Ein Blick nach innen

Wir verbringen die meiste Zeit damit, das Äußere der weltlichen Dinge zu bewundern und kümmern uns nicht darum, den Wesenskern zu sehen, der darunter verborgen liegt und den großen Schöpfer verrät, das schöpferische Lebensprinzip, ohne das selbst die äußere Schönheit nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde bestehen könnte. Wiederum ist das äußere Kleid vor allem Krankheit, Verfall und im Laufe der Zeit der Auflösung unterworfen, während die letztgültige Wahrheit im Innern die einzig unwandelbare Beständigkeit ist. Wir jedoch ziehen es vor, die Schale oder die Spreu der Dinge zu analysieren, erforschen ihre Geheimnisse und suchen davon Besitz zu ergreifen, um sie uns zunutze zu machen. Es ist uns bis zu einem großen Ausmaß gelungen, die Kräfte der Natur in unseren Dienst zu zwingen; aber wir haben uns nicht darum bemüht, die Gegenwart Gottes, die alles durchdringt und das A und O der ganzen Schöpfung ist, in unserem Innern zu finden.
Allein der Mensch ist weise, der die Perle aus der Auster nimmt und nicht an der Schale interessiert ist. Alle äußeren Hüllen sind von der Natur geschaffen, damit darin etwas Kostbares, etwas von wirklichem Wert verwahrt werden kann. Möchten wir doch zuerst einen Blick nach innen werfen, bevor wir den äußeren Dingen der Welt Wert beimessen. Im Augenblick haben wir nicht die geringste Ahnung von den höheren Werten des Lebens und sind noch nicht in der Lage, die Spreu vom Weizen zu trennen. In unserer Unwissenheit handeln wir wie Toren, die durch den oberflächlichen Zauber geblendet sind; und durch Gestalten, Formen und Farbspiegelungen, die unserem Blick begegnen, getäuscht, erkennen wir nicht, dass wir wie Seifenblasen sind, die eine Zeitlang glänzen, um sich dann gleich wieder in das luftige Nichts zu verflüchtigen.
Die Heiligen und Seher haben in ihren wertvollen Schriften auf den spirituellen Reichtum hingewiesen, der in jedem Menschen verborgen liegt, und berichten uns von dem Weg, auf dem wir tief schürfen können, um ihn zu finden. Das Geheimnis des ganzen Makrokosmos kann im Mikrokosmos gefunden werden, und das Wissen über den letzteren ist das fundamentale Wissen oder der Hauptschlüssel, der die stählernen Tore allen Wissens des physischen, mentalen oder intellektuellen und des spirituellen - durch die Gnade eines Meisters erschließt. Die Alten legten dem Menschen die große Frage vor: »Welches ist die Wahrheit oder das Wissen, durch das sich alles andere erkennen lässt?« Und im gleichen Atemzug antworten sie: Die Selbsterkenntnis oder Atam Vidya. Erkenne dich selbst oder Gnothi Seauton und Nosce te ipsum, wurde von den alten Griechen und Lateinern immer verfochten und als die höchste Art allen Wissens angesehen. Es wird auch Para Vidya oder die Wissenschaft vom Jenseits genannt - etwas, das jenseits des Bereiches der groben Sinne und des Verstandes liegt, wie die innere Wissenschaft der Seele.
Wie wir wissen, ist der Mensch mit fünf Sinneskräften ausgestattet: dem Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und dem Fühlen. Von ihnen allen ist die Fähigkeit des Sehens die wichtigste. Deshalb werden die Augen ganz richtig als »Fenster der Seele« bezeichnet. Sie enthüllen den inneren Zustand des Gemüts, welcher Art er auch immer sei; voll Frieden und Ruhe oder voll Unwillen und Unrast. Durch die Kraft der Augen beherrscht der Magnetiseur oder Hypnotiseur sein Medium. Auch manche Reptilien bannen und lähmen ihre Beute mit den Augen und machen sie unbeweglich, indem sie ihren starren Blick auf sie heften. Genauso macht es der Seeadler oder Fischadler. Der Zauberer und der Hexenmeister bewirken ihre schwarze Kunst durch die Augen. Die Mutter andererseits übermittelt ihre Liebe zum Kind durch die Augen. Selbst die Haustiere finden Trost durch den liebevollen Blick ihres Herrn. Dichter erwähnen die lachenden Augen, blitzenden Augen, klaren oder schmachtenden Augen, stechenden Augen, sprechenden Augen und so weiter. Die stille Augensprache ist in der Tat wundervoll. Worte können die Ausdrucksfähigkeit der Augen nicht beschreiben. Selbst ohne Worte sind die Augen noch beredt. Ihre schweigende Sprache und ihre Anziehungskraft sind allgemein anerkannt und gehen wahrlich zu Herzen.
Im wachen Bewusstseinszustand ist der Sitz des Gemüts und der des Geistes hinter dem Zentrum der beiden Augenbrauen. Im Traum, dem halbbewussten Zustand, ist der Sitz an der Schilddrüse in der Kehle, und im Zustand tiefen Schlummers oder Sushupti (unbewusster Zustand) sinkt er noch weiter nach unten ins Nabelzentrum. Da sich der Pfad der Heiligen (die Wissenschaft des Geistes) mit dem überbewussten Zustand befasst, beginnt die eigentliche Suche beim dritten Auge, Nukta-i-Sweda oder Divya Chakshu und geht aufwärts (nicht abwärts), von Stufe zu Stufe, bis Sach Khand oder Mukam-i-Haq, die wahre Heimat unseres Vaters, erreicht ist.

