Die drei Arten von
Karma Die
Karmas wurden von den Heiligen Indiens in drei verschiedene Kategorien
eingeteilt. 1.
Speicher-
oder Vorratskarma (Sanchit), das sind
die angesammelten und aufgespeicherten Karmas, die aus früheren Inkarnationen
stammen und weit in die unbekannte Vergangenheit zurückführen; 2.
Schicksalskarma
(Pralabdha), das ist unser Karma, das
unsere Bestimmung oder unser Schicksal bewirkt; es besteht aus jenem Teil des
Vorratskarmas, der die lebendige Gegenwart eines Menschen bestimmt und dem
keiner entfliehen kann, wie sehr er es auch wünschen und versuchen mag; 3.
Saatkarma
(Kriyaman), das sind die Karmas, die
in diesem irdischen Dasein oder der gegenwärtigen Lebenszeit ganz unserem
freien Willen unterliegen und mit denen wir unsere Zukunft zum Guten wenden
oder zerstören können. 1.
Speicherkarma:
Die guten oder schlechten Taten, die unser Guthaben bilden, das wir uns in all
den früheren Leben in der Schöpfungsordnung erworben haben und das bis zu dem
Tag zurückreicht, an dem das Leben auf der Erde zum ersten Mal in Erscheinung
trat. Der Mensch weiß nichts über sie oder ihr Ausmaß und ihre große,
verborgene Macht. König Dharitrashtra, der blinde Ahne der Kshatriya- Prinzen,
der Kurvas des Heldenzeitalters, konnte die Ursache seiner Blindheit erst
erkennen, als ihm Lord Krishna seine Yoga- Kraft übertrug. Sie war die Folge
einer Handlung in unbekannter Vergangenheit, die über hundert Inkarnationen
oder Verkörperungen zurücklag. Im 2. Buch Mose 20,5, sagt Moses, während er die
zehn Gebote Gottes verkündet, daß Gott uns ermahnt: „Ich, der Herr, dein Gott,
bin ein eifernder Gott, bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld
der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation...“ Selbst die
Medizin bestätigt uns heute die bedeutende Rolle der Vererbung und führt die
Ursache bestimmter Krankheiten auf die Vorfahren zurück und zeigt, wie sie in
den nachfolgenden Generationen zur Auswirkung kommen. Gleicherweise bringt die
modernen Psychologie das problematische Verhalten mancher Menschen mit
geistigen Besonderheiten ihrer Eltern und Ahnen in Verbindung. 2.
Schicksalskarma.
Das ist genau der Teil der Sanchit- Karmas, der die Fügung, Bestimmung oder das
Schicksal eines Menschen bildet und die Ursache unseres gegenwärtigen Daseins
auf Erden ist. Wir haben keine Macht über diese Karmas und müssen ihre
Auswirkung, ob gut oder schlecht, nach bestem Vermögen ertragen – lächelnd oder
unter Tränen. Das gegenwärtige Leben ist einfach eine Entfaltung oder
Offenbarung der vorher festgelegten Karmas, mit denen wir vollbeladen in die
Welt kommen. Durch die Anleitung einer Meisterseele ist es jedoch möglich, das
innere Selbst so zu formen und zu entwickeln, daß man ihren bitteren und
schmerzvollen Stachel nicht mehr empfindet, so wie der Stich einer Nadel den
Kern einer reifen Mandel oder Walnuß nicht berührt, da er sich von der äußeren
Schale gelöst hat, die dadurch austrocknete und hart wurde und ihm seither als
schützender Panzer dient. Auf diese weise schmiedet
jeder von uns bereitwillig oder widerwillig, wissentlich oder unwissentlich
seine Ketten, ganz gleich, ob sie aus Gold oder Eisen sind. Ketten bleiben
stets Ketten, und sie sind beide gleich wirksam, einen Menschen in beständiger
Gebundenheit zu halten. Wie eine arme Seitenraupe in ihren Kokon gefangen oder
eine Spinne in ihrem Netz gefesselt ist oder wie ein Vogel in seinem Nest wohnt,
so bleiben wir in selbstgeschmiedeten Stahlringen ohne jeden Ausweg gebunden.
