31 Liebe im Gegensatz zu
Verhaftetsein Liebe – dieses Wort hören wir aus aller
Munde. Aber was ist Liebe? Gott ist Liebe und unsere Seele ist ihm
wesensgleich. Wir sind auch verkörperte Liebe. Die Liebe ist unserer Seele
eingeboren. Sie strahlt aus und sollte mit der Überseele verbunden werden, die
wir Gott oder Paramatma nennen. Anstatt aber unsere Seele mit Gott zu
verbinden, haben wir sie an beseelte Körper gebunden, und das nennt man
Verhaftetsein. Liebe ist das, was innen überfließt und euch selbstvergessen
macht. Das ist ein Kriterium, um Liebe von Verhaftetsein zu unterscheiden. Von
dieser Liebe wird in den Schriften gesprochen. In der Regel sollte unsere Seele
also Gott lieben. Gott wohnt in jedem Herzen. Er ist die kontrollierende Kraft
in uns. Wenn sich unsere Seele von Gemüt, Materie und Sinnen befreit hat, wird
sie sich zu ihrem eigentlichen Ursprung, von dem sie ausgegangen ist, erheben.
Wenn man eine Kerze anzündet, strebt die Flamme nach oben – selbst wenn man sie
nach unten hält. So sollte sich die Liebe der Seele zur Überseele erheben. Wenn
sie an den Körper und den Sinnen gebunden bleibt, so ist das keine Liebe,
sondern Verhaftetsein. Das ist der Unterschied zwischen den beiden. Ihr
könnt Gott, den ihr nicht gesehen habt, nur lieben, wenn ihr euch auf seine
Ebene erhebt. Was müßt ihr also tun, wenn ihr Gott lieben wollt, während ihr im
Körper seid? Ihr müßt euch über das Körperbewußtsein erheben oder mit einem in
Verbindung kommen, in dem sich die Gotteskraft offenbart und dessen Seele vor Liebe
und Berauschung überfließt. Ihr solltet immer in die Augen des Meisters
schauen. Die Augen sind die Fenster der Seele. In welche Farbe eine Seele auch
gefärbt ist, diese Ausstrahlung wirkt auf uns ein. Ist es Gottesliebe und
Berauschung, werdet ihr durch die Augen dafür empfänglich werden. Das wird euch
Auftrieb geben und ihr werdet euren Körper vergessen. Wenn die Liebe euch im
Körper und an ihn gebunden hält, so ist das nicht Liebe, sondern Verhaftetsein.
Das ist der Unterschied zwischen beiden. Die Seele ist vom selben Wesen wie Gott – ein
Tropfen aus dem Meer aller Bewußtheit. Wir sind alle Brüder und Schwestern in
Gott. Diese kontrollierende Kraft wohnt in jedem Herzen. Schaut ihr von dieser
Ebene aus, gibt es kein Verhaftetsein. Ich erzählte euch eben eine Geschichte,
die dafür als Beispiel dient. Gott traf Moses und sagte zu ihm: „Moses, ich
hatte seht starkes Fieber, ich war krank und lag im Bett, und du hast dich
nicht um mich gekümmert.“ Moses fragte: „Gott, wie kannst du krank sein?“ „Ja, ich
war krank. Jenen Mann, der mich liebt, hast du nie besucht und nach seinen
Bedürfnissen gefragt. Wenn du mich liebtest, hättest du ihm geholfen. Liebe
kennt Dienen und Opfern; und du hättest mir damit gedient.“ Seht, Gott wohnt in
jedem Herzen. Was wir Liebe nennen, ist nicht Liebe, sondern Verhaftetsein und
entspringt der Selbstsucht oder den Sinnen, die euch nach außen ziehen und im
Körper halten. Wenn
ihr Gott liebt, wird euch die Verbindung mit der Seele von einem, der von Liebe
erfüllt ist, Auftrieb geben. Diese Liebe wird euch nach oben ziehen. Ihr werdet
euren Körper und die Umwelt vergessen. Die Meister sagen: „Immer, wenn ich den
Meister sehe, vergesse ich alles – Intellekt, Körper und Umwelt.“ eine Liebe,
die ihr zwar Liebe nennt, die euch aber im Körper hält, ist nicht Liebe,
sondern Verhaftetsein. Was Liebe ist, erkennt ihr, wenn ihr in die Augen von
einem schaut, der euch nach oben zieht und euch hilft, den Körper zu vergessen.
Deshalb rate ich immer: „Schaut nicht in die Augen anderer – es sei denn, in
die des Meisters.“ Sonst kann uns Begierde ergreifen. Sie greift uns durch die
Augen an. Wenn ihr in die Augen anderer Menschen schaut, die von Lust oder
anderen niederen Neigungen erfüllt sind, nehmt ihr ihren Einfluß durch die
Ausstrahlung auf. Schaut nur in die Augen von einem, in dem sich Gott offenbart
und ihr werdet gesegnet sein. Ich
denke da an eine Begebenheit im Ramayana- Epos, als Sita von Ravana entführt
wurde. Als sie weggeschleppt wurde, fiel ihr Schmuck auf die Erde. Als Rama auf
der Suche nach seiner Gemahlin den Schmuck fand, fragte er seinen jüngeren
Bruder Laxmann, der ihn begleitete, ob er ihn als den Schmuck seiner Schwägerin
erkenne. Laxmann erwiderte, daß er nur den Schmuck von ihren Füßen
wiedererkennen könne – nicht aber den von ihrem Haupt. Seht dieses höchste
Zeichen von Moral! Er kannte nur den Schmuck an den Füßen von Ramas Gemahlin.
