WAS BEWIRKT SHABD?

 

Shabd ist alle Bewusstheit. Er ist eine Woge im Meer des Bewusstseins. Der Mensch ist ein Tropfen vom Meer Gottes, und beide sind vom selben Geist. Während der Eine das Meer ist, ist das andere die Woge, und der dritte ist ein Tropfen des Allbewussten Gottes. Die Woge des bewussten „Shabd“ kann nicht anders, als gleich einem mächtigen Magnet den bewussten Tropfen des Geistes an sich zu ziehen. Der Geist findet keine Ruhe, solange er nicht, vom Tonstrom getragen, die himmlische Heimat seines Vaters erreicht und Erlösung erlangt. Der Ton wogt in aller Fülle, und der Geist braucht sich ihm nur zu verbinden, um sich über alle Grenzen hinwegzusetzen und sich in die grenzenlose Ewigkeit zu erheben.

Surat und Shabd sind natürlich miteinander verwandt. Shabd ist durch das Licht- und Tonprinzip gekennzeichnet, durch welches das Gemüt ruhig wird. Und der Geist, befreit von den Griffen des ersteren, wird unweigerlich von Shabd angezogen und in seine ursprüngliche Heimstatt gebracht, von welcher der Tonstrom ausgeht. Auf der anderen Seite können diejenigen, welche Übungen aufnehmen, die pranas einschließen, nicht über die Grenzen der pranas hinausgelangen, die sich bis zum mentalen oder astralen Himmel, der als Chidakash bekannt ist, erstrecken. Einer, der Shabd übt, kann frei, offen und ehrenvoll gehen, wohin immer er will, weil Shabd alles durchdringt, ohne irgendwelche Begrenzungen, und kann die wahre Heimat seines Vaters erreichen.

Mein Gott ist zu jeder Zeit überall und offenbart sich durch die Praxis von Shabd.

Gujri War M. 3

Shabd ist das Mittel, mit dem man Gott findet. Eine Verbindung mit Shabd bedeutet eine Verbindung mit Gott.

Eine Verbindung mit dem Wort ist eine Verbindung mit Gott; und alle Bestrebungen werden dann mit Erfolg gekrönt.

Shabd ist der einzige Weg, der zum wahren König führt:

In der lebendigen Seele ist das Leben des Lebens (Shabd), das zum Türhüter des großen Königs wird.

Sarang War M. 4

Shabd ist der Weg, der zur Wirklichkeit führt. Er ist das Boot, welches die Seele heil durch das Meer der Materie zur Wohnstatt des Herrn bringt.

Der absolute Gott und der Geist zusammen mit Shabd, dem Bindeglied zwischen beiden, bilden die heilige Dreieinigkeit; denn dieselbe Kraft Gottes wirkt gleichzeitig in allen dreien. Der Geist im Menschen hat keine getrennte, von Gott unabhängige Existenz.

O Kabir! Der Geist ist vom Wesen Gottes.

Gond Kabir

Obgleich alle Geisteswesen von einer Wirklichkeit sind, empfindet doch jedes einzelne seine gesonderte Existenz.

Sach Khand, oder das Himmelreich, liegt in uns, aber ohne die rechte Führung kann es keiner betreten. Um dort Einlass zu bekommen, müssen wir umkehren und zu einem Kind voller Unschuld und Reinheit werden, denn dann können wir die rettende Lebensschnur von Shabd ergreifen, die uns gottwärts leitet. Durch die Verbindung mit Shabd werden wir frei von Freude und Leid, Gemüt und Materie und erheben uns über die Gegensätzlichkeit, um Befreiung vom Zyklus der Geburten und Tode zu erlangen.

Shabd ist der lebendige und bewusste Lebensstrom Gottes, der die Welt geschaffen hat und sie auch erhält. Es ist die eingelegte Saat, die sich zu einem mächtigen Baum entwickelt hat, der voll von vielfarbigen Blüten und Früchten ist. Alles, was jetzt ist, wird in Ewigkeit sein, und was auch immer aus dem Dasein scheidet, geht in die Ewigkeit ein. Alles liegt in der großen Tiefe und erhebt sich vorübergehend an die Oberfläche in Form von Flut, Wogen, Wellengekräusel, Strudel und dergleichen, die vor unseren Augen erscheinen und wieder verschwinden; es ist der Ungeoffenbarte, der Sich Selbst in so vielen Formen und Mustern offenbart.

