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Liebe im Gegensatz zu Verhaftetsein

 

 Liebe – dieses Wort hören wir aus aller Munde. Aber was ist Liebe? Gott ist Liebe und unsere Seele ist ihm wesensgleich. Wir sind auch verkörperte Liebe. Die Liebe ist unserer Seele eingeboren. Sie strahlt aus und sollte mit der Überseele verbunden werden, die wir Gott oder Paramatma nennen. Anstatt aber unsere Seele mit Gott zu verbinden, haben wir sie an beseelte Körper gebunden, und das nennt man Verhaftetsein. Liebe ist das, was innen überfließt und euch selbstvergessen macht. Das ist ein Kriterium, um Liebe von Verhaftetsein zu unterscheiden. Von dieser Liebe wird in den Schriften gesprochen. In der Regel sollte unsere Seele also Gott lieben. Gott wohnt in jedem Herzen. Er ist die kontrollierende Kraft in uns. Wenn sich unsere Seele von Gemüt, Materie und Sinnen befreit hat, wird sie sich zu ihrem eigentlichen Ursprung, von dem sie ausgegangen ist, erheben. Wenn man eine Kerze anzündet, strebt die Flamme nach oben – selbst wenn man sie nach unten hält. So sollte sich die Liebe der Seele zur Überseele erheben. Wenn sie an den Körper und den Sinnen gebunden bleibt, so ist das keine Liebe, sondern Verhaftetsein. Das ist der Unterschied zwischen den beiden.

Ihr könnt Gott, den ihr nicht gesehen habt, nur lieben, wenn ihr euch auf seine Ebene erhebt. Was müßt ihr also tun, wenn ihr Gott lieben wollt, während ihr im Körper seid? Ihr müßt euch über das Körperbewußtsein erheben oder mit einem in Verbindung kommen, in dem sich die Gotteskraft offenbart und dessen Seele vor Liebe und Berauschung überfließt. Ihr solltet immer in die Augen des Meisters schauen. Die Augen sind die Fenster der Seele. In welche Farbe eine Seele auch gefärbt ist, diese Ausstrahlung wirkt auf uns ein. Ist es Gottesliebe und Berauschung, werdet ihr durch die Augen dafür empfänglich werden. Das wird euch Auftrieb geben und ihr werdet euren Körper vergessen. Wenn die Liebe euch im Körper und an ihn gebunden hält, so ist das nicht Liebe, sondern Verhaftetsein. Das ist der Unterschied zwischen beiden.

 Die Seele ist vom selben Wesen wie Gott – ein Tropfen aus dem Meer aller Bewußtheit. Wir sind alle Brüder und Schwestern in Gott. Diese kontrollierende Kraft wohnt in jedem Herzen. Schaut ihr von dieser Ebene aus, gibt es kein Verhaftetsein. Ich erzählte euch eben eine Geschichte, die dafür als Beispiel dient. Gott traf Moses und sagte zu ihm: „Moses, ich hatte seht starkes Fieber, ich war krank und lag im Bett, und du hast dich nicht um mich gekümmert.“ Moses fragte: „Gott, wie kannst du krank sein?“ „Ja, ich war krank. Jenen Mann, der mich liebt, hast du nie besucht und nach seinen Bedürfnissen gefragt. Wenn du mich liebtest, hättest du ihm geholfen. Liebe kennt Dienen und Opfern; und du hättest mir damit gedient.“ Seht, Gott wohnt in jedem Herzen. Was wir Liebe nennen, ist nicht Liebe, sondern Verhaftetsein und entspringt der Selbstsucht oder den Sinnen, die euch nach außen ziehen und im Körper halten.

Wenn ihr Gott liebt, wird euch die Verbindung mit der Seele von einem, der von Liebe erfüllt ist, Auftrieb geben. Diese Liebe wird euch nach oben ziehen. Ihr werdet euren Körper und die Umwelt vergessen. Die Meister sagen: „Immer, wenn ich den Meister sehe, vergesse ich alles – Intellekt, Körper und Umwelt.“ eine Liebe, die ihr zwar Liebe nennt, die euch aber im Körper hält, ist nicht Liebe, sondern Verhaftetsein. Was Liebe ist, erkennt ihr, wenn ihr in die Augen von einem schaut, der euch nach oben zieht und euch hilft, den Körper zu vergessen. Deshalb rate ich immer: „Schaut nicht in die Augen anderer – es sei denn, in die des Meisters.“ Sonst kann uns Begierde ergreifen. Sie greift uns durch die Augen an. Wenn ihr in die Augen anderer Menschen schaut, die von Lust oder anderen niederen Neigungen erfüllt sind, nehmt ihr ihren Einfluß durch die Ausstrahlung auf. Schaut nur in die Augen von einem, in dem sich Gott offenbart und ihr werdet gesegnet sein.

Ich denke da an eine Begebenheit im Ramayana- Epos, als Sita von Ravana entführt wurde. Als sie weggeschleppt wurde, fiel ihr Schmuck auf die Erde. Als Rama auf der Suche nach seiner Gemahlin den Schmuck fand, fragte er seinen jüngeren Bruder Laxmann, der ihn begleitete, ob er ihn als den Schmuck seiner Schwägerin erkenne. Laxmann erwiderte, daß er nur den Schmuck von ihren Füßen wiedererkennen könne – nicht aber den von ihrem Haupt. Seht dieses höchste Zeichen von Moral! Er kannte nur den Schmuck an den Füßen von Ramas Gemahlin. Daraus können wir eine Lehre ziehen. Schaut anderen Menschen immer nur auf die Füße, und ihr werdet nie von niederen Impulsen ergriffen. Wenn ihr doch in die Augen von jemand schauen müßt, dann schaut in die Augen des Meisters. welche von Liebe zu Gott erfüllt sind – sonst zieht es euch nach unten. Wenn ihr in seine Augen schaut und alles andere vergeßt – das ist Liebe. Wenn ihr am Körper hängt, besteht immer die Gefahr eines Sturzes. Ich weise euch da auf einen feinen Unterschied hin, der nicht in Büchern steht.