Der Körper ist der Tempel Gottes, und das Reich Gottes liegt in uns. Es heißt, dass der ganze Makrokosmos im Mikrokosmos liegt. Wahres Wissen um den ersteren kann nur durch Wissen um der, letzteren erlangt werden. Das »innere Anklopfen« ist ein wunderbarer Ausspruch, den der amerikanische Philosoph Ernerson gebraucht. Sowohl der Makrokosmos als auch der Mikrokosmos sind in vier Ebenen aufgeteilt:

1. Pind oder der physische Körper;
2. And der Mental- oder Astralkörper;
3. Brahmand der Kausal- oder Saatkörper, und
4. Sach Khand die Ewige Wohnstätte der Wahrheit oder der Seele.

Alle Ebenen unterhalb von Sach Khand sind zur Zeit der Auflösung oder der Großen Auflösung* der Zerstörung unterworfen. Die Wohnstatt der Heiligen und Meisterseelen liegt in Sach Khand, und so ist die Verwirklichung dieser Ebene ihr Ideal. Von Sach Khand bis Pind kann die Widerspiegelung der sechs Zentren in jeder der oberen Ebenen gesehen werden und auf gleiche Weise in den entsprechenden unteren Zentren, wie man das Widerstrahlen der Sonne in einer Anzahl wassergefüllter Krüge sehen kann und deren Reflexion wieder an einer nahegelegenen Wand. Die sechs Nervenzentren im Körper sind:

1. guda (Rektum);
2. indri (Fortpflanzungsorgan);
3. nabhi (Nabel);
4. hirdey (Herz);
5. kanth (Kehle oder Schilddrüse);
6. aggya (hinter den Augen).

Nach den Hatha-Yoga-Übungen dhoti, neti und basti usw. reinigen die Yogis erst den physischen Körper, und danach gelangen sie durch ständige Übung, die pranayama einschließt, allmählich durch die verschiedenen oben angeführten Nervenzentren. So kommen sie bis zum aggya chakra hinter den Augen. Der ganze Vorgang beginnt am guda chakra oder dem Rektum und durchquert mittels Kundalini-Yoga oder der Schlangenkraft, das Rückgrat. Diese Art Yoga ist sehr mühsam und voller Schwierigkeiten und Gefahren. Hier müssen die pranas oder die Lebensenergien kontrolliert, geordnet und genau gelenkt werden, was besonders für den Durchschnittsmenschen nicht so leicht ist; es ist sehr beschwerlich und zeitraubend, um darin erfolgreich zu sein.

* Auflösung (Pralaya) bezieht sich auf die äußere, sichtbare Welt. Große Auflösung (Maha Pralaya)
  bezieht sich auf die inneren Regionen, ausschließlich Sach Khand.