Shabd ist die Grundursache der Schöpfung, und die Schöpfung ist eine Folgeerscheinung von Shabd. Alles, was aus den Wurzeln hervorsprießt, ist bereits in konzentrierter Form in ihnen, und wenn die Zeit reif ist, beginnt es zu wachsen und Frucht zu tragen. Wenn ein Sonnenstrahl auf eine polierte Fläche fällt, wird auf ihr die Sonne widerspiegelt. Auf dieselbe Weise wird das Gemüt, wenn es geläutert und von jeder Spur der „Ichheit“ frei ist, das innere Licht Gottes widerstrahlen; denn genau wie der Sonnenstrahl sich von der Sonne selbst nicht unterscheidet, kann auch der Geist, der nicht anderes als ein Strahl Gottes ist, nicht von Gott unterscheiden werden, und durch richtige Schulung und Führung in der Wissenschaft von Shabd oder dem Wort offenbart er die verborgene Kraft Gottes.

Shabd (Dhun-Atmak) ist das wahre, uranfängliche Wort, wie Johannes in seinem Evangelium lehrt. Es ist verantwortlich für die verschiedenen großen Aufteilungen, Einteilungen und Unterteilungen des Universums, von der höchsten spirituellen Region bis hinunter zur physischen Welt, in der wir leben. Von Gott ausgehend, bewirkt der Geistesstrom die Wunder der Schöpfung und erhält und überwacht sie bis ins kleinste. Die Praxis des Tonstromes, wie sie durch die Meister zu allen Zeiten und in allen Himmelsgegenden gelehrt wurde, ist die höchste Religion und verleiht die höchste Gnade, nämlich die Befreiung von der Knechtschaft des Gemüts und der Materie während der Lebenszeit. Doch die Verbindung mit Shabd kann nur durch die Gnade eines Meisters des Tonstroms hergestellt werden; auf andere Weise ist es nicht möglich.

Shamaz-i-Tabrez, ein Moslem-Heiliger, sagt von Shabd:

Es erhebt sich in Ton (Nida), er kommt weder von innen noch von außen, weder von rechts, noch von links; nicht von hinten und nicht von vorne; er kommt weder von unten, noch von oben, nicht von Osten und nicht von Westen; er besteht auch nicht aus Elementen, wie Wasser, Luft, Feuer, Erde und dergleichen. Woher kommt er dann? Er kommt von dem Ort, nach dem du suchst. So wende dich dem Ort zu, von wo der Herr in Erscheinung tritt. Von wo ein ruheloser Fisch, der nicht im Wasser ist, dieses erhält, damit er leben kann; von dem Ort, an dem Prophet Moses das göttliche Licht gesehen hat; von dort, woher die Früchte die sie zur Reife bringende Einwirkung erhalten; von dem Ort, an dem Steine in Juwelen verwandelt werden; von dem Ort, dem sich selbst der Ungläubige in der Not zuwendet; von dem Ort, nach dem alle Menschen Ausschau halten, wenn sie diese Welt als ein Jammertal erkennen.
Es ist uns nicht gegeben, diesen gesegneten Ort zu beschreiben. Er ist ein Ort, an dem Selbst die Ketzer ihre Ketzerei lassen.

Wahrlich, Shabd kommt aus der Richtung, in welche die Seele zu gehen hat. Ohne Shabd bleibt sie völlig hilflos im Dunkel.

Ohne die Hilfe von Shabd wandert die Seele in blinder Unwissenheit umher und findet keinen Ausweg.

Kabir

Alle Weisen und Seher haben sich immer auf Shabd als das einzige Mittel zur Erlösung berufen. Aber man kann keinen Halt bekommen an der Lebensschnur des Tonstromes, ohne die Initiation in die esoterischen Lehren der Meister durch eine kompetente, lebende Meisterseele zu erhalten und ohne den Prozess des Zurückziehens der Seele zu dem stillen Punkt im Körper, zwischen und hinter den Augenbrauen zu üben. Dieser reicht von der Peripherie des Lebens bis zum Zentrum des Lebens, und von hier aus schreitet die Seele unter der Führung des Tonprinzips weiter in ihre Heimat, die Wohnstatt Gottes, zu der Quelle und dem Ursprung der göttlichen Melodie.

