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Wie wir Gott lieben sollen

 

 Gestern erklärte ich euch, wie Liebe zu Verhaftetsein herabsinkt. Liebe ist das Wesen der Seele. Sie muß sich mit der Überseele verbinden. Wenn sie sich an den Körper und die äußere Umgebung hängt, sinkt sie herab und wird Verhaftetsein genannt. Gestern wurde erklärt, wie wir auf dem Weg zu Gott aufgehalten und nach unten abgelenkt werden, statt in die rechte Richtung zu gehen. Das heutige Thema ist nicht, was Liebe bedeutet und wie sie herabsinkt, sondern wie wir Liebe üben sollten. Sie ist bereits in uns. Auch wir sind verkörperte Liebe. Wir sind tropfen aus dem Meer aller Liebe. Diese Liebe sollte sich also, wie ich euch gestern sagte, Gott zuwenden. Oder wenn ihr Gott noch nicht gesehen habt, solltet ihr sie dem menschlichen Körper hingeben, der von Liebe zu Gott überfließt. Wenn ihr zum Beispiel einen Rechtsanwalt seht,  denkt ihr an Gerichtshöfe und die Fälle, die dort verhandelt werden. Seht ihr einen Arzt, dann wird eure Aufmerksamkeit auf Medikamente, Kranke oder Krankenhäuser gelenkt. Ähnlich ist es, wenn ihr einen Menschen seht, der auf dem Weg ist. Eure Aufmerksamkeit richtet sich dann auf die Arbeit, die er vollbringt. Der Meister oder Heilige ist ein Arbeiter in der Ernte Gottes. Die Ernte ist groß und Arbeiter werden gebraucht. Wenn ihr an ihn denkt, denkt ihr immer an Gott. Das ergibt sich ganz von selbst. Deshalb solltet ihr immer an den Meister denken. Er ist das Urbild Gottes auf Erden, und Gott ist in ihm. Er ist natürlich auch in euch, aber nicht offenbart. Im menschlichen Körper des Meisters jedoch ist er offenbart. Der Meister liebt selbst seine Feinde, denn er liebt natürlich alle, auch jene, die schlecht von ihm sprechen. Er liebt den schlimmsten Sünder – um ihn auf die Ebene wahren Menschseins und dann auf die Ebene Gottes zu erheben. Ihr solltet Gott lieben, aber das könnt ihr erst, wenn ihr ihn seht. Daher ist die Liebe zum menschlichen Körper oder zum Meister, in dem er sich offenbart, Liebe zu Gott. Wenn ihr ihn seht, seht ihr Gott. Wie Christus sagte: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ Das gleiche haben alle früheren Meister gesagt. Ihre Sprache war eine andere, aber sie sagten dasselbe. Wenn ihr also einen Meister seht, dann nehmt ihn nicht für einen Menschensohn, sondern seht Gott in ihm. Nur dann werdet ihr errettet, und eure Liebe zu Gott wird überfließen. Wenn ihr ihn jedoch als euresgleichen seht, dann...? Auch wenn ihr einen guten Menschen in ihm seht, könnt ihr nur Güte von ihm erhalten. Nur wenn ihr an den Meister als Urbild Gottes auf Erden denkt, als Gott in ihm offenbart, dann ist euer Inneres von wirklichem Denken an Ihn erfüllt. Gewöhnlich vergißt man sich selbst, wenn man ständig an jemanden denkt. Ich habe eben eine Begebenheit aus dem Leben Guru Nanaks erzählt. Er wog Weizen ab in dem Laden, wo er beschäftigt war, und als er zu dem Wort ‚Tera‘ kam, das sowohl ‚dreizehn‘ als auch ‚dein‘ bedeutet, wurde er ganz berauscht und wiederholte immer wieder: „Ich bin dein, ich bin dein“, bis er alles Getreide hergegeben hatte. Wer Gott liebt, dessen Liebe fließt natürlich über. Solch ein Schüler geht im Meister auf. Wie Paulus gesagt hat: „Ich bin es, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Genau das gleiche haben auch Heilige in anderen Ländern gesagt. Einer von ihnen sagte: „Ich bin so von meinem Meister erfüllt, daß ich vergessen habe, ob ich es bin oder er es ist.“ Das gleiche haben fast alle Heilige zum Ausdruck gebracht – natürlich in ihrer eigenen Sprache. Sie mögen es ein wenig anders gesagt haben, aber sie meinten dasselbe. Wenn ihr nun so liebt und den Meister seht, dann seht ihr nicht mehr seinen Körper, sondern Gott in ihm. Das ist dann auch die wahre Liebe zu Gott. Ich habe euch vorhin einige Beispiele genannt: wenn ihr einen Anwalt seht, so denkt ihr an Gerichte, und wenn ihr einen Arzt seht, an Krankenhäuser, Kranke und Medikamente. Ähnlich denkt ihr natürlich an Gott, wenn ihr einen Heiligen seht, denn der Meister ist das Urbild der Erinnerung an Gott. Er fließt über von Liebe zu Gott. Maulana Rumi sagt: „Wenn ihr einen Meister annehmt, dann nehmt ihr auch Gott und den Propheten in ihm an.“ Wenn ihr das Vorwort eines Buches lest, erfahrt ihr seinen Inhalt in zusammengefaßter Form. Wenn ihr dann das ganze Buch gelesen und verstanden habt, stellt ihr fest, daß man es auch durch sein Vorwort verstehen kann. Wenn ihr nun einen Meister seht, lest ihr das Vorwort zu Gott.

