Der Meister spricht

Die Suche nach der Wahrheit

Wir befassen uns weder mit Rassen und Religionen, noch mit irgendeiner sozialen Ordnung .Die vor uns liegende Aufgabe ist die Gottes oder des Gottmenschen, der Gott gefunden hat. Wir beten alle die Wahrheit an, die Eine ist und alles durch-dringt.

”Es mögen Myriaden Liebende sein, doch der Geliebte ist einer.
Bekenntnisse und Glaubensansichten mögen verschieden sein, aber das Ziel ist eines.”

Wir suchen alle Gott - den Gott des ganzen Universums und den Gott der Gelehrten und Ungelehrten. Er hat nichts zu tun mit Hinduismus, Sikhismus, Islam oder Christentum. Er ist Ei-ner und nur Einer, und wir beten Ihn an. Hingabe an den Meis-ter ist eine unerläßliche Bedingung auf dem Weg gottwärts. Christus sagte: ”Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. So lange die Reben am Weinstock sind, werden sie weiter Frucht bringen.” Das bedeutet, daß die Gottsucher im Gottmenschen Wurzeln schlagen müssen. Ohne Hingabe an den Meister kann man nichts erreichen. Der Guru geht Gott voraus. Wir haben Gott nicht gesehen, noch können wir Ihn sehen. Er ist auf einer viel höheren Ebene als die, auf der wir sind. Er ist das Sub-tilste vom Subtilen und jenseits jeder Vorstellung. Solange wir uns nicht zu Seiner Ebene erheben und so subtil werden wie Er, können wir Ihn nicht sehen. Jeder hat seinen eigenen Ge-sichtskreis. Selbst die uns umgebende Atmosphäre ist voll win-ziger Lebewesen, die wir Mikroben nennen, aber wir können sie ohne Hilfe eines Mikroskops nicht sehen. Das Mikroskop verän-dert unser Sehvermögen und wir sehen die Mikroben vergrößert.

Die wichtigste Aufgabe des Menschen ist es, sich zur Ebene Gottes zu erheben. Im Gottmenschen ist Gott vollkommen offen-bart. Wenn wir ein dem Guru Ergebener werden, erheben wir uns zur Ebene Gottes und beginnen, die Kraft und den Geist Gottes in ihm zu sehen. Wir können uns Gott nicht vorstellen, noch ihn geistig betrachten, da er formlos ist. Im Guru nimmt Gott Gestalt an. Hingebung an den Meister ist somit Hingebung an Gott in ihm. In der Tat ist der Meister nicht der Körper, son-dern die in und durch diesen Körper wirkende Gotteskraft. Er ist der menschliche Pol, durch den die Gotteskraft wirkt und das Werk der Erlösung vollbringt. Diese Kraft wird nicht gebo-ren, noch stirbt sie. Sie bleibt ewig die gleiche:

”Gott kann nicht sprechen, es sei denn, Er nimmt
menschliche Form an.
Wie kann sich der Formlose ohne eine menschliche Form
zum Ausdruck bringen.”

So ist der Guru der menschliche Pol Gottes und wirkt wie ein lebendiger Schalter mit der ganzen Energie des ihn spei-senden Kraftwerkes. Nur der Mensch kann der Lehrer des Men-schen sein. Um Gott zu erkennen, muß man die Hilfe eines gött-lichen Lehrers suchen. Im göttlichen Lehrer oder dem Guru wogt die Kraft Gottes in Fülle. Seine Augen sind die überfließenden Schalen der Gottheit. In seiner Gegenwart verliert man jeden Gedanken an sich selbst, an die diesseitige oder die jenseiti-ge Welt. Von dieser Stufe an beginnt ‘Gurbhakti‘ (anbetungs-volle Hingabe an den Meister). Von nun an lebt der Schüler im und für den Meister. Als sich Paulus in das höhere Bewußtsein der Christuskraft erhob sagte er: ”Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir.” Khawaja Hafiz sagt auf seine Weise dasselbe:

”Mein ganzes Sein ist so durchdrungen von der Liebe Gottes,
daß ich nun keinen Gedanken mehr an mich habe und mein al-tes Selbst vollkommen verschwunden ist.
0 Herr, nun bin ich Dein und Du bist mein;
ich bin der Leib und Du bist wahrlich meine Seele.”

An anderer Stelle sagte dieser Sufi-Mystiker:

”Seit ich mit meinem Geliebten verbunden bin, habe ich je-des Gefühl der Furcht verloren,
einer, der tief in das Wasser des Lebens eingetaucht ist, kann keine Furcht vor dem Tod haben.”

Als der Apostel eins war mit Christus, sagte er:

”Ich wandle nun furchtlos durch die Schatten des
Todestales, denn Du bist bei mir.”

Es ist eine Frage des Überpflanzens - der Überpflanzung ei-nes Zweiges des einen Baumes auf einen anderen. Was geschieht? Die Frucht des zweiten Baumes nimmt, während sie ihr eigenes Aussehen und ihre Farbe behält, den Geschmack und das Aroma des ersten Baums an. Genau das geschieht, wenn die Meister-kraft oder der Lebensimpuls des Guru auf den Schüler einwirkt. Während er zwar bleibt wie vorher, ist der Schüler nicht län-ger sein bisheriges Selbst, denn der Meister hat ihn durch ein Lösegeld losgekauft. Um eins zu sein mit Gott - ‘Fana-fil-allah‘ - muß man erst seins sein mit dem Gottmenschen - ‘Fana-fil-sheikh‘. Dies ist der einfachste Weg, Gott zu erreichen. Es ist der Atman in uns, der den Faram-Atman er kennen muß. Ein Teil ist immer auf der Suche nach dem Ganzen. Wir sind so beschaffen, daß wir nicht ruhen können, bis wir Ruhe finden in Ihm. Die Flamme einer entzündeten Kerze wird sich, auch wenn sie nach unten gehalten wird, dennoch nach oben richten. Ein Klumpen Erde wird, wenn er nach oben geworfen wird, mit Si-cherheit herunterfallen. Dies ist das Gesetz der Schwerkraft. Alles neigt dazu, sich seinem Ursprung zuzubewegen. Eine be-wußte Wesenheit kann nicht anders, als das Meer allen Bewußt-seins zu suchen. So ist die Suche nach Gott etwas Natürliches im Menschen. Warum? Weil wir auf der Suche nach Frieden und Glück sind. Aber unglücklicherweise geht unser Suchen in eine falsche Richtung. Wir bemühen uns, Glück in der Welt außerhalb von uns zu suchen. Und seltsam genug, wie klein die Freude auch sein mag, die wir aufgrund geistiger Konzentration errei-chen, wir nennen sie Glück. Es ist jedoch falsch, Sinnesfreu-den Glück zu nennen. Wenn die Wirklichkeit in uns aufdämmert, werden wir uns unseres Irrtums bewußt. Das wahre Glück liegt in uns. Es ist aus der Liebe geboren, aus der Liebe zum wahren Selbst in uns und der Liebe zum Überselbst, das ebenfalls in uns ist. Gott ist die Seele unserer Seele. Jede Seele ist vom gleichen Wesen wie Gott. Somit besteht eine angeborene Ähn-lichkeit zwischen beiden. Aber durch das Fehlen von wahrem Wissen und den Mangel an kompetenten Lehrern begreifen wir un-sere wirkliche Lage nicht. Wie ein Schmetterling flattern wir von Blume zu Blume auf der Suche nach Honig, oder wie ein Mo-schustier irren wir von Ort zu Ort auf der Suche nach dem Mo-schus. Wir wissen nicht, daß der Honig und der Moschus genau im Zentrum unseres Seins in uns liegen. Ein Kind erfreut sich auf dem Spielplatz, während ein intellektueller Mensch sich an seinem Intellekt erfreut. Andererseits sucht ein junger Mann Freude in seiner Familie. So reist das Glück von einem Ort zum andern, aber es trotzt all unseren Versuchen, es zu erreichen. Wenn einer dessen müde wird, bemüht er sich, das Glück anders-wo zu suchen. Dies ist der Anfang der Weisheit. Von außen wen-det er sich nach innen. Gott, der alle Herzen kennt, trifft Vorsorge für den Strebenden. Er führt den Wahrheitssucher zu einem, der die Wahrheit in sich selbst verwirklicht hat und kompetent ist, uns zur Wahrheit zu führen. Wir haben einen Psalm von Guru Rem Das vor uns und wollen sehen, was er zu sa-gen hat:

”Der Pfeil der Liebe Gottes hat mich getroffen.”