Somit leitet uns Shabd zu einem ganz neuen Leben – dem Leben des Geistes, das anders ist als das Leben des Fleisches. Auch Christus lehrte von diesem neuen Leben, das unsere christlichen Brüder im Verlaufe der Zeit vergessen haben.

 Johannes sagt in seinem Evangelium:

Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen. Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist. Lass dich’s nicht wundern, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden.

Der Wind bläset, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, von wannen er kommt, und wohin er fähret. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist.

3, 3 – 8

Und in Hesekiel lesen wir:

Und ich will euch ein neu Herz, und einen neuen Geist in euch geben, und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen, und euch ein fleischern Herz geben.

36, 26

Dieses neue Leben des Geistes beginnt am Tag der Initiation in die Mysterien des Geistes, man mag es nennen wie man will: „Deekshit“, wie die Hindus; „Baet“, wie die Moslems; „Taufe“, wie die Christen, und „Pahul“ wie die Sikhs. Die vedischen Seher nannten es „Duev Janama“, was buchstäblich die zweite Geburt bedeutet. Das Leben des Geistes beginnt nicht durch theoretische Erklärungen der spirituellen Wissenschaft, sondern mit einem praktischen Beweis auf der spirituellen Ebene des offenbarten Geistesstromes. Hier wird der unsichtbare und unhörbare Lebensstrom dem Geist im Innern sichtbar und hörbar und verwandelt den Atheisten in einen Theisten im wahren Sinne des Wortes. Er überträgt den Lebensimpuls und lässt ihn in jeder Pore des Körpers pulsieren. Diese Rückkehr der Seele zur Verwirklichung ihrer wahren Natur und das Aufsteigen ins Universale oder Kosmische Bewusstsein jenseits der Schranken der Endlichkeit, ist die wahre Auferstehung oder die Erfahrung einer neuen Geburt und eines neuen Lebens. Im Körper zu sterben während des Lebens heißt zu leben im Geiste.

Der heilige Paulus sagt:

...ich bin mit Christo gekreuziget. Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir.

Galater 2, 20

Das Leben des Fleisches und das Leben des Geistes sind zwei gänzlich verschiedene und getrennte Dinge, von denen eines das andere ausschließt. Darum heißt es:

Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.

Matth. 10, 39

Guru Nanak sagt darüber:

Die Geburt im Meister befreit vom Zyklus der Seelenwanderung.

Ramkali M. 1

Die Moslems nennen dies Fana-fil-Sheikh oder „Tod im Meister“, was das gleiche ist wie „Geburt im Meister“, denn dieser Tod ist der Beginn eines neuen Lebens.

So nimmt uns Shabd aus der Unwissenheit heraus, welche Gemüt und Materie kennzeichnen; reinigt uns durch und durch und gibt uns ein neues Leben – das Leben des Geistes, welches unwandelbar und ewig ist, da man dann ein für allemal vom Körper und den körperlichen Bindungen losgelöst ist und die genaue Welt ohne Hilfe der äußeren Augen sieht.

Die Verbindung mit dem allesdurchdringenden Wort des Meisters ist von größtem Nutzen, sie bringt einen in seine Heimat, wo er das Elixier des Lebens trinkt und die neue Welt ohne Hilfe der äußeren Augen sieht.

Nut M. 4

Die frühen Morgenstunden sind die beste Zeit für die Praxis des Tonstromes, denn dann ist man frisch durch die nächtliche Ruhe, und die Gedanken sind noch nicht bei den Pflichten des physischen Lebens.

In den frühen Morgenstunden verbinde dich mit dem Wort und lasse alle Bindungen beiseite; Nanak will der Sklave Seiner Sklaven sein, die dem Wort ergeben sind und das gewonnen haben, was für die Welt verloren ist.

Parbhati M. 1

Zur ambrosischen Stunde der frühen Dämmerung verbinde dich mit dem göttlichen Wort und meditiere über Seine Herrlichkeit.

Jap Ji Vers 4

 

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