Auf diese Weise wird der Zyklus von Geburt, Tod und Wiedergeburt unaufhörlich
in Bewegung gehalten. Nur wenn man das Körperbewußtsein überschreitet und
tatenlos in der Tat wird (Neh- Karma)
wie der stille Punkt im Zentrum des sich ewig drehenden Lebensrades, wird der
Bewegung des gewaltigen karmischen Rades Einhalt geboten, denn dann wird man
ein bewußter Mitarbeiter am göttlichen Plan. Das ist der Grund, warum
Buddha, der Prinz unter den Asketen, nachdrücklich sagte: „seid wunschlos“.
Denn die Wünsche sind Grundursache des menschlichen Leides, da sie alle
Handlungen auslöst, beginnend mit den feinen Schwingungen im Unterbewußtsein
bis hin zu den Denkvorgängen des Bewußtseins, die dann zu der ungeheuren und
grenzenlosen Ernte mannigfaltiger Taten verschiedener Farben und Formen führen,
die der Unausgewogenheit des Gemüts entspringen. So wird der im Körperwagen
sitzende Geist durch die fünf kraftvollen, von dem machtberauschten Wagenlenker
– dem hilflosen und unausgeglichenen Gemüt – nicht beherrschten Sinnesrossen
mit ihren lose herabhängenden Zügeln des Verstandes blindlings und kopfüber in
den Bereich der Sinnesfreuden hineingezogen. Selbstdiziplin ist also von
höchster Bedeutung; und Keuschheit in Gedanken, Worten und Taten ist ein
unerläßliches Erfordernis, das einem Menschen auf dem Weg der Selbst- und
Gotterkenntnis hilft, denn ein ethisches Leben ist ein Sprungbrett zur
Spiritualität. 3.
Saatkarma:
Es ist die laufende Abrechnung unserer bewußt verübten Handlungen und taten in
diesem gegenwärtigen Dasein (Kriyaman).
Diese Art von Karma ist ganz anders als die ersten beiden. Ungeachtet der
Grenzen, die uns die unabänderliche Bestimmung (Pralabdh) auferlegt, ist jeder Mensch mit einem freien Willen
begabt und gleicherweise frei, die Saat zu säen, die er ernten will. Mit der
Gabe der Unterscheidungskraft ausgestattet, die allein dem Menschen zu eigen
ist, kann er selbst beurteilen, was recht und was falsch ist; und daher wäre es
eingebildet und überheblich von ihm, ein Bett aus Rosen zu erwarten, wenn er
Disteln und Dornen sät. Es liegt ganz an ihm, die Zukunft nach seinem Willen
zum Guten zu formen oder zu zerstören. Eine Meisterseele kann ihm die rechte
Führung geben, indem sie ihm die wahren Werte des Lebens darlegt – eines
Lebens, das mehr ist als das körperliche Gewand und alles, was es mit einem von
den Sinnen beherrschten Dasein verbindet. Unter seiner Führung entwickelt man
die Fähigkeit, sich leicht von der Welt und den weltlichen Belangen zu lösen;
und wenn einmal der magische Bann gebrochen ist, fallen die Scheuklappen ab;
die unverhüllte Wirklichkeit blickt einem direkt ins Gesicht und bietet dadurch
die günstige Gelegenheit, unversehrt zu entkommen. Gewöhnlich tragen jedoch einige
der Saatkarmas noch in diesem Leben Frucht, während andere, die nicht zur Reife
gelangten, dem großen Konto der Speicherkarmas übertragen werden, die sich von
Zeitalter zu Zeitalter anhäufen. So ist es einem jeden von uns gegeben,
rechtzeitig zu überlegen und die Folgen seiner beabsichtigten Handlungen und
Taten gut abzuwägen, bevor er einen unwiderruflichen Schritt wagt, einen Sprung
ins Ungewisse oder einen unüberlegten Sturz in einem auf ewig bereuten Anfall
von Heftigkeit, den er aber nicht ungeschehen machen kann, indem er dem
vermeitlich unheilvollen Einfluß der Sterne die Schuld zuweist. Ein Eisenbahn-