Dies ist eine wunderschöne Art, seine Liebe zum Herrn zu beschreiben. Wenn diese Liebe einmal im Herzen ist, dringt sie mit der Zeit tiefer und tiefer ein. Sie ist völlig verschieden von der Liebe zu weltlichen Dingen. Guru Ram Das gibt uns in seinem Psalm eine Beschreibung seiner eigenen Neigung. Er hat-te eine intensive Liebe zu Gott und sie wirkte sich wie eine Besessenheit aus. Er fährt fort zu erklären, was sie für ihn bedeutete:

”Ich bin ruhelos vor Sehnsucht nach dem Anblick Gottes,
so ruhelos wie ein Durstender der nach Wasser verlangt.”

In diesem Vers versucht er, die Art des Verlangens in sich zu beschreiben. Der große Lehrer möchte Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Er vergleicht seinen Zustand mit dem eines Menschen, der aus Mangel an Wasser stirbt. Man kann sich gut vorstellen, was für ein schmerzhafter Zustand dies ist. Lie-bende schmachten und vergehen in ihrer Liebe nach dem Gelieb-ten. Gott ist Liebe. Unsere Seele, die vom Wesen Gottes ist, ist ebenfalls gefärbt in der Farbe der Liebe. Für den Menschen ist es nur natürlich, die eine oder andere Sache zu liehen. Gegenwärtig lieben wir unseren Körper und die körperlichen Verbindungen - Familie und Kinder, Freunde und Vorwandte, Wohlstand und Besitz. Aber all diese Dinge sind, wie ihr fest-stellen werdet, von unbeständiger Natur. Darüber hinaus ändern sie sich von einem Augenblick zum anderen. Und schließlich bleiben sie nicht immer bei uns. Entweder müssen wir sie im Laufe der Zeit verlassen, oder sie uns. Da dies der Fall ist, können wir keine beständige Freude von ihnen erhalten. Es ist nur eine flüchtige Angelegenheit. Guru Arjan sagt uns in die-sem Zusammenhang:

”Wir lieben alles, was sichtbar ist,
o Herr, wie können wir Dich, den Ewigen lieben.”

Dies ist jedoch nicht alles. Es ist auch eine Art Bindung. Wir werden im Moment vom Glanz und Zauber der weltlichen Dinge davongetragen. Wir sehen die Dinge nur oberflächlich. Wir er-kennen nicht, daß sie nicht für eine längere Zeit bei uns bleiben. Die Freuden der Welt kommen und gehen wie die Bilder auf der Leinwand. Wie können wir mit vorüberziehenden Schatten glücklich sein? Wahres Glück ist ein Geisteszustand. Deshalb betonen die Heiligen:

”Wenn du wahres Glück suchst, nimm Zuflucht zu den Füßen des Herrn.”

Die Kraft des Herrn durchdringt alles und verbreitet sich ü-berall. Die Heiligen beten allein das Höchste Wesen an. Es gibt keinen Gott außer Gott. Sie sagen uns, daß wir den einen Gott anbeten sollen. Sie kommen in die Welt, um uns mit Gott zu verbinden. Ihre Mission ist nicht, persönliche Verbindungen mit sich herzustellen. Sie sind die Heilsbringer oder Boten Gottes. Sie bringen uns Seine Botschaft. Sie leben im Willen Gottes und haben keinen eigenen Willen. Kabir betete immer:

”Mein Wunsch ist belanglos,
was immer ist, kommt von Dir.”

Wir können die Schriften jedes Heiligen nehmen. In jeder finden wir die Lobpreisung des Herrn. Sie haben nichts aus sich selbst zu sagen. Christus sprach von sich und sagte: ”Ich kann nichts von mir selber tun, sondern ich tue des Vaters Willen, der mich gesandt hat.” Heilige haben kein Gefühl der Ichheit in sich. Der große Lehrer hat eine große Pein in sei-nem Herzen. Derjenige, der den Schuh trägt, weiß, wo er drückt. Die Gottsucher sind immer in einem Zustand der Kreuzi-gung. Warum? Man muß sich über das Kreuz des Körpers erheben - dem Schnittpunkt zwischen der physischen und der astralen Welt im Menschen (dem Augenbrennpunkt):

”Der Geliebte lebt weit oben,
wie können wir Ihn erreichen?”

Es ist eine Frage des inneren Kampfes zwischen dem Gemüt und der Seele. Die Seele wünscht sehnlichst, die Überseele (Gott) zu erreichen. Die Seele schmachtet in der Liebe zum Herrn. Man möchte entweder zu Gott emporsteigen, oder, daß Gott zu einem herunterkommt. Es gibt keine dritte Möglichkeit. Man möchte die Wirklichkeit von Angesicht zu Angesicht sehen und ganz in Ihm aufgehen. Das ist das Wesen der Liebe. Amir Khusro, ein Mystiker-Dichter, sagte: ”0 Gott, komm zu mir und wohne in den Pupillen meiner Augen. Laß Dich mich sehen und mich nicht sehen. Laß unser Liebesspiel zwischen uns alleine sein.” Kabir sagte gleicherweise

“Komme Du in die Kammer meiner Augen und ruhe dort für eine Weile,
ich würde Dich mit meinen Liedern verbergen und versuchen, Dich für mich zu gewinnen.”

So sprechen Liebende. Sie fließen über vor Liebe (zum Herrn). Dies ist der Weg, um mit Gott eins zu sein. Spiritua-lität kann nicht gelehrt werden, aber von einem, der sie in sich hat, wie eine Infektion aufgefangen werden. Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig. Es ist genau, wie man Milch mit ein wenig Quark säuern kann. In der Gesellschaft ei-nes solchen Menschen beginnen wir, etwas von seiner Farbe an-zunehmen. Man fühlt mit Sicherheit eine gewisse Veränderung in sich. Die Ausstrahlung eines solchen Menschen wird uns auf je-den Fall bis zu einem gewissen Ausmaß beeinflussen.

Der Weg zu Gott liegt in der Liebe. Liebe ist das Binde-glied zwischen der Seele und der Überseele. Alle religiösen Praktiken und Rituale, die wir verfolgen, sind Hilfsmittel, um die Flamme der Liebe in uns zu entzünden. Aber unglücklicher-weise führen wir sie als eine Routinesache auf der physischen Ebene durch, wie Gymnastik; und so bringen sie keine innere Wandlung zustande und sind von keinem großen Nutzen für uns. Daher ist gesagt:

”Man mag hundert Jahre lang religiöse Praktiken und Buß-übungen durchführen und dennoch weit von Gott entfernt sein; man kann Gott nicht gewinnen, ohne die Flamme der Liebe in sich zu entzünden.”

Wir müssen das Feuer der Liebe in uns entfachen. Ohne Liebe können wir Gott nicht erreichen, denn Er ist Liebe. Im Feuer der Liebe überlebt nichts als der Geliebte. Im Koran heißt es: ”Liebe ist ein Waldbrand, der alles verzehrt außer den Gegens-tand der Liebe.”

Wiederum wird Liebe auch mit einem spähenden Adler vergli-chen, vor dem alle kleinen Vögel davonfliegen, um sich zu ret-ten. Wer hält dieser furchtbaren Feuerprobe stand? Niemand au-ßer dem, der das Feuer entzündet hat. Guru Gobind Singh, der zehnte Guru in der Nachfolge Guru Nanaks , sagte richtig:

”Hört alle aufmerksam zu - wahrlich, ich sage euch, es ist durch die Liebe, daß man Gott erreicht.”

Guru Ram Das fühlt sich nun, nachdem er das Feuer der Liebe für den Herrn in sich entwickelt hat, ruhelos wie ein Dürsten-der nach Wasser. Er fährt darum fort zu erklären:

”Gott allein kennt den Zustand meines Herzens und
die große Qual in mir.”

