott überall ist – daß alles seine Offenbarung ist. Er ist die kontrollierende Kraft, und wir sind Tropfen aus dem Ozean seines Seins. Wir leben und haben unser Sein in ihm. Alle anderen Grundsätze ergeben sich von selbst daraus. Wenn uns etwas begegnet, das nicht nach unserem Geschmack ist, so ist das eine Folge von dem, was wir einst getan haben. Das paßt zu der rauchfarbenen oder sonstwie gefärbten Brille, die wir tragen. In Wahrheit ist und bleibt alles die Offenbarung Gottes. Wenn ihr durch die Gnade eines Meisters, durch Gott in ihm, das rechte verstehen erlangt, werdet ihr sehen, daß es so ist.

Die ganze Welt erkennt, daß sie der Täuschung oder Maya unterliegt. Ihr müßt euch über das Körperbewußtsein erheben, um euer inneres Auge zu öffnen und selbst zu sehen. Dafür wurde euch ein Anfangskapital gegeben. Wenn ihr nach diesen Grundsätzen lebt, werdet ihr die volle Frucht eures Bhakti ernten – ihr werdet Gott in euch sehen. Was ist denn schließlich das Ziel all unserer Bußübungen und eines richtigen Lebens? Die Gotterkenntnis. Bleibt, wo ihr seid. Welcher Glaubensrichtung ihr auch angehört – ihre äußeren Formen, Rituale oder Symbole braucht ihr keinesfalls ändern. Ihr müßt Gott lieben. Die ganze Welt ist eine Offenbarung der Liebe. Wir sind alle Brüder und Schwestern in Gott. Die gleiche kontrollierende Kraft hält uns im Körper. Dies also ist der Kern und das Wesen von Bhakti, das Grundprinzip der Hingabe oder Liebe. Bhagat (der Ergebene) erhebt sich zu Bhagwant (Gott). Wenn wir Gott lieben, werden wir anderen freudig dienen. Dadurch geratet ihr in Verkürzung, in glückselige Verzückung. Wie eine liebende Mutter ihr schmutziges Kind wäscht und es dann an die Brust drückt, so sollten wir die Sünde hassen, doch den Sünder lieben. Das ergibt sich ganz natürlich.

Der eigentliche und wesentliche Grundsatz von Bhakti ist also die Erkenntnis, daß wir in ihm sind und er in uns. Es gibt, keinen Ort, an dem er nicht ist. Er ist hier, in mir, außerhalb, überall. Eure inneres Auge, das Einzelauge oder Dritte Auge, ist nur noch nicht geöffnet. Einer, dessen inneres Auge geöffnet ist, wird euch eine Erfahrung davon geben. Wenn ihr seine Anweisung genau befolgt, werdet ihr eines Tages selbst sehen.

 

 


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