Ingenieur zum Beispiel muß die Strecke im voraus planen, denn wenn die Gleise
einmal gelegt sind, fährt der Zug blindlings darauf. Ein kleiner Fehler beim
Legen der Schienen, eine lockere Befestigung oder ein falscher Winkel können
verhängnisvolle Folgen haben. Selbst wenn alles recht getan ist, muß er Tag und
Nacht beständig und sorgsam wachen, daß nicht irgend etwas aus den Fugen gerät
oder die Geleise womöglich von böswilligen Menschen beschädigt werden. Gemäß den Naturgesetzen, die
alles Leben bestimmen, ist der Mensch (die verkörperte oder inkarnierte Seele)
wie ein kostbares Juwel in drei Schatullen oder Körper gehüllt – den
physischen, astralen oder mentalen und den kausalen oder Saat- Körper – die
alle mehr oder weniger irdischer Natur sind und verschiedene Grade der Dichte
besitzen. Auch
gibt es Himmelskörper und irdische Körper. Die Schönheit der Himmelskörper ist anders als die der irdischen Körper.
Kor. 15,40 Sie
gleichen dem äußeren Gewand, das wir tragen: Jacke, Weste und dem Hemd
darunter. Wenn der Mensch den physischen Körper ablegt, trägt sein Geist noch
den Astral- oder Mental- Körper. Unter dem astralen Kleid ist er noch vom dünnen
Schleier des kausalen oder ätherischen Saatkörpes bedeckt. Solange er nicht
fähig ist, den physischen Körper abzulegen, kann er den ersten Himmel oder das
Astralreich im Innern nicht betreten. Damit will ich
sagen, Brüder: Fleisch und
Blut können
das Reich Gottes nicht erben; das
Vergängliche erbt nicht das Unvergäng- liche... Denn
das Vergängliche muß sich mit Unvergänglichkeit
bekleiden und dieses Sterbliche mit
Unsterblichkeit. Wenn sich aber dieses
Vergängliche mit Unvergänglich- keit bekleidet
und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit,
dann erfüllt sich das Wort der Schrift:
Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo
ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?
1. Kor. 50 und 53-55 Das Ablegen des Körperkleides oder diese Umwandlung
geschieht entweder durch die letzte Auflösung, diesen Zerfallsprozeß, der
gewöhnlich als Tod bekannt ist oder durch die Methode des willentlichen
Zurückziehens der Sinnesströme vom Körper. Der Fachausdruck dafür ist „erheben
über das Körperbewußtsein“, das durch einen Prozeß der Umkehr und Selbstanalyse
geschieht. Die Evangelien beschreiben dieses Zurückziehen als „Von – neuem –
geboren – werden“ oder „Auferstehung“. Die Hinduschriften nennen es „Zweimal
geboren – werden“ oder do-janma. Es
ist eine Geburt des Geistes, die anders ist als die durch das Wasser (der
äußeren Taufe) – denn die letztere ist aus „vergänglicher Saat“, wo hingegen
die erstere aus „unvergänglicher Saat“ geschieht, die unveränderlich und
beständig (da reinen Geistes) ist. Die Moslem- Derwische (Mystiker) nennen
diesen Tod – im – Leben Tod vor dem Sterben. Durch die gütige Hilfe eines
Meister- Heiligen, der selbst ins Jenseits schritt und anderen helfen kann, das
gleiche zu tun, kann man lernen, wie man sich nicht nur vom physischen Körper,
sondern auch von den beiden anderen Körpern (dem astralen und dem kausalen)
zurückzieht. Man hat also „dem Fleisch um des Geistes willen zu entsagen“, wenn
man danach verlangt, dem sich endlos drehenden Rad des Lebens auf diesem
irdischen Gestirn (der Erde) zu entkommen. Bei einem gewöhnlichen, natürlichen Verlauf der
Dinge hat die verkörperte Seele oder der menschgewordene Geist (jiva) keine andere Wahl. Als nach dem