Bitte versteht, daß es nur der Geliebte sein kann, der die quälende Pein im Herzen des Liebenden verstehen kann. Gott kennt alle Herzen und Er weiß am besten, wer sich nach Ihm verzehrt. Nur jemand, der diesen Zustand durchgemacht hat, kann sich vorstellen, was er bedeutet. Ich möchte euch von meinem Gemütszustand im Jahr 1911 und 1912 erzählen. In jenen Tagen hatte ich ein großes inneres Drängen nach Gott. Es moch-te teilweise von meinen vergangenen Karmas und teilweise von der gegenwärtigen Entwicklung abhängen. Während ich im Büro saß, flossen ungewollt Tränen aus meinen Augen und befleckten die vor mir liegenden Schriftstücke. Ich fragte mich, was das sein konnte. Damals hatte ich gerade den Befehl zur Versetzung erhalten und meine Kollegen und die Familienangehörigen dach-ten, daß ich mir diese Versetzung zu Herzen genommen hätte. Wie konnten sie meinen wirklichen Gemütszustand kennen?

Das Mysterium des Lebens ist das größte Mysterium im Leben. Wenn diese Frage einmal auftaucht, kann man sie nicht mehr ig-norieren, auch wenn man es noch so sehr versuchte. Sie kommt immer wieder hoch und erscheint auf verschiedenartigste Weise. Ich hatte einmal Gelegenheit, bei einer Sterbenden zu sitzen. Dieses Erlebnis hatte eine tiefgreifende Wirkung auf mich. Mit der Reinheit des Lebens hatte ich auch die Fähigkeit entwi-ckelt, in die Zukunft zu sehen. All das fiel mir auf natürli-che Weise zu. Aber bei alledem konnte ich das Rätsel des Le-bens nicht lösen. Der Anblick der Sterbenden vor meinen Augen ließ mein Herz schneller schlagen. Ich konnte fühlen, daß da etwas war, das aus diesem Menschen entwich. Aber ich konnte nicht herausfinden, was es war. Ich wußte noch nichts vom Le-bensimpuls. Während er in mir noch wogte, ebbte er in dem an-deren Menschen ab. Die Frau auf dem Totenbett rief ihre Freun-de und Verwandten zu sich, um sie noch einmal zu sehen, bevor sie sie für immer verließ; und im Augenblick danach schloß sie die Augen, um sie nie mehr zu öffnen. So ging sie vor meinen Augen hinüber, und ich war verwirrt. Ich war bestürzt, den to-ten Körper vor mir zu sehen. Das Leben in ihr war gegangen. Aber ich fühlte, daß es in mir noch weiterwirkte. Ich folgte der Bahre mit den anderen zur Verbrennungsstätte. Auf dem Wege schauten meine Augen forschend zur Totenbahre, konnten aber nichts entdecken. Sogar die Gelehrten und Weisen wissen nicht, wie dieses Mysterium zu lösen ist. Als wir am Verbrennungs-platz ankamen, sah ich den Leichnam eines alten Mannes, der auf den Scheiterhaufen gelegt wurde. Neben diesem errichteten wir einen neuen Scheiterhaufen für den Körper der jungen Frau, den wir auf unseren Schultern getragen hatten. Der Kontrast zwischen den beiden Szenen - dem jungen und dem alten Menschen - vertiefte die Qual in meinem Herzen. Weder der eine, noch der andere konnte den Fängen des Todes entrinnen. Beide lagen sie leblos vor mir. Ich wollte wissen, was das Leben ist. Ich versuchte, die Antwort auf mein Problem in den Büchern zu fin-den. Ich pflegte Nächte hindurch zu lesen. Aber die Bücher verhalfen mir zu keiner Lösung. Alles was ich ihnen entnehmen konnte, waren hier und dort verschleierte Hinweise. An einigen Stellen fand ich lange Erklärungen der Aussprüche der ‘Mahat-mas‘, die in diesen Büchern aufgezeichnet waren und einem rie-ten, dieses oder jenes zu tun. In den Büchern stand sogar, daß es eine Frage des Todes im Leben sei. Aber wie das vor sich ging, war die Frage. Dafür gab es keine Antwort in den Bü-chern. Buchwissen kann nicht geben, was man durch praktische Erfahrung bekommen kann. Es ist eine Frage der Selbstanalyse. Ein wahrer Meister kann einem eine Erfahrung vom Ausweg geben. Ich konnte das große Mysterium in seinem praktischen Aspekt erst verstehen, als ich zu den Lotosfüßen meines Meisters, Ha-zoor Baba Sawan Singh Ji Maharaj, kam. So bahnen sich alle Dinge ihren Weg und formen sich, wenn ein intensives Verlangen da ist. Ich allein wußte, warum ich in jenen Tagen Tränen ver-goß. Wie hätten andere davon wissen können?

In der Welt sehen wir die Menschen nach dem einen oder an-deren weinen und klagen. All diese Tränen sind um Dinge der Welt. Sehr wenige weinen um die andere Welt (das Leben da-nach). Ein wahrer Gottsucher ist immer im Zustand akuter Ruhe-losigkeit und das ist immer ein glückliches Vorzeichen. Die dichten und drückenden Wolken sind die Vorboten des Regens. Die Obstbäume bringen erst Knospen und Blüten hervor, bevor sie die eigentliche Frucht tragen. So war der Gemütszustand von Guru Ram Das. In einem Zustand wie diesem sagt man unwei-gerlich: ‘0 Herr! Ein Augenblick der Trennung von Dir wird zur lebenslangen Agonie.‘ Eine Nacht der Trennung ist eine furcht-bare Hölle. Der Weltkluge weint nach der Welt, aber ein Erge-bener weint nach dem Herrn:

”Durch Tränen erreicht man Gott;
wenn man Ihn bequem erreichen könnte, wer würde
dann Trauer anlegen?”

Es ist notwendig, den tief im Herzen liegenden Gefühlen Luft zu machen. Durch eine reiche Tränenflut können wir die aus Zeitaltern stammenden Eindrücke, die in das Gemüt einge-graben sind, wegwaschen. Maulana Rumi sagt uns, daß eine Pil-gerfahrt zur Kaaba nur auf dem Seeweg möglich ist und nicht zu Lande. So kann Gott nur über Tränen erreicht werden, die über unsere Wangen hinab fließen. Dies ist folglich der Zustand von Guru Ram Das. Die Welt weiß nicht, was das ist, aber Gott weiß es sehr gut.

”Wer mir von meinem Geliebten Herrn erzählt, ist mein nächster Verwandter.”

In diesen denkwürdigen Worten hat der Guru ein schönes Bild seiner inneren Gefühle gegeben. Sind wir nicht immer begierig, etwas über einen zu hören, der uns nah und lieb ist? Gott ist der Liebste der Lieben und der Nächste der Nahen. Wir suchen alle Gott und sind begierig, etwas über Ihn zu hören. Wo ist Er? Wie kann man Ihn finden? Wie kann Er mit uns versöhnt wer-den? Und zuletzt, wie kann Er für uns gewonnen werden? Gott ist das einzige Ziel unseres Wünschens und für ihn sollten wir bereit sein, alles zu opfern, einschließlich unseres Selbst. In der Liebe dehnt man sich aus und glaubt, daß man der reichste Mensch auf der Welt ist und in der Lage, um Seinet-willen alles aufzugeben - sowohl sich selbst als auch seine Welt. Wir sind so begierig, von Ihm und seinen Erzählungen zu hören, daß uns jeder, der von Ihm spricht, teuer wird. Es kann ein uns völlig fremder Mensch sein, und dennoch beginnen wir, ihn zu lieben wegen der Botschaften von Gott, die er uns bringt. Guru Arjan sagt desgleichen:

”Wer auch immer mich zu meinem geliebten Gott bringt,
dem verkaufe ich mich glücklich als Sklaven.”

Warum sollte jemand lebenslang eines anderen Sklave sein? ”Weil ich so begierig bin, meinen Geliebten von Angesicht zu Angesicht zu sehen.” Dies ist dann der Gemütszustand eines Menschen, der in seiner Liebe zum Herrn verschmachtet. In solch einem Zustand ist uns jeder, aber auch jeder willkommen, der uns Liebesgeschichten erzählen kann. Der Geschichtenerzäh-ler mag irgendwer auf der Welt sein. Wir interessieren uns nicht für seinen Stand oder seinen Glauben oder die soziale Ordnung, zu der er gehört. Wir sind alle Zecher in der göttli-chen Taverne. Wir alle lieben göttliche Berauschung. Wenn eine Anzahl Trinker zusammensitzt und sich freuen kann, warum kön-nen es die Ergebenen Gottes nicht? Das bedeutet, daß wir die Liebe zu Gott noch nicht entwickelt haben. Wenn die Gottes-kraft in uns allen wohnt, warum haben wir dann keine Liebe un-tereinander? Der erste Schritt in der Spiritualität ist, die-ses fundamentale Prinzip zu erkennen. Einer, der dieses Grund-prinzip verstanden hat, nimmt eine andere Farbe an:

”Seit ich in die Herde eines Gottmenschen gekommen bin,
habe ich jedes Gefühl der Zweiheit verloren und keiner ist mir fremd; ich bin nun allen ein Freund und jeder liebt mich.”