Diese Beispiele zeigen: wenn ihr den Meister seht, dann seht ihr Gott in ihm. einen solchen Gott- im- Menschen findet man nur durch Gottes Gnade. Wenn ihr euch mit Gott verbinden wollt und euch danach sehnt, Ihm zu begegnen, dann trifft er Vorkehrungen, euch zu dem menschlichen Körper zu führen, in dem Er sich offenbart. Ich gab euch das Beispiel eines Schülers von einem Heiligen namens Bheek. Er ging so in seinem Meister auf, daß er immer nur an Bheek dachte – nicht an Gott, sondern an Bheek. Er sah seinen Meister als das Urbild Gottes auf Erden an. Er wiederholte nicht die fünf Namen, sondern nur Bheek, den Namen des Meisters. Das ist nur natürlich. Er sah Gott in ihm, nicht den Menschensohn. Er wiederholt unablässig: „O Bheek, O Bheek.“ Er lebte zur Zeit der mohammedanischen Herrschaft in Indien. Die Mohammedaner fragten ihn: „Wer ist dein Gott?“ Er antwortete: „Mein Gott ist Bheek; mein Meister ist Gott.“ „Wer ist sein Prophet?“ „Mein Bheek ist der Prophet.“ Das zu sagen, verstieß gegen das mohammedanische Gesetz, und so verurteilte man ihn zum Tode. Solche Fälle, wie ein Todesurteil, kamen zur endgültigen Genehmigung vor den König. Als diesem der Fall vorgelegt wurde, sah er, daß die Augen von Bheeks Schüler ganz berauscht waren. „Nur, wer ist dein Gott?“ fragte der König. „Mein Bheek ist mein Gott.“ „Wer ist dein Prophet?“ „Mein Bheek ist mein Prophet.“ Der König sagte zu seinen Leuten: „Laßt den Mann los, nehmt es ihm nicht übel.“ Sie sagten, er würde davonlaufen. „Nein, nein“, sagte der König. Er wandte sich an Bheeks Schüler und sagte: „Schau, wir haben seit einigen Monaten eine große Dürre in unserem Land. Würdest du freundlicherweise deinen Bheek um etwas Regen bitten, damit wir mehr Getreide anbauen können?“ „O ja, ich werde ihn darum bitten“, antwortete Bheeks Schüler. Seht ihr – gerade wie ein Kind, das alles Vertrauen in die Mutter setzt. Es hat nicht den geringsten Zweifel daran, daß ihm die Mutter geben kann, wonach er verlangt. „Gut, wann kommst du zurück?“ fragte der König. „Ich komme in ein oder zwei Tagen wieder“, antwortete Bheeks Schüler. Am nächsten Tag ging über dem ganzen Land heftiger Regen nieder. Am dritten Tag kam Bheeks Schüler zurück. Der König sagte: „Dank deinem Bheek haben wir genügend Regen. Das war sehr freundlich von dir und deinem Bheek.“ Dann bot der König dem Schüler Bheeks die Einkünfte von einundzwanzig Dörfern für seinen Meister an. Dieser lehnte das Geld ab und sagte: „Das ist etwas Materielles. Ich werde das meinem Gott nicht bringen. Er braucht es nicht.“