physischen Tod wieder in einer körperlichen Form zur irdischen Ebene
zurückzukehren, deren Art bestimmt wird von seinen zeitlebens gehegten
Vorlieben und Neigungen, von der Stärke seiner sehnsüchtigen und langgehegten,
unerfüllten Wünsche, die seiner geistigen Struktur eingeprägt sind und die zur
Zeit seines Todes vorherrschen und den überwältigen Einfluß bilden, der seinen
zukünftigen Weg mit unwiderstehlicher Kraft gestaltet. So gültig und
großmütig
ist der
göttliche Vater - er gewährt
seinen Kindern, wonach sie
auch verlangen. Doch wenn man unter der Führung eines vollendeten
Meisters (Sant- Satguru) den
praktischen Vorgang der Selbstanalyse, das heißt das willentliche Zurückziehen
vom physischen Körper, erlernt und diese Fähigkeit durch regelmäßige Übung
entwickelt, erlangt man noch während des Lebens eine Erfahrung vom Jenseits
(vom Tod im Leben) mit dem Ergebnis, daß einem die uralte trügerischen
Vorstellungen allmählich wie Schuppen von den Augen fallen und die Welt und die
weltlichen Dinge ihren hypnotischen Reiz verlieren. Dann sieht man die Dinge in
ihren wahren Farben, erkennt ihren wirklichen Wert und wird allmählich
wunschlos und frei – Herr seiner selbst, eine befreite Seele (jivan mukat). Danach lebt man nur mehr,
um die einem zugewiesene Lebensspanne ohne Gebundenheit zu vollenden. Dies wird
neue Geburt oder zweite Wiederkehr der Seele in ein ewiges Leben genannt. Doch
wie kann man sie erlangen? Christus sagt uns: Und wer nicht sein
Kreuz auf sich nimmt
und mir
nachfolgt, der ist immer mein nicht wert. Wer sein Leben
findet, der wird’s verlieren; und wer sein
Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.
Mt.10, 38-39 Und im Lukas- Evangelium heißt es: Zu ihnen allen
sagte er (Jesus): Wer mein
Jünger sein
will, der verleugne sich selbst, nehme täglich
sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
Lk. 9,23 Und wer nicht sein
Kreuz trägt und mir
nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.
Lk. 14,27 So sehen wir, daß der Tod in Christus der Weg ist,
um mit Christus auf ewig zu leben. Lernt zu sterben, damit ihr zu leben
beginnt, sind die einleitende Worte aller Heiligen, wenn sie zu uns sprechen.
Unter den Moslems ist dies als Auslöschen des Selbst (fana- fil- sheikh) im Meister (Murshid)
bekannt. Es ist deshalb von höchster Wichtigkeit, als erstes einen lebenden
Meister zu suchen, der kompetent genug ist, den anderenfalls endlosen Zyklus
der Karmas ein für allemal zu beenden und zu seinen heiligen Füßen Zuflucht zu
suchen, um sich dadurch von dem unheilvollen Einfluß der eigenen Taten zu
befreien, die sonst fortfahren, einen in der Gestalt von Eumeniden und Furien
heimzusuchen. Über die Macht des Meisters auf der Erde (Jagat- Guru) vernehmen wir: Ein Jagat- Guru
vermag die Karmas durch
seinen Blick
und sein Wort auszulöschen. In seiner
Gegenwart fliehen die Karmas wie Herbstlaub
vor dem Wind. Und
außerdem lesen wir in den heiligen Schriften noch: Groß ist die Macht
des Engels
der
Vergeltung, und keiner vermag deinem Zorn zu
entgehen; aber vor dem
Trompetenschall des Wortes flieht er voll
Todesfurcht. Was
nun das Wirken des karmischen Gesetzes betrifft, mag uns das folgende Beispiel
helfen, den Sachverhalt besser zu verstehen: Nehmen
wir zwei Sorten Weinbeeren – gelbe und braune. Die gelben Samen sollen die
guten und die braunen die schlechten Taten verkörpern. Und ein Raum ist bis zur