Die Heiligen empfehlen sie nicht für die gegenwärtige Zeit, da die Menschen physisch nicht in der Lage sind, diese Art Yoga auszuüben. Sie ignorieren die Widerspiegelungen in Pind oder dem Körper gänzlich und beginnen direkt am aggya chakra, wo Pind und And vereinigt sind. Denn dieses Zentrum ist im wachen Bewusstseinszustand der Sitz der Seele. Sie empfehlen vielmehr den geistigen Simran mit den elektrifizierten und hoch magnetisierten und geladenen Namen Gottes, den sie übermitteln, und der mit ungeteilter Aufmerksamkeit und liebevoller Hingabe wiederholt wird. Durch den Gebrauch dieser Worte vergisst man die Welt und die Umgebung um sich her sowie auch den Körper, was zur Folge hat, dass alle Sinnesströme gesammelt und auf den göttlichen Grund, der aufleuchtet und alles überstrahlt, konzentriert werden. Matthäus bezieht sich im Evangelium auf diesen Zustand mit folgenden Worten.

Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.

Matthäus 6, 22

Und Tulsi Sahib sagt in diesem Zusammenhang:

In der Pupille des Auges ist ein hohler Kreis, genannt Til, und in diesem Zentrum liegt das ganze Geheimnis der Spiritualität. Du kannst es finden, wenn du nach innen, hinter den stählernen Vorhang der Finsternis, blickst.

Hazrat Moin-ud-din-Chisti, ein Moslem-Heiliger hohen Ranges, sagt:

Öffne dein inneres Auge, so dass du Zeuge der Glorie Gottes wirst. Schließe deine Ohren und deinen Mund und werde ganz Auge, um Seine Herrlichkeit zu schauen.

Wie gesagt, die Augen sind wirklich die Fenster der Seele - Fenster, die sich von alters her wunderbaren Welten öffnen. 
Soamiji sagt:

Diese Augen sind Fenster, durch die sich dir die Wohnstatt Gottes zeigt.

Und Guru Nanak erklärt: 

Im Palast der Seele (dem menschlichen Körper) sind zwei Fenster, durch welche Lord Shiva und seine Gemahlin Shakti (Parbhati) blicken. Öffne die Augen, und schaue den gepriesenen Gott innen.

Auch Sant Kabir sagt:

Wenn du - deine Augen auf ein Zentrum abstimmen könntest, würde sich dir ein wundervoller Anblick bieten.

Das Licht beider Augen geht durch die Sehnerven und kommt zum dritten Auge (Tisra Til, Shiv Netra und Nukta-i-Sweda); es wird von einem Licht erhellt, das schattenlos und ungeschaffen ist. Von hier aus dringt der Geist im Sukhman oder Shahrag ein, der zwischen Ida und Pingala liegt, und hört die himmlische Musik (oder den Tonstrom), der fürwahr das Leben des ganzen Universums ist. Durch diesen Vorgang wird der Geist auf seiner Weiterreise gestützt und geleitet.

Lausche der heiligen Musik im Sukhman, indem du deine Aufmerksamkeit auf die tiefe Stille abstimmst; wenn du auf die unbeschreibliche Musik der Seele hörst, wirst du von allem Wünschen und Sehnen frei.

Malar War M. 1

Achte in dieser Zeit auf die innere Musik; durch Hingabe an sie wirst du von allem Stolz frei.

Asa M. 3

Wenn der Geist die physische Ebene überschreitet, hat er verschiedene Bereiche zu durchqueren, welche durch Sterne, Sonne und Mond gekennzeichnet sind. Dann wird er von der strahlenden Form des Meisters begrüßt, der von hier ab den Geist in seine Obhut nimmt. Nun geht er, durch den Tonstrom geleitet, weiter, um zur wahren Heimat unseres Vaters zu gelangen. Der Pfad der Heiligen ist weder eine Religion noch eine Glaubensanschauung. Wer auch immer - sei er Hindu oder Moslem oder Christ - die Stätte der Wahrheit oder Glückseligkeit erreicht, wird ein Heiliger genannt. Es gibt überall zwei Arten von Heiligen oder Stufen in der Rangordnung gottesfürchtiger Menschen:

1. Jene, die zu der niedrigeren Ordnung oder Darja-i-Sifli 
    gehören. Sie bleiben den Nervenzentren (Chakras) von 
    Pind oder dem physischen Körper verhaftet, wie es 
    bei den Yogis der Fall ist.

2. Jene der höheren Ordnung oder Darja-i-Ulvi. Ihr 
    sadhan oder ihre spirituelle Übung beginnt am aggya 
    chakra hinter den Augen.

