DIE INNEREN WOHLKLINGENDEN MELODIEN

 

Die ursprüngliche Form Gottes ist das Tonprinzip; Myriaden Töne erklingen an Seinem Tor allezeit und ohne Unterlass.

Wie glücklich bin ich, den Herrn zum Freund und Begleiter zu haben, denn endlose Symphonien erklingen allezeit an Seinem Tor.

Bilawal M. 5

Durch Shabd kam die Schöpfung samt ihrer verschiedenen Aufteilungen und Unterteilungen ins Sein. Jede Abteilung hat ihre eigenen wohlklingende Töne, die man vernimmt, wenn man sich von einer höheren Ebene zur anderen erhebt. Alle Heiligen haben ins einzelne gehende Berichte über diese Töne gegeben, und besonders um Gurbani finden sich über dieses Thema vollendete Darstellungen.

Es ist allgemein bekannt, dass die Hindus, wenn sie einen Tempel aufsuchen, die große Glocken anschlagen, die über den Eingang hängen. Die christlichen Kirchen sind alle mit einem Glockenstuhl ausgestattet, und vor Beginn des Gottesdienstes werden die Glocken geläutet. In den früheren Sikh-Tempeln wurde entweder ein Muschelhorn geblasen oder der Gong geschlagen, aber jetzt wurden sie durch eine große Trommel (Nakara) ersetzt. Eine sorgfältige Nachforschung über dieses Thema ergibt, dass alle diese äußeren Dinge – Glocken, Gong, Muschelhorn etc., nur ein Symbol für den inneren Tonstrom sind. Und wieder hilft uns ein sorgfältiges Studium, im Entstehen all der Wallfahrtsorte das bedeutsame religiöse Moment zu sehen. Die Hindutempel haben die Form eines Domes, mit einer großen Glocke im Innern, die untertassenförmig von der Mitte der Kuppe herunterhängt, und wer auch immer das Gotteshaus betritt, lässt die Glocke ertönen. Auch im Tempel des menschlichen Körpers, im domähnlichen Bau des Kopfes, hört die Pilgerseele, wenn sie die Astral-Region betritt, einen Ton, welcher dem des Gongs oder des Muschelhorns gleicht. Genauso haben die Kathedralen der Christen entweder die Form eines großen Domes, der dem menschlichen Kopf ähnlich ist, oder sie sind turmförmig, was an die ansteigende Nase im Gesicht des Menschen erinnert, über der sich, so sich die Seele an dem stillen Punkt hinter und zwischen den Augenbrauen konzentriert, ein glockenartiger Ton erhebt. Der berühmte Dichter der Mystik, Khawaja Hafiz, sagt:

Keiner weiß, wo der Sitz des Geliebten liegt, doch sicher ist, dass der Ton der Glocke daher kommt.

Und in den Sikh-Schriften heißt es:

Der Gongschlag wird überall gehört.

Asa M. 5

Die buddhistischen Klöster sind ebenfalls domförmig und jeweils mit zwei Trommeln ausgeschmückt, von denen eine auf der rechten und die andere auf der linken Seite angebracht ist. Das Schriftgut aller Religionen enthält Hinweise auf Glockenläuten, Hörnerschall und Muschelklang. Der Grund dafür ist, dass dies die ersten Erfahrungen der Seele sind, sobald sie sich über das Körperbewusstsein erhebt und den Tempel des Höchsten betritt; der Weg dorthin beginnt an der Nasenwurzel hinter den Augen. Auf gleiche Weise heißen unzählige Melodien die Seele bei ihrem Fortschritt auf dem Pfad willkommen, aber lediglich fünf von ihnen allen werden allgemein als von ungeheurem Wert erachtet, weil sie die Seele auf ihre Reise gottwärts leiten und lenken. Diese wechselnden melodischen Töne führen von Ebene zu Ebene, bis man, die eigentliche Melodie ergreifend, mit der Hilfe und unter der Führung eines Meister-Heiligen, die Heimat des Vaters erreicht.

In den Wars von Bhai Gurdas begegnet man vielen diesbezüglichen Hinweisen:

Die Seele hört ein Zitherspiel (Singhi).

War 20, Pauri 11

Die unendliche Musik erklingt, und das Licht vom (Berg) Toor erscheint.

War 23, Pauri 13

Im Schweigen der Seele erhebt sich ein strahlendes Licht; vertiefe dich in die süße ergötzliche Musik (die dort ertönt).

Kabir 222

Und Hafiz sagt wiederum:

Lausche dem himmlischen Orchester, in dem Zimbel, Flöte, Zither und Gitarre erklingen.

Die inneren melodischen Klänge, mit denen man durch einen Meister in Verbindung kommen kann, helfen, die Seele aus den Mauern der Endlichkeit zu befreien, und bringen sie in die Hohe Heimat des Vaters, in das Reich Gottes – denn dies ist der einzige Weg, der dahin führt, einen anderen gibt es nicht.

 

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