Daraus können wir eine Lehre ziehen. Schaut anderen Menschen immer nur auf die
Füße, und ihr werdet nie von niederen Impulsen ergriffen. Wenn ihr doch in die
Augen von jemand schauen müßt, dann schaut in die Augen des Meisters. welche
von Liebe zu Gott erfüllt sind – sonst zieht es euch nach unten. Wenn ihr in
seine Augen schaut und alles andere vergeßt – das ist Liebe. Wenn ihr am Körper
hängt, besteht immer die Gefahr eines Sturzes. Ich weise euch da auf einen
feinen Unterschied hin, der nicht in Büchern steht. Die
Liebe ist also in euch, und wen sie gesammelt ist, fließt sie über. Wenn sie
mit der Überseele oder Gott in Verbindung kommt, fließt sie noch mehr über..
Das ist wie bei einem Rohr mit vielen Löchern, aus denen das hindurchfließende
Wasser Tropfen für Tropfen verrinnt. Wen ihr jedoch alle Löcher bis auf eines
verschließt, dann schießt das Wasser hervor. Jetzt wird unsere Seele ganz vom
Gemüt beherrscht, und unsere Liebe ist auf vieles verteilt. Auf unseren Körper,
unsere Kinder, unser Geld und auf Name und Ruhm. Wenn ihr eure Aufmerksamkeit
von allem äußeren zurückzieht und sie auf den einen Ausweg lenkt, nämlich auf
das Tor. das hinter den Augen liegt und das Zehnte Tor genannt wird, oder wenn
ihr euch durch Konzentration sammelt und dadurch mit der Seele von einem
verbindet, der von Liebe zu Gott erfüllt ist, dann erfahrt ihr einen starken
Auftrieb. Das ist Liebe, und dieses Kriterium könnt ihr immer benutzen, um
herauszufinden, wo ihr steht. Liebe zu Gott, der in jedem Herzen wohnt, das ist
es, was wir brauchen. Sein Wesen ist bereits in uns und er ist die
kontrollierende Kraft, die alle Menschen liebt. Wenn ihr alles dieser Liebe wegen
tut, dann gibt es kein Verhaftetsein. Wenn ihr dann anderen ins Gesicht schaut,
erhebt ihr euch und vergeßt die Welt. Wenn ihr es aber jetzt tut, bindet ihr
euch. Das ist keine Liebe. Liebe entsteht nicht durch Essen und Trinken – sie
ist unserer Seele bereits eingeboren. Wenn ihr euch sammelt, wird sie
überfließen. Das sind sehr schwierige Fragen, die in den Büchern nicht so
ausführlich beschrieben sind. Vermeidet also immer, in die Augen anderer zu
schauen. Wenn ihr überhaupt jemandem in die Augen schauen müßt, dann schaut
allein in die Augen des Meisters. Das wird euch vor Gefahren schützen. Ihr
kommt nur wegen des Meisters zum Satsang – und nicht wegen anderer. Es ist eine
Schule der Praxis, wo ihr all das haben könnt. Doch das könnt ihr nur, wenn ihr
in unmittelbare Verbindung mit der Seele gelangt, von der das ausgeht. Da seine
Seele von Liebe zu Gott erfüllt ist, werdet natürlich auch ihr von dieser Liebe
durchdrungen. Ihr werdet berauscht von ihr. Liebe ist also Liebe, wenn ihr
durch sie euren Körper und die äußeren Freuden vergeßt. Eure Seele wird wie die
Flamme einer Kerze nach oben streben, wenn sie die Seele von jenen berührt, die
von Liebe zu Gott erfüllt sind. Emerson sagte: „Wenn ich einen Menschen
anschaue, sehe ich Gott in seinen Augen leuchten.“ Von dieser Ebene aus solltet
ihr schauen – nicht von der Ebene der Sinne oder des Körpers. Nur durch Liebe
können wir Gott erkennen. Wer nicht liebt, der erkennt Gott nicht. Das ist mit
Liebe gemeint, aber wir halten Verhaftetsein für Liebe. Verhaftetsein ist nicht
Liebe, es ist eine mißverstandene Liebe. Die Liebe einer bewußten Wesenheit
sollte sich mit dem allbewußten Gott verbinden. Wenn ihr solch eine Liebe
empfindet, und sei es nur bei einer äußeres Bußübung oder einer anderen Form
von Andacht, dann seid ihr errettet. Sonst seid ihr gebunden. Liebt
also Gott, und da er in jedem Herzen wohnt, liebt alle – nicht ihres Körpers,
sondern ihrer Seele willen und weil die kontrollierende Kraft in ihnen wohnt,
die die Seele im Körper bewahrt. Dann seid ihr errettet. Wenn ihr anderen von
dieser Ebene aus dient, dann ist das ein Dienst an Gott. Das sagen alle
Meister. Der zehnte Guru der Sikhs sagte: „Wisset ihr alle, welcher Religion
ihr auch angehört: nur wer wirklich liebt, kann Gott erkennen.“ Gott ist Liebe
und durch die Liebe allein vermögt ihr Gott zu erkennen. Das ist ein sehr
schwieriges Thema und obwohl es in Büchern gestreift wird, wird es doch nicht
ausführlich erklärt. Nun könnt ihr täglich von eurer Ebene aus prüfen, ob ihr
wirklich Liebe empfindet. Eine solche Liebe wird euch alle lieben lassen und
euch nicht binden. Diese Liebe fließt in euch über, wenn ihr mit einer Seele in
Berührung kommt, die berauscht ist, so würde ich sagen, von Liebe zu Gott.
Diese Liebe wird euch nicht körperlich binden, sondern den Körper vergessen
lassen. |