Decke mit großen Mengen dieser Saaten angefüllt, die nun gleichsam das
Lagerhaus der Karmavorräte (Sanchit-
Karma) eines Menschen darstellen. Da
ist nun „A“ (ein physischer Körper plus Gemüt plus Seele), ein Mensch, der sein
ganzes Leben lag wünschte, ein König zu werden. Er wird krank, und dieser
unerfüllte Wunsch beherrscht weiterhin an erster Stelle sein Gemüt. Und nach
einiger Zeit zwingt ihn die Natur, den physischen Körper aufzugeben, aber gemäß
dem Gesetz des Lebens nach dem Tode ist er noch immer in den astralen
(mentalen) und kausalen (ätherischen) Körper gekleidet. Er wirkt nun als
entkörperte oder nicht mehr inkarnierte Seele in einem anderen Gewand aus
astraler und kausaler Gemütssubstanz. Da das Gemüt das Lagerhaus aller
Eindrücke ist, erinnert sich „A“ noch immer seines Wunsches, König zu werden.
Da „A“ nun ein körperloser Geist (Jiva)
und seiner physischen Hülle beraubt ist, sieht er sich einer Schwierigkeit
gegenüber. Er kann so lange kein König werden, bis er nicht wieder ein
physisches Kleid angelegt hat, das es ihm erlaubt, auf der einen oder anderen
Stufe seiner irdischen Laufbahn die Rolle eines Königs anzunehmen. Von der
unfehlbaren motorischen Kraft seiner Gemütssubstanz angetrieben, die hinter
aller Aktivität wirkt, wird er dazu geleitet, so viele Karmas, die noch nicht
Frucht getragen haben, aufzunehmen, daß diese wiederum eine neue Folge von
Umständen herbeiführen, die ihm dazu verhelfen, seinen lang gehegten und tief
eingeprägten Wunsch zu verwirklichen. Die
große treibende Kraft, auf die eben verwiesen wurde, hat zwei Aspekte: einen
positiven wie auch einen negativen. Der positive führt uns zur Reise in die
Heimat, und der negative beherrscht und lenkt das Leben auf der irdischen
Ebene. Die Natur oder der negative Aspekt dieser Kraft, die doch nur eine ist,
befaßt sich allein mit dem geordneten Ablauf des Lebens, wie es auf der
physischen Ebene besteht; ihre Hauptaufgabe ist es, die Welt in Gang und reich
bevölkert zu halten und die Menschen mit verschiedenen Lebensaufgaben zu
beschäftigen, wie der Fall gerade liegt. In der Umgangssprache wird dies
„Schicksal“ oder „Zufall“ (Pralabdha)
genannt, welches das irdische Leben eines jeden einzelnen mit absoluter
Genauigkeit und unfehlbarer Geschicklichkeit gestaltet. So
ist man in oben beschriebenem Ausmaß in eine Art Falle gefangen und kann nicht
anders, als das zu enthüllen, was man in verhülltem Zustand mit sich bringt. Es
ist wie eine Offenbarung der ungeoffenbarten Vergangenheit, die als verborgene
Saat oder Essenz auf dem Grund der Gemütssubstanz ruht und mit ihren mannigfachen
Mustern und vielfältigen Farben, die verschiedenen Linien bilden, auf die
Leinwand des Lebens projiziert wird, so wie auch das Leben von einer
ursprünglich reinen und ewigen Strahlung ausgeht, die wir gewöhnlich aus der
Sicht verlieren, je mehr wir uns in dem „Dom aus vielfarbigen Glas“ verlieren,
der uns umschließt und uns im Lauf der Zeit von allen Seiten bedrängt. Mutter
Natur umsorgt nun ihr Pflegekind und überschüttet es in solcher Menge mit all
ihren Gaben, daß es sich dessen, wonach es in der Vergangenheit so sehr
verlangte, unwissentlich in Fülle und bis zum Übermaß erfreut. Vom Glanz der
Gaben geblendet, vergißt man den großen Wohltäter, den Spender aller Gaben und
ist im Netz des Todes unentrinnbar gefangen. Doch
das ist nur ein Teil des Lebens, das „A“ wie ein vorher bestimmtes Spiel führt.