Die Liebe ist also in euch, und wen sie gesammelt ist, fließt sie über. Wenn sie mit der Überseele oder Gott in Verbindung kommt, fließt sie noch mehr über.. Das ist wie bei einem Rohr mit vielen Löchern, aus denen das hindurchfließende Wasser Tropfen für Tropfen verrinnt. Wen ihr jedoch alle Löcher bis auf eines verschließt, dann schießt das Wasser hervor. Jetzt wird unsere Seele ganz vom Gemüt beherrscht, und unsere Liebe ist auf vieles verteilt. Auf unseren Körper, unsere Kinder, unser Geld und auf Name und Ruhm. Wenn ihr eure Aufmerksamkeit von allem äußeren zurückzieht und sie auf den einen Ausweg lenkt, nämlich auf das Tor. das hinter den Augen liegt und das Zehnte Tor genannt wird, oder wenn ihr euch durch Konzentration sammelt und dadurch mit der Seele von einem verbindet, der von Liebe zu Gott erfüllt ist, dann erfahrt ihr einen starken Auftrieb. Das ist Liebe, und dieses Kriterium könnt ihr immer benutzen, um herauszufinden, wo ihr steht. Liebe zu Gott, der in jedem Herzen wohnt, das ist es, was wir brauchen. Sein Wesen ist bereits in uns und er ist die kontrollierende Kraft, die alle Menschen liebt. Wenn ihr alles dieser Liebe wegen tut, dann gibt es kein Verhaftetsein. Wenn ihr dann anderen ins Gesicht schaut, erhebt ihr euch und vergeßt die Welt. Wenn ihr es aber jetzt tut, bindet ihr euch. Das ist keine Liebe. Liebe entsteht nicht durch Essen und Trinken – sie ist unserer Seele bereits eingeboren. Wenn ihr euch sammelt, wird sie überfließen. Das sind sehr schwierige Fragen, die in den Büchern nicht so ausführlich beschrieben sind. Vermeidet also immer, in die Augen anderer zu schauen. Wenn ihr überhaupt jemandem in die Augen schauen müßt, dann schaut allein in die Augen des Meisters. Das wird euch vor Gefahren schützen.

Ihr kommt nur wegen des Meisters zum Satsang – und nicht wegen anderer. Es ist eine Schule der Praxis, wo ihr all das haben könnt. Doch das könnt ihr nur, wenn ihr in unmittelbare Verbindung mit der Seele gelangt, von der das ausgeht. Da seine Seele von Liebe zu Gott erfüllt ist, werdet natürlich auch ihr von dieser Liebe durchdrungen. Ihr werdet berauscht von ihr. Liebe ist also Liebe, wenn ihr durch sie euren Körper und die äußeren Freuden vergeßt. Eure Seele wird wie die Flamme einer Kerze nach oben streben, wenn sie die Seele von jenen berührt, die von Liebe zu Gott erfüllt sind. Emerson sagte: „Wenn ich einen Menschen anschaue, sehe ich Gott in seinen Augen leuchten.“ Von dieser Ebene aus solltet ihr schauen – nicht von der Ebene der Sinne oder des Körpers. Nur durch Liebe können wir Gott erkennen. Wer nicht liebt, der erkennt Gott nicht. Das ist mit Liebe gemeint, aber wir halten Verhaftetsein für Liebe. Verhaftetsein ist nicht Liebe, es ist eine mißverstandene Liebe. Die Liebe einer bewußten Wesenheit sollte sich mit dem allbewußten Gott verbinden. Wenn ihr solch eine Liebe empfindet, und sei es nur bei einer äußeres Bußübung oder einer anderen Form von Andacht, dann seid ihr errettet. Sonst seid ihr gebunden.

Liebt also Gott, und da er in jedem Herzen wohnt, liebt alle – nicht ihres Körpers, sondern ihrer Seele willen und weil die kontrollierende Kraft in ihnen wohnt, die die Seele im Körper bewahrt. Dann seid ihr errettet. Wenn ihr anderen von dieser Ebene aus dient, dann ist das ein Dienst an Gott. Das sagen alle Meister. Der zehnte Guru der Sikhs sagte: „Wisset ihr alle, welcher Religion ihr auch angehört: nur wer wirklich liebt, kann Gott erkennen.“ Gott ist Liebe und durch die Liebe allein vermögt ihr Gott zu erkennen. Das ist ein sehr schwieriges Thema und obwohl es in Büchern gestreift wird, wird es doch nicht ausführlich erklärt. Nun könnt ihr täglich von eurer Ebene aus prüfen, ob ihr wirklich Liebe empfindet. Eine solche Liebe wird euch alle lieben lassen und euch nicht binden. Diese Liebe fließt in euch über, wenn ihr mit einer Seele in Berührung kommt, die berauscht ist, so würde ich sagen, von Liebe zu Gott. Diese Liebe wird euch nicht körperlich binden, sondern den Körper vergessen lassen.

 

 


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