Einige der Moslem-Heiligen gehörten dieser höheren Ordnung an. Hazrat Ibrahim sagte, dass er den Großen Stern überquerte und dort seine Reise fortsetzte. Auch Guru Nanak hat auf diesen inneren Stern Bezug genommen, den der Meister in seiner Gnade den Aspiranten sehen lässt.

Ein heller Stern erschien am Horizont, er wird durch Gottes Gnade sichtbar. Ein Ergebener, der Glück hat, kann ihn durch des Meisters Wort erblicken.

Tokhari M. 1

Die Weisen aus dem Morgenland folgten dem hellen Stern, der sie nach Bethlehem führte und zu Christus brachte. Auch Tulsi Sahib erwähnt den glänzenden Stern, der dem Geist an der Schwelle des Gaggan oder dem Eingang zur Astralebene begegnet. Hazrat Mohammed berichtet, dass er Shak-ul-Qamar (den Mond) entzwei schlug, was sehr bedeutsam ist und bildlich besagt, dass die Seele über den Bereich des Mondes hinausging. Jeder, der eine Reise in die spirituellen Reiche unternimmt, muss den Mond entzweischlagen, indem er durch ihn hindurchgeht.

Groß ist der Mensch. Er hat einen Tropfen göttlichen Bewusstseins in sich wie alles andere in der Schöpfung. Obgleich es den Anschein hat, als ob er ein winziges, schwaches Erdenkind sei, hat er doch ungeahnte Möglichkeiten in sich verborgen. Gott hat ihn nach Seinem Bild geschaffen. Er hat unsichtbare spirituelle Schätze, die in der Tiefe seines Geistes liegen. Wenn der Mensch nur den geringsten Glauben an seine Kräfte haben würde, könnte er, wie Christus sagte, gewaltige Berge versetzen und den Winden und Wassern gebieten, wie es große Seelen zu allen Zeiten getan haben. Die Gedankenkraft ist das bewegende Element hinter all unserem Tun. Die ganze Welt ist das Werk Seines Willens. Gott befahl: »Es werde Licht, und es war Licht«. Auf Sein Geheiß entstanden die verschiedenen Elemente und vervollständigten das Werk der Schöpfung.

Der Geist, ein Funke des göttlichen Feuers, ist ebenfalls groß und hat innerhalb seiner Reichweite ähnliche Möglichkeiten. Unglücklicherweise wird seine Macht durch das Gemüt und die nach außen fließenden Kräfte vergeudet. Die Sonnenstrahlen brennen an sich keinen, aber wenn sie durch eine Konvexlinse geleitet werden, sammeln sie sich an einem Zentrum und setzen so die Dinge auf der anderen Seite in Brand. So identifiziert sich der Geist, wenn er durch das Gemüt angetrieben wird, mit den körperlichen Sinnen. Er bedenkt nie, dass er von ihnen getrennt und in Wirklichkeit der Beherrscher und Regent des Universums ist.

Er ist die große bewegende und dynamische Kraft hinter all unseren Gedanken, Worten und Taten. Selbst die Himmelskörper, Sterne, Sonne und Mond bewegen sich durch die Kraft des Geistes. Jegliche Energie, sei sie physisch oder metaphysisch, mechanisch oder elektrisch, magnetisch oder die der Schwerkraft, atomar oder nuklear, ist eine Teiloffenbarung dieser ursprünglichen Energie Gottes, welche Systeme und Universen ohne Ende in einem Augenblick erschafft, zerstört und wieder von neuem aufbaut. Leider erkennen wir diese unsichtbare Kraft nicht, sondern befassen uns nur mit ihrer Wirkungsweise, ohne die verborgene Hand hinter diesem Marionettentheater der Welt zu sehen. Wir versuchen die ganze Zeit, das Phänomen des Schattens und der schattenhaften Dinge zu begreifen und wissen beinahe nichts über die Dinge an sich. Der Geist hat sein Gott-Wesen, seinen göttlichen Ursprung, die Göttlichkeit, die verborgen in ihm liegt und erweckt werden muss, um zu sich selbst zu kommen, bevor er Wunder tun kann wie die Meisterseelen, unseligerweise vollkommen vergessen. Die Wurzel dieses bedauerlichen Zustandes ist allein die Unwissenheit. Die meisten haben keine Ahnung davon, dass »das Leben (der Geist) mehr ist als die Speise und der Leib mehr denn die Kleidung«, wie Christus zu sagen pflegte.