Dies ist nun die auffallende Änderung, die einer in sich spürt, wenn er beginnt, sich mit einem Heiligen zu verbinden. Er beginnt, die Welt zu lieben, weil er die Kraft Gottes in jedem sieht, ohne Unterscheidung auf Grund von Religion, Stand oder Glaubensbekenntnis. Das ist die erste Lektion, die man vom Satguru bekommt.

”Der Satguru ist bekannt für seine allesumfangende Liebe,
in seiner Gemeinschaft sitzen alle zusammen und bilden ei-ne heilige Familie.”

Aus diesem Grund betrachtet Guru Ram Das jedermann als ech-ten Freund und nahen Verwandten. Auf der anderen Seite sind wir alle ichbezogen und haben noch nicht erkannt, daß wir alle Brüder und Schwestern in Gott sind. Alle Verbindungen dieser Welt bleiben in der Welt zurück, wenn die Seele sie verläßt. Der Guru aber verknüpft uns in einer Art von Bruderschaft, die immer währt. Wie? Er stellt ein gemeinsames Ziel vor uns auf - das Ideal der Gotterkenntnis. Wenn das Endziel das gleiche ist, müssen wir den gemeinsamen Pfad beschreiten, der zum Ziel führt. Letzten Endes werden wir uns alle in Gott treffen. Ein-mal fragte ich meinen Meister, wie denn am Ende alle Schüler sich treffen würden, wenn jeder seine eigene Zeitspanne und sein eigenes Maß des Fortschritts auf dem spirituellen Pfad habe? Hazoor antwortete: ”Wir müssen alle den Strom des Lebens überqueren. Einige mögen mit dem ersten Boot übersetzen, ande-re mit dem nächsten. Der Landehafen ist letztlich der gleiche für alle. Wir werden uns alle in diesem Hafen treffen.” Des-halb ist gesagt:

”Der Guru sucht die Seinen und vereint sie in der
wahren Verwandtschaft, die ewiglich die gleiche
bleibt.”

Das ist die Art von Verwandtschaft, in der wir durch den Meister vereint werden. Die Menschen der Welt kommen und gehen in ihrem eigenen Rhythmus und sind bald vergessen. Aber die gottesfürchtigen Menschen bleiben für immer bei uns, sowohl hier als auch im Jenseits. Sie sprechen mit uns über Dinge, die uns teuer sind. Sie sind in der Tat unsere wirklichen Be-gleiter. Die Vögel gleichen Gefieders fliegen zusammen. Ein Ergebener des Herrn freut sich, über den Herrn zu hören. Wir achten alle religiösen Führer, ganz gleich welcher sozialen Ordnung sie angehören, oder wo sie auch immer sein mögen. Die Unterschiede bestehen nur auf der körperlichen Ebene. Die See-le ist die Wirklichkeit und hat keinen Stand, keine Farbe oder Konfession. Von der Ebene der Seele her sind wir alle gleich. Hier liegt die Einheit in der Vielfalt. Wir haben es verges-sen. Ein erwachter Mensch weist uns auf diese Tatsache ein-dringlich hin. Er macht sie uns bewußt. Wenn wir den Körper überschreiten, dehnt sich unser Bewußtsein aus und kommt der Allbewußtheit näher. Auf diese Weise werden wir uns der Ab-sicht und des Planes Gottes bewußt. Dann erkennen wir, daß wir die Kinder eines Gottes sind und daß wir alle wie Brüder und Schwestern in Gott zusammenleben müssen:

”Laßt uns alle miteinander verbunden sein wie befreundete Mädchen und des Herrn Lobpreis singen, nachdem wir uns die Lektionen eines Gottmenschen in der Gottesliebe zu Herzen genommen haben.

In der östlichen Terminologie wird Gott allein als der Bräutigam betrachtet, während alle von Ihm ausgehenden Seelen als Bräute oder Jungfrauen gelten. Jene, die sich mit dem Herrn vereinen, treten in einen ewig währenden Ehestand ein und sind für immer glücklich. Die irdischen Verbindungen sind kurzlebig - vielleicht 10, 50 oder selbst 1000 Jahre. Guru Ram Das rät uns deshalb, wir sollten lernen, als Freunde in Gott zusammenzusitzen und uns an nichts anderem zu erfreuen, als an Gespräch über Gott. Wir können Loblieder auf den Herrn erst singen, nachdem ein Satguru uns einen inneren Kontakt mit der Gotteskraft gegeben hat. Ohne diese echte Erfahrung tun wir dies, nachdem wir von Gott nur in den Schriften gelesen oder über ihn von anderen gehört haben. Dieses Singen ist zweitran-giger Natur. Aber wenn wir lobsingen, nachdem wir die Wirk-lichkeit gesehen und die göttliche Berauschung gekostet haben, wird unser Singen von transzendenter Art sein. Welch ein welt-weiter Unterschied zwischen den beiden. Die Lieder mögen die gleichen sein, aber die Sänger sind anders.

Die Ergebenen des Herrn bleiben in Verbindung mit dem Herrn. Sie sehen Ihn von Angesicht zu Angesicht. Sie leben in einem Zustand dauernder Berauschung. Wenn sie von Gott singen, tun sie das auf eine für sie ganz besondere Weise. Ihnen ist ein charakteristischer Rhythmus und Klang eigen. Ihre Lieder fließen ganz von selbst aus der Tiefe ihres Herzens und berüh-ren jene tief, die sie hören. Wir können diese Empfindung und diesen Zauber nicht von den Liedern jener erhalten, die keine praktische Erfahrung von Gott haben. Mit einer Erfahrung der Gotteskraft im Gottmenschen können wir nicht anders, als un-willkürlich von Ihm zu singen. Der Satguru ist die Quelle der Kraft und des Geistes Gottes. Er gibt uns eine Kostprobe die-ses Elixiers. In seiner Gemeinschaft wird unser Intellekt still, und wir fangen an, uns über ihn zu erheben. Ohne diese wesentliche Erfahrung sind unsere Lieder, wie süß und melo-disch sie auch sind, nur zweitklassig. Warum? Weil unser In-tellekt unablässig fortfährt, an dieses oder jenes zu denken. Diese ständige Vibration im mentalen Bereich stellt eine große Hürde auf unserem Weg dar. Wir mögen mit den besten Vorsätzen und reinsten Motiven beginnen, aber wir können den Intellekt nicht am Arbeiten hindern. In der Tiefe unseres Gemüts sind unterschwellige Strömungen ständig in Bewegung. Im Laufe der Zeit verdirbt sogar eine gute Gewohnheit sich selbst. Alle Ge-danken, ob gut oder böse, fördern die Ausdehnung unseres Ge-müts. Da dies der Fall ist, kommt es niemals zur Ruhe. Ohne das Gemüt zu beruhigen, können wir nicht Vorwärtskommen. Nur wenn das Gemüt im Gleichgewicht ist, kann die Seele vorwärts-schreiten und ihren Weg nach oben finden. Es ist eine Frage der Zielbewußtheit. Wenn wir in einer frohen Gesellschaft bei-sammensitzen, denken wir an die Liebe Gottes und die Liebe des Gottmenschen und sprechen davon. Dies hilft uns, unsere ver-streuten Gedanken zu sammeln. Deshalb ist gesagt:

”Sitzt zusammen als Glieder einer Familie.
Vergeßt alle Unterschiede und richtet eure Aufmerksamkeit gottwärts.”

Es liegt ein großer Segen in solch einem Zusammensitzen. Der Herr hat gesagt: ‘Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.‘ Außerdem versuchen wir, wenn wir zusammensitzen, den Standpunkt des anderen zu verste-hen. Wenn wir die richtige Haltung gelernt haben, werden wir den Ansichten anderer gegenüber tolerant. Und mehr noch, wir entgehen dem Übel der Zweideutigkeit. Wenn gleichgesinnte Men-schen zusammenkommen, wollen sie natürlich über nichts als ü-ber das sie gemeinsam Interessierende sprechen - Gott und ihre Liebe zu Gott. Dies führt dann zur Verfolgung des einen (ge-meinsamen) Zieles. So sind wir vor eitlem Geschwätz und vor ungebührendem Loben oder Herabsetzen anderer bewahrt. Daher ist gesagt:

”Wenn die ganze Schöpfung die Offenbarung des heiligen Lichts ist, sind die offenbarten Wesen im Kern ihres Seins nichts als heilig, ganz gleich, was ihre Taten sind.”