Daneben gibt es noch ein anderes, sehr lebendiges Gegenstück, das auf der
Freiheit des Handelns und auf unserem unabhängigen Willen beruht, welches einem
jeden von uns gegeben ist. Die Erlösung liegt im rechten Verstehen der höheren
Werte des Lebens und darin, daß man von der günstigen Gelegenheit, die einem
zuteil wird, den besten Gebrauch macht; und wir können sie hier und jetzt
erlangen. Sonderbarerweise ist der Mensch also nicht nur eine Schöpfung seines
Schicksals (aus der Vergangenheit) sondern ebenso der Schöpfer seines Geschicks
(in der Zukunft). Was wir mit uns bringen, das muß geschehen; und was wir jetzt
tun, das gibt unserer Zukunft Gestalt. Es ist darum weise, die rechte Wahl zu
treffen. Die Gemütskraft ist ein ungeteiltes Ganzes, und wenn man sie sich wie
einen gehorsamen Diener auf rechte Weise nutzbar macht, kann sie einem großen
Gewinn bringen. Doch wenn ihr erlaubt wird, den lebensspendenden Geist zu
überwältigen, erweist sie sich als heimtückischer Parasit, der die Lebenskraft
schwächt und die Würzpflanze, auf der sie gedeiht und die ihr Leben und Nahrung
gibt, dahinwelken läßt. Daher müssen wir all unsere Aufmerksamkeit der rechten
Aussaat und ihrer Pflege zuwenden, während wir auf der Bühne des Lebens die uns
bestimmte Rolle im Menschendrama im Licht der ewigen Strahlung spielen, die
dick und dünn durchdringt, - ob wir es wissen oder nicht. Der höchste Wille ist
bereits ins Muster unseres Seins gewirkt, denn ohne ihn kann nichts bestehen;
und wenn wir diesen Willen erkennen und in Einklang mit ihm handeln, können wir
dem Rad des Lebens entfliehen. Guru Nanak sagt im „Jap Ji“: Wie kann man die Wahrheit erkennen und die Wolken der Täuschung durchdringen? Es gibt einen Weg, o Nanak, seinen
Willen zu dem unseren zu machen; sein Wollen, das bereits in unserem Dasein wirkt. So
sehen wir, daß die Karmas und Wünsche für den endlosen Zyklus der Geburten und
Wiedergeburten verantwortlich sind. Wie kann man diesen unaufhörlichen
Kreislauf beenden? Es gibt nur zwei Wege, das ungeheuer große und grenzenlose
Vorratslager der Karmas, diesen undurchdringlichen Granitwall zwischen den
Menschen und dem Höchsten oder diesen dicken Schleier des unwissenden Gemüts,
der stets unsere Augen bedeckt und unsere Sicht verdunkelt, zu erschöpfen oder
aufzulösen. Die zwei Möglichkeiten, dieses immer umgangene und verwirrende
Problem zu lösen, sind: 1.
es
der Natur zu überlassen, das Vorratslager im Lauf der Zeit zu entleeren, sofern
das überhaupt möglich ist; 2.