Der Mensch sollte sich von den weltlichen Freuden abwenden, damit er mit himmlischen Gütern gesegnet werde. Genau wie Joseph von seinen Brüdern in einen Brunnen geworfen wurde, so fiel der Geist zusammen mit dem Gemüt und den Sinnen in den Brunnen des Körpers und befindet sich nun in einem hilflosen Zustand. Wenn wir die wunderbare Leiter, die uns der Vater - Gott - bereitgestellt hat, ergreifen könnten, gelingt es uns, wieder emporzusteigen. Diese Leiter ist der Tonstrom, der uns aus diesen dunklen, abgründigen Tiefen in das helle Licht Gottes bringt und uns in die verschiedenartigen spirituellen Welten führt, die uns gegenwärtig nicht sichtbar sind.

Die physischen Augen können nur physische Dinge sehen, und beide sind Verfall und Tod unterworfen. Aber wenn unser inneres Auge geöffnet wird, sind wir imstande, unsterbliche und unvergängliche Bereiche zu erblicken.
Shamas Tabrez sagt:

Ein Tier, das den Kopf nach unten gerichtet trägt, mag immer an Essen und Trinken denken; doch es schäme sich der Mensch, der das Haupt erhoben hat, wenn er nicht nach oben schaut.

Solange sich ein Mensch nicht über die Sinneswelt erhebt, bleibt er der hohen Himmel unkundig, die für seine Glückseligkeit gedacht sind.
Dazu sagt Maulana Rumi:

Solange sich der Geist nicht über das Körperbewusstsein erhebt, bleibt er den jenseitigen spirituellen Welten ein Fremder.

Wenn der Geist die physische Ebene einmal überschreitet, erbt er das spirituelle Königreich als sein Geburtsrecht, denn das Reich Gottes liegt in ihm.
Hafiz Shirazi bemerkt:

Wenn du die Karawanserei des Körpers nicht verlässt, wie kannst du dann die wahre Heimat deines Geliebten erreichen?

Das Überschreiten des Geistes über die Sinne wird in Sant Mat als Tod im Leben (Selbst-Entwerdung) und in der vedantischen Terminologie als Selbstanalyse bezeichnet. Christus nannte es die Zweite Geburt oder die Neue Geburt, und die Moslems sprechen vom »Sterben vor dem Tod«. Dieses Eintauchen in Gott ist die wahre Auferstehung oder der Beginn eines neuen Lebens. Das ist nur möglich, wenn man den Pfad einer Meisterseele aufnimmt, welcher kein anderer als der des Tonstromes ist.
Der Meister weilt unter uns als Personifiziertes Wort, oder wie die Evangelien von Christus sagen, »das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns«. Indem er uns seinen eigenen Lebensimpuls überträgt, hebt er uns zeitweilig über das Körperbewusstsein empor und gewährt uns eine direkte innere Erfahrung des Licht- und Tonprinzips, die durch regelmäßige tägliche Übung in jedem beliebigen Umfang weiterentwickelt werden kann.

Dies leitet den Geist nach und nach von der physischen zur astralen oder mentalen Ebene und dann weiter zum kausalen oder Ursachen-Plan, bis er schließlich die rein spirituelle Ebene - Sach Khand, die wahre Heimat unseres Vaters erreicht.
Wenn die Seele am Ende ihrer Reise in die Heimat des Vaters gelangt und die Herrlichkeit Gottes in ihrem unbeschreiblichen, strahlenden Licht schaut, beginnt sie Gott überall im Universum zu sehen. Als sich Christus und auch Buddha über das Körperbewusstsein erhoben, wiesen sie auf den Weg hin, der zum Reich Gottes und zum Nirvana führt. Die Moslems nennen es Muqam-i-Haq und die Christen Neues Jerusalem. Danach sagte Christus: »Sehet den Herrn«, und Guru Nanak rief aus: »Der Herr von Nanak ist überall sichtbar«. Der Weise von Dakshineshwar, Paramhansa Sri Ramakrishna, entgegnete, als er von dem jungen Naren, später als Swami Vivekananda bekannt, gefragt wurde, ob er Gott gesehen habe: »Ja, mein Kind, ich habe Ihn so deutlich gesehen, wie ich dich sehe, nein, viel deutlicher«.