Der Unterschied zwischen Mensch und Mensch besteht nur an der Oberfläche. Nichts ist gut - oder schlecht, nur das Denken macht es dazu. Der eine mag reich, der andere arm sein. Einer mag gut erscheinen oder schlecht, doch wir können über ihn kein Urteil fällen. Jeder hat die Kraft Gottes in sich. Auf der Körper-Ebene sind wir alle gleich, denn alle Menschen sind innerlich wie äußerlich nach dem gleichen Muster geschaffen. Wir werden auf die gleiche Weise geboren und mit gleichen Vor-rechten von Gott ausgestattet. Gott schuf den Menschen - eine bewußte Wesenheit - nach Seinem eigenen Bilde. Der Mensch ist ein Teil der Allbewußtheit. Durch Erfahrung kommen wir zu die-ser Schlußfolgerung, sei es nach dem Durchleben der Sturm-und Drangzeit in diesem Leben oder in früheren Inkarnationen. Der Mensch entwickelt sich beständig. Er mag heute oder morgen, oder zu irgendeinem entfernten Zeitpunkt lernen. Wir sind alle auf dem Weg. Das wirkliche Glück liegt woanders. Es kommt nur in der Vereinigung mit dem Ganzen. Darum rät uns Guru Ram Das, in der Liebe zum Herrn zusammenzusitzen. Denn das würde uns einen klaren Blick verleihen und wir würden auf festem Boden stehen. Außer diesen gibt es kein anderes Mittel auf der Sin-nesebene.

”O Gott, gewähre Nanak seinen Herzenswunsch:
Bring ihn von Angesicht zu Angesicht mit der Wirklichkeit, so daß er ewigen Frieden haben möge.”

Mit diesem Gebet kommen wir zum Abschluß dieses schönen Psalms. Dies ist die höchste Art eines Gebotes, das ein er-wachter Mensch ausdrücken kann.

Nun nehmen wir eine Hymne von Guru Arjan, dem 5. Guru in der Nachfolge Nanaks. Wir wollen sehen, was er in diesem Zu-sammenhang zu sagen hat. Auch was er sagt, ist ähnlich dem vorher von seinem unmittelbaren Vorgänger Guru Ram Das Gesagten.

”In Innersten meines Herzens war der sehnliche
Wunsch, meinen Geliebten zu treffen;
auf die eine oder andere Weise hat der vollendete
Meister gnädig meinen langgehegten Wunsch erfüllt.”

Noch einmal, es ist eine Frage der Ernsthaftigkeit. Brau-chen wir Gott wirklich? Manchmal verlangen wir nach Gott. Selbst unser Intellekt empfindet zeitweise die Notwendigkeit Gottes. Aber will unser Gemüt Gott? Dies ist der Kernpunkt des Problems. Wir bitten vm die Dinge mit geheimem Vorbehalt, nur wenn sie uns auf der physischen Ebene von Nutzen sind. Ande-rerseits ist das Gemüt vollständig in der Farbe der Welt ge-färbt. Es hat keine Zeit, an irgend etwas anderes zu denken. Dem Gemüt wohnt eine große Kraft inne. Um das, was es haben möchte, betet es inbrünstig. Manchmal weint es sogar darum. Gott spielt dabei nur die Rolle eines Mittels für die Erfül-lung der weltlichen Wünsche. Und Tag und Nacht denkt man nichts anderes. Dies ist der tatsächliche Zustand unseres Ge-müts. Ihr könnt es selbst herausfinden. Verlangt ihr ernsthaft nach Gott? Nein. Wir wollen Ihn nur als ein Mittel zum Ziel; das Ziel sind physische Freude und Bequemlichkeiten. Sonst hat Gott keine Bedeutung für uns. Es ist eine Frage von Bedarf und Versorgung. Wenn wir Gott wirklich wollen, kommt uns das Na-turgesetz zu Hilfe. Wo Feuer ist, kommt Sauerstoff zur Hilfe. Alles was wir tun müssen ist, unser Gemüt, unseren Intellekt und unsere Rede auf eine Ebene zu bringen. Eine solche Haltung verstärkt die Kraft des Gemüts. Wo das Gemüt stark ist, kann uns nichts im Weg stehen. Wir müssen unserem ‘Selbst‘ treu sein, dann wird uns jeder Wunsch erfüllt werden:

”Wenn unsere Gebete aufrichtig sind und aus dem
zufriedenen Gemüt aufsteigen,
dann wird Gott, wenn er sie hört, uns zu Sich
rufen, nein, uns zu Sich ziehen.”

Was ist ein aufrichtiges Gebet? Es ist ein Gebet, das gleich-erweise vom Gemüt, vom Intellekt und von den Lippen kommt. Sonst sind wir nicbt aufrichtig zu uns selbst und betrügen uns selbst und Gott. Warum werden unsere Gebete nicht erhört? Weil wir verkehrt bitten. Das Notwendige richtig zu erbitten, ist die erste Bedingung. Die zweite ist, daß wir mit dem, was wir haben, zufrieden und dafür dankbar sein sollten. Undankbarkeit ist das größte übel. Was hat uns Gott nicht gegeben? Alles was wir brauchen und noch viel mehr. Haben wir je ein Dankgebet dargebracht für das, was Er für uns getan hat und für die reichlichen Gaben, die Er gewährt? Wenn wir diese Bedingungen der Aufrichtigkeit und Zufriedenheit mit dankbarem Herzen er-füllen, wird Er uns nichts verweigern, worum wir auch bitten. Wenn wir von Ihm, Gott aufrichtig erbitten, wird Er sich uns nicht versagen. Im Gegenteil, er wird uns zu sich ziehen. Er kennt unsere Herzen und liest in uns genau. Wir können nichts vor Ihm verbergen bei all unserer Schlauheit und Geschicklich-keit. Er durchschaut genau, was in uns vorgeht, und handelt entsprechend. Wir weinen um unser Brot, wir weinen um unsere Verluste, aber wir weinen niemals um Gott.

Von Namdev, dem Heiligen, der Kattun-Drucker war, wird er-zählt, daß einmal der Balkon seines Hauses herunterbrach. Sei-ne Familie bat ihn, einen Zimmermann zu holen, um die notwen-digen Reparaturen ausführen zu lassen. Wie ihr wißt, denken die Ergebenen kaum an solche Dinge. Er ging wie gewöhnlich von zu Hause weg und saß in liebevollem Gedenken an Gott. Er ver-gaß sich, er vergaß die Welt um sich, er vergaß den Balkon und den Zimmermann. Am Abend stand er von seiner Meditation auf und ging nach Hause. Seine Leute fragten ihn, ob er mit einem Zimmermann Vereinbarungen für die Arbeit getroffen habe. ”Es tut mir leid, ich habe es ganz vergessen. Ich werde morgen den Zimmennann bestimmt holen.” sagte er. Einige Tage vergingen auf diese Weise. Alle zu Hause waren verärgert und drohten ihm schlimme Folgen an, falls er den Zimmermann am nächsten Tag nicht brächte. ”Ich werde den Zimmermann morgen bestimmt brin-gen.” antwortete er. Es mag seltsam erscheinen, aber Namdev vergaß wieder, einen Zimmermann zu holen. Ein Mann Gottes ist immer in Gott vertieft. Wie kann er an die Welt und die welt-lichen Dinge denken? Sie sind für ihn bedeutungslos. Als er am Abend wieder aus der Meditation erwachte, schämte er sich sehr. Aber es gab keine Möglichkeit, aus dieser mißlichen Lage herauszukommen. Voll Sorge ging er langsam nach Hause zurück. Gott, der seine schwierige Lage vorhersah, war während des Ta-ges in der Kleidung eines Zimmermannes zu seinem Haus gegangen und hatte den zerbrochenen Balkon in Ordnung gebracht. Als Namdev zu Hause eintraf, war er sprachlos, als er das Werk er-blickte. Es war eine Arbeit von erlesener Handwerkskunst und in einer ungewöhnlich kurzen Zeit fertiggestellt worden. Er konnte sich denken, wer der Zimmermann war. Nur Gottes Hand konnte dieses Wunder tun.