 Wenn ihr so an Gott denkt, werdet ihr ihn wahrhaft lieben. Wie die Nadel eines Kompasses immer nach Norden weist, auch wenn ihr ihn schüttelt, so solltet ihr bei weltlichen Angelegenheiten – bei allem, was ihr tut – stets liebevoll an Gott denken. Den Menschensohn anzuschauen, der von Liebe zu Gott überfließt, heißt Gott zu begegnen. Das ist die wahre Sachlage. All die sogenannten Meister sind natürlich keine. Wie kann man dann einen Meister erkennen? Das einzige Kennzeichen besteht darin, daß er fähig ist, euch eine Erfahrung davon zu geben, wie man sich eine Zeitlang über das Körperbewußtsein erhebt, um euch damit etwas zu verleihen, mit dem ihr beginnen könnt. große Versammlungen und Werbung kann man mit sehr einfachen Methoden, mit Geld und anderem organisieren. Man kann fünf oder sechs Leute anstellen, die herumreisen und verkünden, daß ihr Meister Gott ist, und sie dafür bezahlen. Einen wahren Meister findet man nur durch die Gnade Gottes. Wer sich nach Gott sehnt, findet den Meister. Gott ist in euch; und er trifft Vorkehrungen, euch mit Gott, der sich in einem menschlichen Körper offenbart, in Berührung zu bringen – denn nur ein Mensch kann den Menschen lehren. Eine solche Liebe läßt euch an Gott denken und nicht an das Gesicht des Meisters oder seine Kleidung. Ich erinnere mich an einen Schüler, der vierzig Jahre bei meinem Meister lebte. Er diente dem Meister und wohnte in seinem Haus. Eines Tages bat ihn der Meister, in eines der Zimmer im Haus zu gehen und ein bestimmtes Buch aus einem der Schränke zu holen. Der Schüler mußte fragen, welchen Schrank in welchem Zimmer der Meister meinte. Stellt euch vor, wie sehr er in den Meister versunken war, daß er nicht einmal wußte, welcher Schrank in welchem Zimmer stand, obwohl er im Haus des Meisters lebte. Das ist ein gutes Beispiel dafür. eine solche Liebe läßt euch in ihm aufgehen. Die Liebe zum Meister ist die Liebe zu Gott. Es bleibt die Frage, wie man einen wahren Meister erkennen kann. Es gibt so viele Meister. Das einzige Kennzeichen ist die Fähigkeit, euch etwas zu geben, mit dem ihr beginnen könnt – nicht nur die bloße Wiederholung gewisser Dinge oder bestimmte äußere Methoden der Verehrung. Der wahre Meister wird euch ein wenig Auftrieb geben, ein Anfangskapital – es kann wenig oder mehr sein. Das hängt vom Hintergrund des einzelnen ab. Aber jeder muß etwas erhalten – auch ein Blinder. Und er erhält es auch, wenn er um die Initiation bittet. Einmal kam ein Mann aus Amritsar. Nachdem er die halbe Initiation erhalten hatte, stand er auf und sagte, er habe viele Zweifel. Ich sagte ihm, er solle gehen und sich Zeit nehmen, sie zu klären. Abends kam er wieder, und ich ersuchte ihn, all sein Wissen für eine Weile zu vergessen, sich hinzusetzen und wie ein unwissendes Kind zu sein. Er erhielt die beste Erfahrung von allen. Er fragte dann, ob das Sehen von Licht bei der Initiation während des Tages vielleicht vom Tageslicht draußen käme. Ich antwortete: „Gut, aber hier neben dir sitzt  ein Blinder, und er sah auch das Licht.“ wir müssen also das innere Licht sehen. Christus sagte: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis.“ Das sagen alle Meister, und wenn ihr einen Satguru findet, dann seht ihr innen und außen Licht. Wenn sich dieses Licht entwickelt, dann seht  ihr es auch außen.

Das heutige Thema war: „Wie wir Gott oder den Meister lieben sollen.“ Die Liebe Gottes offenbart sich im Meister, wie er auch alle Eigenschaften Gottes im Miniaturmaßstab in sich trägt, da sich Gott in ihm widerspiegelt. Er ist das Urbild Gottes auf Erden.

 

 

 


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