Der Herr von Nanak ist in seiner Fülle überall und in allen Dingen gegenwärtig.

1 Suhi M. 5

Der Unsichtbare, der Unbegreifliche, der Unnahbare offenbart sich dem wahren Ergebenen in all Seiner Herrlichkeit.

Sri Rag M. 4

Der Gott Nanaks wohnt allen Formen und Farben inne, seien sie sichtbar oder unsichtbar.

Suhi M. 4

Groß ist der absolute, unvorstellbare, unbeschreibliche und unvergleichliche Gott. Er ist weder Licht noch Ton. Er ist in sich selbst das, was Er ist, doch in der gewöhnlichen Sprache muss man Ihn in Worten mit eingeschränkter Bedeutung ausdrücken, die aus der engen Quelle des begrenzten Verstandes kommen.

Gott, der Unendliche, muss natürlich in endlichen Worten beschrieben werden;
wie kann ich wissen, was Er ist?

Sorath M. 5

Als die absolute Kraft ins Dasein trat und der geoffenbarte Gott wurde, entstand eine Vibration, die das Licht- und Ton-Prinzip hervorbrachte, das alle Heiligen als Licht und Udgit bezeichnen. Der absolute Gott kann weder gesehen noch gehört werden, denn bisher hat niemand Gott gesehen. Der sich mittels des Licht- und Ton-Prinzips zum Ausdruck bringende Gott kann jedoch gesehen und gehört werden. Dies kann der Geist nur durch die innere Schau und das innere Gehör erfahren, die sich entfalten, wenn man sich über das Körperbewusstsein erhebt. Die Heiligen nennen den absoluten und den sich offenbarenden Gott Maha-Dayal, bzw. Dayal. Der Tonstrom ist für die verschiedenen Schöpfungen verantwortlich, für die spirituellen Bereiche und alle Ebenen in ihren vielfältigen Ordnungen und Abstufungen. Dieser von oben kommende Tonstrom bildet die rein spirituellen, die spirituell-materiellen, die materiell-spirituellen und die materiellen Ebenen, von denen die drei letzten bei der großen Auflösung und Zerstörung vergehen.

Jede Ebene hat ihre besondere leitende Gottheit. So ist Jot Niranjan zum Beispiel der Herr von And, der feinstofflichen oder mentalen Ebene, und der Schöpfer des materiellen und physischen Universums, welches das nächst untere in der Hierarchie ist. Onkar ist der Herr der Kausal- oder Ursachen-Region und Schöpfer der niederen Ebene von And oder des feinstofflichen Universums. Andere Gottheiten herrschen über andere Ebenen in der aufsteigenden Ordnung des Schöpfungssystems. Natürlich leiten sie alle ihre Autorität von Sat Purush oder Sat Naam, Dayal oder Ekankar ab.

Wenn sich der Geist vorn Körper zurückzieht, schreitet er allmählich von einer Ebene zur anderen, bis er Sat Naam oder Haq erreicht. Nach dem, was hier gesagt ist, sollte es klar sein, dass der Geist bis jetzt eine von Sat Naam ganz getrennte Wesenheit ist. Der höchste Herr von allem wird Khasum (der Gott von allem), Soami, Hari Rai, Maha-Dayal oder Nirala genannt, einzigartig in sich selbst und nicht zu beschreiben. Der Geist geht in Ihm auf, so wie sich ein Wassertropfen im Meer verliert oder ein Lichtstrahl in der Sonne.
Wie sich Wasser mit Wasser vermengt, so taucht Licht in Licht.

Gauri M. 5

Wie sich ein Lichtstrahl in der Sonne verliert und ein Tropfen im Meer, so auch das Licht des Geistes im Großen Licht.

Bilawal M. 5

Dieser Zustand macht jegliche Beschreibung unmöglich. Die Moslem-Heiligen nennen ihn, Hairat, die Hindus, Aschraj und die Sikhs Waho. Sie alle sind Ausdrücke des Erstaunens. Die Lehren der meisten Hindu- und Moslem-Heiligen reichen bis Brahm. Sehr selten finden wir in ihnen Hinweise auf Par-Brahm. Das Ideal der Meister liegt jedoch weit über dem letzteren - es ist eine Ebene jenseits der Zerstörung und der Großen Auflösung.

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