‘Nur eine Nachtigall kann eine Nachtigall verstehen.‘ Der Ergebene wußte, daß sein Gott diese Arbeit getan hatte. Er faßte Mut und ging schnell seinen Gartenweg entlang. Die Nach-barn drängten sich um ihn und fragten nach dem Lohn, den er mit seinem Zimmermann vereinbart habe. Er antwortete: ”Liebe ist der einzige Lohn, den mein Zimmermann verlangt.” Die nächste Frage war, wie man diesen Zimmermann herbeiholen kön-ne. ”Mein Zimmermann kommt, wenn man sich selbst vollständig von seiner Familie löst,” fügte er hinzu. Ihr könnt nun die Situation gut verstehen. Wenn ihr Sein werdet, wird Er euer. Er kommt dann von selbst zu euch, ohne gerufen zu werden. Nam-dev hatte in seiner Ergebenheit sich selbst vergessen. Er hat-te Gott niemals gebeten, seinen Balkon instandzusetzen. Gott hält die Ehre seines Ergebenen aufrecht um Seines Namens wil-len.

Ich möchte euch aus meiner eigenen Erfahrung berichten. Es geschah zu Lebzeiten meines Meisters Hazoor Baba Sawan Singh Ji Maharaj. Mein Sohn war ernstlich krank. Er schwebte zwi-schen Leben und Tod. Die Ärzte unterrichteten mich von dem kritischen Zustand meines Sohnes. Sie baten mich, selbst auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Sie rieten mir, ein paar Tage frei zu nehmen, um am Krankenbett meines Sohnes zu sein. Der folgende Tag war zufällig ein Sonntag. Ich sollte in Am-ritsar einen Vortrag halten. Dies war eine Aufgabe, die mir mein Meister übertragen hatte. Ich stand zu einer sehr frühen Stunde an Morgen auf. Die warnenden Worte der Ärzte klangen mir noch in den Ohren. Ich dachte, daß Leben und Tod in ande-ren Händen lagen als den meinen. Was konnte ich letzten Endes tun? Das Geheiß meines Meisters zu erfüllen, lag selbstver-ständlich in meinen Händen. Ich beschloß, meiner Pflicht nach-zukommen, und Hazoor die seine tun zu lassen. Dementsprechend ging ich nach Amritsar, um die mir zugewiesene Aufgabe zu er-füllen. Der Vortrag wurde wie gewöhnlich gehalten. Das Wetter war heiß und schwül. Um 10.00 Uhr hatte ich meine Arbeit been-det. Eine Stunde später verließ ich den Saal. Als ich auf hal-bem Wege nach Beas war, hatte ich plötzlich den starken Wunsch, mich zu beeilen, um Hazoors ‘darshan‘ zu bekommen. Ich kam gegen 13.30 in Beas an. Hazoor ruhte gerade. Als er er-fuhr, daß ich gekommen war, rief er von oben nach mir. Er setzte sich auf und fragte: ”Was ist mit deinem Sohn?” Ich antwortete: ”Er war krank und in einem ziemlich bedenklichen Zustand. Aber ich mußte die mir übertragene Pflicht erfüllen. Ich konnte nichts mehr tun, noch lag es in meiner Macht, ihn zu retten, indem ich dort blieb.”

Meine Worte schienen Hazoor sehr besorgt zu machen. Eine Weile saß er still da. Ich sagte ruhig: ”Hazoor, wer auch im-mer an Euch denkt, ist befreit von all seinen Sorgen. Warum macht Ihr Euch so viel Sorge um mich?” Er antwortete: ”Kirpal Singh, du hast dich von der Last befreit und ich muß sie auf meine Schultern nehmen. Wenn du dich so deinen Pflichten beugst, was kann ich dann anderes tun?” Die Schriften sagen uns: Der gnädige Vater hat so bestimmt: Worum der Sohn auch bittet, das muß ihm gewährt werden. Aber worum sollte man bit-ten? Um Gott oder um die Welt? Nanak sagt uns:

”Der geringe Nanak bittet nur um eines:
O Herr, pflanze Deine Lotosfüße in mein Herz.”

Das sagen alle Schriften. Im heiligen Koran haben wir: ”Ich werde dem Menschen gewähren, was er erbittet. So sollte das einzige, das man verlangt, eine starke Sehnsucht nach dem Herrn sein. Wenn wir in unserem Bestreben aufrichtig sind, werden wir Ihn sicher bekommen.

Einmal saß ein kleiner Junge ganz allein in einem Zimmer. Seine Mutter war in der Küche. Der Milchtopf stand auf dem Feuer vor ihr. Das Kind wollte aufstehen, rutschte aber aus und fiel. Dann versuchte es, sich selbst hochzustemmen, indem es sich gegen die Wand stützte. Seine kleinen Hände fanden keinen Halt und es fiel wieder. Dann sah es den Türvorhang und streckte seine Hände danach aus, um sich daran hochzuziehen. Wie das Unglück es will, glitt der Vorhang von der Stange und beide fielen auf den Jungen. In seiner Hilflosigkeit fing er an, erbarmenswert zu weinen und rief nach seiner Mutter. So-bald die Mutter sein Weinen hörte, eilte sie auch schon in das Zimmer, ohne sich um die kochende Milch zu kümmern und drückte ihn an sich. Sie nahm das Kind und ging zurück in die Küche, um nach der Milch zu sehen. Aber es war zu spät, die Milch vor dem Überkochen zu retten. Das Kind glaubte vielleicht, daß es den Trick erkannt habe, seiner Mutter Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Als es ein paar Tage später alleine im Zimmer saß, begann es wieder ‘Mutter, Mutter‘ zu schreien. Die Mutter konnte annehmen, daß es sich nur einem mäßigen Singsang hingab und kam nicht. Das Kind kam daraufhin langsam in die Küche und fragte, was die Mutter täte. Sie antwortete, daß sie damit be-schäftigt sei ‘dal‘ (Haferbrei) zu kochen. Das Kind sagte, es habe gedacht, daß sie vielleicht ein besonders leckeres Ge-richt zubereite, viel besser als Milch, weil sie auf seinen Ruf so lange nicht geantwortet habe. Die Mutter entgegnete: ”Mein Kind, heute war kein Schmerz in deiner Stimme.”