von
einer Meisterseele die wirkliche Erkenntnis und Erfahrung der Wissenschaft des
Lebens auf den irdischen wie auch spirituellen Ebenen zu erlangen und jetzt
daran zu arbeiten, eine um die andere Ebene zu überschreiten, solange es uns
noch mögliche ist und wir die günstige Gelegenheit dazu besitzen. Der erste Weg ist nicht nur endlos lang, sonders
auch äußerst schwierig und gewunden, trügerisch auf Schritt und Tritt und
voller Gefahren und Fallgruben. Man bräuchte zahllose Leben, um zum Ziel zu gelangen,
falls man überhaupt das Glück hätte, es zu erreichen. Zudem hilft die Natur von
sich aus kaum jemanden, sich von den unerbittlichen karmischen Gesetz zu
befreien, denn das würde bedeuten, daß sie sich und ihre Sippschaft selbst
auslöscht. Die
menschliche Geburt ist in der Tat ein seltenes Vorrecht, das man erst erlangt,
nachdem man einen langen Evolutionsprozeß der Schöpfung durchschritten hat, der
sich auf unzählige Formen oder Verkörperungen erstreckt, die das Lebensprinzip
auf der physischen Ebene annimmt. Wenn diese goldene Gelegenheit einmal
verloren ist, muß sich der jiva, der
verkörperte Geist, wiederum dem Rad des Lebens unterwerfen, und zwar gemäß den
Wesenszügen, die ihn während seines Lebens in der Welt gewöhnlich beherrschten,
und besonders jener, der zur Zeit seines Scheidens von dieser Welt machtvoll
hervortreten, denn das Gesetz lautet: „Wo das Herz ist, dahin zieht es den
Geist mit unwiderstehlicher Macht.“ Da sich die wirklich so verhält, ist es für
einen gewöhnlichen verkörperten Geist fast unmöglich, sich über die Sinnesebene
zu erheben und das Gemüt durch eigene Anstrengungen, wie herkulisch sie auch
sein mögen, ohne Hilfe und Führung ruhig und in sich selbst vertieft zu halten.
Nur ein Gottmensch oder die Meisterkraft kann der verkörperten Seele aus
Barmherzigkeit dazu verhelfen, das verlorene Königreich, die spirituelle Ebene,
wiederzugewinnen – jenes Reich, aus dem ein jeder von uns durch Nichtbefolgen
der Gebote Gottes vertrieben wurde. Dieser Weg ist also voll ungeahnter Gefahren,
die bei jedem Schritt auf uns lauern und uns selbst aus unseren innersten Wesen
heraus bedrohen. Daher wird kein vernünftiger Mensch jemals den Versuch wagen,
diesen einsamen und mühevollen Weg zu beschreiten, der eher in eine Sackgasse
führt als zum Ziel. Wenn
man den zweiten Weg wählt, sucht man einen kompetenten spirituellen Meister,
dessen Einfluß sich auf alle untergeordneten Kräfte in dieser Welt und auf die
höheren Seinsebenen erstreckt. Er kann die karmischen Rechnungen des bankrotten
Geistes begleichen. Von dem Augenblick an, da er einen Menschen als sein eigen
annimmt, nimmt er selbst den Vorgang der Auflösung des endlosen karmischen
Geschehens, das aus unbekannter Vergangenheit herrührt, in die Hände. Er
gebietet dem sinnlosen und leichtfertigen Leben, in das wir uns verloren haben,
Einhalt. „Bis hierher und nicht weiter“, lautet sein Gebot; und dann stellt er
den einzelnen auf die erhabene Straße, die zu Gott führt. Gewöhnlich greift er
in das Schicksalskarma (Pralabdh)
nicht ein, denn wir müssen es notgedrungen so gut wie möglich erfüllen, um
seine Frucht zu ernten und die uns zugewiesene Lebensspanne zu beenden; während er als bewußter
Mitarbeiter am göttlichen Plan das ungeheure Lagerhaus der Speicherkarmas (Sanchit) durch die Verbindung des
Geistes mit dem Lebensfunken von Naam
verbrennt. Diese Berührung mit dem heiligen Wort (Naam) verwandelt das Lager der Vorratskarmas ebenso wie die noch