Ihr seht, es ist eine Frage des inneren Verlangens. Wir flehen nach weltlichen Dingen und wünschen uns nicht Gott. Gott beantwortet nur den Schrei aus dem Herzen. Er antwortet nicht auf unsere Lippen-Gebote. Während wir im Gebet sitzen, laufen unsere Gedanken nach den Familienangelegenheiten. Ent-schuldigt, wir sitzen nicht im Tempel unseres Herzens, sondern praktizieren Götzendienst. Gott wird niemals kommen, wenn es so viele Götzen gibt, die euch anziehen und euch beschäftigen. Ihr würdet gut daran tun, euren Gemütszustand mit dem von er-wachten Seelen zu vergleichen. Guru Arjans Herz brennt in Lie-be zu Gott und sucht eifrig Mittel und Wege, um seinen Gelieb-ten zu finden. Der einzige Weg, Gott zu finden ist, zuerst Mittel zu diesem Zweck zu finden. Gott kann nicht gefunden werden, ohne die Hilfe eines Gottmenschen. Wenn ihr euch nach Gott von ganzen Herzen und von ganzer Seele sehnt, stellt Er selbst die Mittel zur Verfügung. Es wird gesagt, daß ein ein-facher Schrei aus einem reuevollen Herzen Gott schneller er-reicht, als die lauten und langen Gebete, die in der Öffent-lichkeit von prahlerischen Menschen dargebracht werden. Wenn Gott in allen Herzen wohnt, kennt er auch die allerfeinsten Schwingungen darin. Er ist die Seele unserer Seele und sitzt nicht in hohen Himmeln. Wir können uns selbst und wir können die Menschen der Welt täuschen, aber wir können die große Kraft in uns nicht täuschen. Wenn ihr aufrichtig seid in eurer Liebe zu Gott, wird euch Gott sicherlich zu Hilfe kommen. Sei-ne Gnade ist über alle Maßen groß und Er wird euch einen Gott-menschen treffen lassen. Es ist ein großer Segen, eine wirk-lich erwachte Seele zu finden. Ihr könnt einer solchen Seele nicht begegnen, wenn nicht Gott es will. Wir können einen Gottmenschen nicht einmal erkennen, da wir Gott nicht erkennen können. Ein Blinder kann nicht einen Menschen mit Sehvermögen herausfinden. Der letztere kann Mitleid mit dem Blinden haben und ihn bei der Hand nehmen. Wenn unser inneres Auge noch nicht geöffnet ist und wir uns auf der Sinnesebene befinden, können wir unmöglich den menschlichen Pol sehen, durch den die höhere Kraft wirkt. Offensichtlich sieht der Pol Gottes wie irgend einer von uns aus und wir haben keine Mittel, seine in-nere Größe zu erkennen. Wie ihr wißt, wurde Nanak ein Mann mit verdrehtem Verstand genannt. Warum? Weil die Menschen nicht den Blick hatten, um Gott in ihm zu ergründen. Ein kompetenter Meister ist eine Seltenheit. Die Schriften sprechen mit Hoch-achtung von einem vollkommenen Meister. Dies bedeutet, daß es Meister auf der Welt gibt, die nicht vollkommen und nicht völ-lig kompetent sind, spirituelle Erfahrung zu vermitteln. Die Welt ist voll von sogenannten Lehrern und solchen, die sich selbst Meister betiteln. Christus mahnt uns, uns vor falschen Propheten und Halbpropheten in Acht zu nehmen. Ein vollendeter Meister ist einer, der das ‘Selbst‘ in sich erfahren hat und die Kraft hat, es auch in anderen zu offenbaren. Er, der Gott gesehen hat, kann auch andere befähigen, Ihn zu sehen. Niemand kennet Gott, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will of-fenbaren. Wie erkennt man eine solche vollerwachte Seele? Er kann nicht anhand der prächtigen Gebäude beurteilt verden, in denen er weilt, oder durch die riesigen Menschenmengen, die sich vor ihm versammeln. Der wirkliche Prüfstein ist, daß er in der Lage sein muß, einen praktischen Beweis der Gotteskraft zu geben, indem er die Seele vorübergehend von der Sinnesebene erhebt. Ihr könnt ihn nicht auf der Ebene des Intellekts beur-teilen, so sehr ihr euch auch bemühen mögt, nicht einmal durch ein enges Zusammensein mit ihm über eine lange Zeit. Die Wirk-lichkeit ist in ihm und er hütet sie als ein heiliges, von Gott anvertrautes Gut. Er würde es nie zur Schau stellen. Er kann durch euren aufrichtigen und tiefen Wunsch nach Gotter-kenntnis gerührt werden. Und wenn ihr Gottes Namen in eure Stirn geschrieben habt, wird er bestimmt den Geist Gottes und die Kraft Gottes in euch offenbaren. ‘Bittet, so wird euch ge-geben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.‘ So ist es also eine Frage des Bittens, Suchens und Anklopfens an der Tür des Gottmenschen. Und außerdem hängt die Erfahrung von dem Lebensimpuls ab, den der Gottmensch ver-leiht, denn Leben kommt von Leben. Bloße Kenntnis der Formeln aus Büchern oder von sogenannten Lehrern wird nicht helfen. Es ist die Ausstrahlung, die von Auge zu Auge geht und das Wunder bewirkt.

”Ein Gnadenblick von Ihm genügt, um den Zueck zu erfüllen.”

Er ist es, der unsere Aufmerksamkeit erhebt und sie oben hält, um uns so die innere Erfahrung zu geben.

Zu Hazoors Zeiten kamen viele gelehrte, in den Schriften be-wanderte Menschen und wollten mit dem Meister müßige Diskussi-onen führen. Hazoor fragte sie dann einfach, ob sie Zugang nach innen hätten, und wenn ja, ob sie dann andere auch mit in die inneren Ebenen nehmen könnten. Das brachte sie natürlich zum Schweigen, denn sie hatten selbst nicht einmal solch eine Erfahrung.

Einmal kam Kartar Singh, ein blinder Philosoph, um Hazoor zu hören. Nachdem er die Rede gehört hatte, stand er auf und sagte: ”Ich bin ein großer Philosoph. Ich habe immer rhetori-sche Reden gehalten, die jegliche Opposition verstummen lie-ßen. Nachdem ich Eure Worte gehört habe, fühle ich, daß ich genau wie ein Kind bin, das am Strand Kieselsteine sammelt, während der große Ozean unerforscht vor mir liegt.” Ihr seht, daß ein weltweiter Unterschied besteht zwischen der Rede eines praktischen Lehrers und der eines gelehrten Menschen. Des Meisters Rede sinkt tief in die Herzen der Zuhörer. Es wird gesagt, das die Gedanken, die ohne Denken von oben kommen, fehlerlos und vollkommen sind.

”Hört auf das Zeugnis der Heiligen,
denn sie sprechen aus, was sie wirklich innen sehen.

”Ich tue nichts von mir selbst, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.” (Johannes) Nanak spricht über Gottes Gegenwart und sagt: ”Ich sehe meinen Gott als stünde Er vor mir.”

Heilige sprechen mit Autorität. Das ist die Art der Weisen, die mit göttlichem Wissen begabt sind. Sie haben Liebe für alle und Feindschaft mit niemandem. Sie lieben sogar ihre Feinde. Einmal fragten die Jünger Jesus, wie sie sich den Leuten und besonders ihren Feinden gegenüber verhalten sollten. Jesus erklärte: ”Ihr habt gehört, daß gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, und bittet für sie; auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.” Ihr seht, daß göttliche Gesetze entsprechend der Zeit und den Bedürfnissen der Menschen gege-ben werden. Das Mosaische Gesetz wurde den Menschen gegeben, da sie harten Herzens waren. Mit dem Wechsel der Zeiten änder-te Jesus das Gebot in der oben geschilderten Weise.

Wahrhaft große Menschen wünschen jedermann Gutes. Ihre Liebe ist allumfassend. Ihre Herzen sind so groß wie das Meer. Sie erheben nicht einmal den kleinen Finger gegen die, die sie kritisieren und beleidigen und schlecht von ihnen sprechen.

Es ist schade, daß die Welt voll von Menschen ist, die sich selbst um des Leibes willen vergessen. Sehr selten werdet ihr jemanden finden, der wirklich auf der Suche nach Gott ist. Un-sere Tempel und heiligen Stätten sind zum Ersticken voll. Tau-sende von Mensche gehen dorthin, um den üblichen Gottesdiens-ten beizuwohnen. Sie hören den Gesängen und Reden zwar auf-merksam zu, suchen aber nur ihren Vorteil . Jeder hat sein persönliches Motiv für diese Art von Religiosität. Entschul-digt, aber wir machen aus Gott ein willenloses Werkzeug. Wir wollen Gott nicht nicht um Gottes willen. Wir müssen deshalb lernen, wahr zu uns selbst zu sein. Das ist der erste Schritt und der wichtigste dazu. Gott ist groß und gnädig. Er gibt uns, was wir wünschen. Wenn wir die Welt wollen, gibt Er uns die Welt, aber nicht sich. Der Kreislauf der Welt ist lang und endlos.

Habt ihr erkannt, was das größte Hindernis auf unserem Weg zu Gott ist? Wir stehen an der Pforte und versperren den Weg und bitten Gott einzutreten. Wie kann Er das? Wir müssen zur Seite treten und Ihm den Weg freigeben. Wir müssen uns aller Gedanken an die Welt entledigen und so Platz für Ihn machen. Wir müssen warten und nach Ihm ausschauen. “Er kommt wie ein Dieb in der Nacht und es ist keine Stunde festgesetzt für sein Kommen.” Gott ist nicht taub. Er weiß, was in unseren Herzen vorgeht und handelt entsprechend.

Das Gesetz Gottes ist gut, gerecht und dient uns letztlich zum Besten. Wenn wir falsch bitten, wird Er uns nicht erhören. Wir müssen lernen, in Seinem Willen zu leben und Seinen Willen anzunehmen, was es auch immer sei. Darin liegt unsere Sicher-heit und Geborgenheit. Wir wissen nicht einmal, was wir von Ihm erbitten und wie wir bitten sollen? Der Fehler liegt bei uns. Manchmal kommt es daher vor, daß unsere Wünsche erfüllt sind und am Ende die Dinge doch verkehrt laufen. Dann werden wir uns bewußt, daß wir etwas erbeten haben, das nicht wün-schenswert ist. Warum also beten wir nicht lieber zu Gott, uns das zu gehen, was Er für das Beste hält, als die Sterne dafür verantwortlich zu machen, wenn etwas schief geht. Deshalb hat ein erwachter Mensch eine vorherrschende Leidenschaft für Gott allein. Alle Dinge dienen zum Besten derer, die die Liebe Got-tes gewinnen. Wie können wir das tun? Wir wissen nicht einmal, wo Gott ist und wie wir zu Ihm gelangen können. Es ist gesagt:

"Wir müssen uns so hoch erheben, wie Er ist,
erst dann können wir Ihn erkennen.”