nicht fruchttragenden Saatkarmas, die wie bisher bewirkt haben, mit einem Mal
zu Asche, gerade wie ein Feuerfunke einen ganzen Wald oder einen Haufen
Brennholz, das auf den Boden liegt, einäschert. Im Pauri 20 des „Jap Ji“, dem
Morgengebet der Sikhs, sagt uns Guru Nanak so schön: Wenn Hände, Füße und der Körper (mit Staub) bedeckt sind, werden sie mit Wasser reingewaschen; sind unsere Kleider schmut- zig und befleckt, werden sie mit Seife gerei- nigt; aber wenn das Gemüt von Sünden beschmutzt ist, kann es nur durch die Gemeinschaft mit dem Wort Reinheit erlangen. Durch Worte allein werden die Menschen nicht zu Heiligen oder Sün- dern; doch sie tragen ihre Taten mit sich, wohin sie auch gehen. Wie man sät, so erntet man. O Nanak, die Menschen kommen und gehen durch das Rad der Geburten und Tode, wie es Sein Wille bestimmt. Daraus
ist nun klar ersichtlich, daß das Gemüt der Hauptmagnet ist, der die Karmas mit
all ihren Begleitumständen anzieht. Das Gemüt übt einen gewaltigen Einfluß auf
den Menschen aus und gebraucht unsere Aufmerksamkeit (Surat) als sein Werkzeug. Diese ist der äußere Ausdruck der uns innewohnenden
Seele und die wertvollste aller ererbten Fähigkeiten des Menschen – das
kostbare Juwel von unermeßlichen Wert. Die
Meister – Heiligen kommen mit einer göttlichen Aufgabe und Sendung in die Welt.
Sie sind von oben beauftragt, den Menschen aus der karmischen Gebundenheit zu
befreien. Hat man das Glück, einen solchen Heiligen zu finden und unterwirft
man sich seinem Willen, nimmt er den Geist in seine Obhut. Seine erste und
wichtigste Aufgabe ist es, den Zauberbann der karmischen Fangarme zu brechen,
die uns mit tödlichem Griff umklammern. Er rät jedem, ein wohlgeordnetes und
höchst diszipliniertes ethisches Leben zu führen, um der weiteren Aufnahme
übler Einflüsse oder karmischer Eindrücke zu entgehen. Er sagt uns, daß alle
Gaben der Natur, einschließlich der Sinnesobjekte, nur für den rechtmäßigen und
angemessenen Gebrauch gedacht sind und nicht zur Sinnesbefriedigung und zum
Vergnügen. All unsere Schwierigkeiten ergeben sich aus der Tatsache, daß wir
uns den Sinnesfreuden gierig bis zum Überdruß hingeben, mit dem Ergebnis, daß
wir, anstatt uns der weltlichen Genüsse zu erfreuen, gänzlich von ihnen
beherrscht werden und sie uns körperlich und geistig völlig zugrundegerichtet
zurücklassen. Wir vergessen, daß wahres Glück eine Geisteshaltung ist, die von
innen kommt, wenn wir den Lebensstrom (das heilige Wort), der in uns verborgen
liegt, bewußt erwecken und unser „Selbst“ mit dem „Lebensprinzip“ nähren, das
allen Dingen, sichtbar und unsichtbar, innewohnt und das die einzige
Antriebskraft ist, welche das ganze Universum erschafft und erhält. Der
Gottmensch hält Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in seinem mächtigen Griff
und wie ein mitleidsvoller Vater geleitet er seine Kinder auf dem Pfad der
Rechtschaffenheit und Redlichkeit, der sie nach und nach zu Selbsterkenntnis
und Gotterkenntnis führt, wo sie am Ende den Preis der Göttlichkeit erlangen.
Gerade wie ein Kind nicht weiß, was sein Vater von Zeit zu Zeit bereithält, so
weiß ein Strebender (Neophyt) nicht,
was sein himmlischer Vater für ihn tut. Doch indem wir seinem Weg folgen,
können wir die esoterischen Geheimnisse allmählich erfahren, die sich uns dann
mit jedem Schritt von selbst enthüllen. Was weißt du arme Seele in diesem Körper? Du bist zu beschränkt und elend, um auch nur dich selbst zu begreifen.
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