Gott ist sehr subtil und außerhalb der Reichweite unserer Sinne, unseres Gemüts und unseres Intellekts. Wir können Ihn mit den Augen des Fleisches nicht sehen. Wenn wir lernen, uns zu vergeistigen, können wir mit dem sich zum Ausdruck bringen-den Gott in Verbindung kommen und dadurch Seine Liebe gewin-nen.

Nun erhebt sich die Frage, wie man einen Guru der richtigen Art findet. Auf der einen Seite haben wir Gurus, die sich le-diglich als solche ausgeben. Indem sie die Rolle eines Guru spielen, verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt. Wir haben mit dieser Art Gurus nichts zu tun. Dann gibt es soziale Leh-rer und Prediger, die ihre Arbeit entsprechend den festgesetz-ten Regeln der Organisationen tun, zu denen sie gehören. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen und kann nur in der Gemein-schaf leben. Die Fundamente aller sozialen Ordnungen sind sich weitgehend ähnlich. Sie besagen, daß wir auf einen ehrbaren Lebensunterhalt und ein keusches Leben der Wahrheit und Ent-haltsamkeit achten sollen. Das ist etwas Empfehlenswertes. So-zialreformer können sicherlich dazu beitragen, die Gesell-schaft und das soziale Leben der Menschen bis zu einem be-stimmten Ausmaß zu heben. Aber unglücklicherweise werden unse-re Reformer im Laufe der Zeit auch engstirnig und verlieren den elastischen Kontakt mit der Gemeinschaft, mit dem Ergeb-nis, daß innerhalb der Gemeinschaft Splittergruppen entstehen. Das führt zu Spaltung, Spannunq und Unruhe. So ist - was auch immer sie tun - etwas von begrenzter Natur für eine begrenzte Zeit. Das Gute, das sie tun, ist nicht dauerhaft. Dies ist die zweite Kategorie der Lehrer und wir können sie als Lehrer der Gesellschaft und des weltlichen Wissens klassifizieren. Sie können uns bei der Selbsterkenntnis und Gotterkenntnis nicht von großer Hilfe sein. Für diese Ziele müssen wir nach einer anderen Art von Guru suchen, einem Satguru oder einem, der in Sat oder der Wahrheit verankert ist. Satgurus sind verwirk-lichte Seelen mit dem Wissen von und dem Zugang zu den jensei-tigen Bereichen, den Bereichen jenseits der Ebene der Sinne, des Gemüts, des Intellekts und der pranas (vitale Kräfte). Sie sind wahrlich Lehrer und halten die Schlüssel von Himmel und Hölle und vom Jenseits in ihren Händen. Der verunstaltete Wei-se Ashtavakra, der Raja Janaka eine praktische Erfahrung des Innern gegeben hat, gehörte zu dieser Kategorie von Lehrern. Er war der einzige Rishi, der nicht nur lehrte, sondern für sich in Anspruch nahm, sein eigenes ‘Selbst‘ verwirklicht zu haben und fähig zu sein, anderen gleicherweise die Erkenntnis zu vermitteln. Zu jener Zeit war Indien, wie Ihr wißt, auf dem Höhepunkt seines Ruhms, voll von Weisen und Sehern verschiede-ner Art und verschiedenen Ranges, aber keiner konnte dem kö-niglichen Gottsucher (Raja Janaka) eine Gotteserfahrung geben. Der große Weise Yaggavalkya konnte dem König nur die Theorie von ‘Tara Vidya‘ oder der Wissenschaft der Seele vermitteln. So ist alles, was wir brauchen, ein vollendeter Meister zu un-serer Belehrung und Führung auf dem Gottespfad. Die nächste Frage ist, wo ein vollkommener Meister zu finden ist. Ihr sollt wissen, daß er nicht an irgendeine besondere Gesell-schaft oder irgendein bestimmtes Land gebunden ist. Ein Mensch des Geistes kommt und geht so frei wie der Wind. Und außerdem kann Gott irgendeinen menschlichen Pol als das geeignete Gefäß erwählen, um durch ihn zu wirken. Er kann als Flickschuster wie Ravi Das, oder als Tuchdrucker wie Namdev, oder als Weber wie Kabir, kommen. Er kann seine Geburt unter Kschatrijas (Kriegerkaste) oder unter Landwirten, wie Dhanna Bhagat neh-men. Er kann in diesem oder jenem Land erscheinen, im Osten oder Westen oder sonstwo in der Welt. Wo auch immer Gottes Licht erscheint, werden die Menschen ganz sicher wie Motten angezogen. Er mag in einer hochstehenden Familie kommen, oder niedrig geboren werden, das spielt keine Rolle. Aber dies ist sicher, daß ihr, wenn er die Selbstverwirklichung erreicht hat, von ihm allein eine innere Erfahrung erwarten könnt.

Wir müssen alsdann Tag und Nacht beten‚ einen kompetenten Meister zu finden. Ich will euch eine meiner eigenen Ehrfah-rungen erzählen. Auch als Kind hatte ich meinen eigenen Hin-tergrund. Jeden Tag nahm ich einen Vers aus den Sikh-Schriften vor. Ich schrieb ihn nieder und den ganzen Tag lang dachte ich darüber nach. Einmal nahm ich einen Vers, der betonte, daß es wichtig sei‚ mit einem wahren Guru in Verbindung zu treten, vielleicht mit einem Sadh, einem Sant oder einem Mahatma. Dies machte mich nachdenklich. Ich fing an, Gott zu bitten, daß er mir zu einem wahren Guru verhelfen möge, damit ich vojlen Nut-zen aus diesem jetzigen Leben haben und so meinen langgehegten Wunsch erfüllen könne. Allmählich ergriff dieser Gedanke völ-lig Besitz von mir. Ich wünschte sogar, daß Gott selbst seine Gnade direkt auf mich ausgießen mochte, so wie Er es Dhruva oder Praladh in der Vergangenheit getan hatte. Aber jetzt hat-ten sich die Zeiten geändert. Die Gotteskraft konnte jetzt nur durch die Gnade eines Gottmenschen erfahren werden. Ich hatte Angst ‚daß mein Leben vergeudet wäre, wenn ich in meiner Wahl irrte.

Lange Zeit fuhr ich fort auf diese Weise zu denken. Von Zeit zu Zeit hatte ich göttliche Visionen. Ich hielt die Form des heiligen Mannes, der mich in meinen Meditationen zu besu-chen pflegte, immer für Nanak. In jenen Tagen schrieb ich ein Gedicht, in dem ich die liebenswürdigen Eigenschaften des göttlichen Führers‚ der fortfuhr, mich all diese Jahre hin-durch, Tag für Tag auf verschiedenen Ebenen zu führen, in schöner Weise schilderte. Dieser Zustand hielt ungefähr sieben Jahre an. Erst 1924 ging ich zufällig nach Beas und traf diese visionäre Gestalt in der Form von Hazoor Sawan Singh Ji Maha-raj. Was ich sagen möchte, ist, daß Gott auf unsere Gebete hört, vorausetzt, sie sind echt, tief und aufrichtig. Als ich Hazoor fragte, warum er so lang gewartet hatte, mich zu seinen Lotosfüßen zu führen, erwiderte er einfach, daß dies die ge-eignetste Zeit dafür gewesen wäre.

Ich muß ständig wiederholen, daß ein Gottmensch nicht ein Mensch im gewöhnlichen Sinne des Wortes ist. Er ist immer ein menschlicher Pol, dem und durch den die Gotteskraft wirkt. Die Kraft Gottes durchdringt alles und im auserwählten menschli-chen Pol wirkt sie auf den unterschiedlichsten Ebenen. Als Gu-ru wirkt er auf der physischen Ebene wie jeder andere weltli-che Lehrer auch. Er teilt unsere Freuden und Sorgen. Er mag in unserem Leid sogar Tränen mit uns vergießen. Dies alles tut er, um unsere menschliche Natur und unser Vertrauen in ihn zu entwickeln. Innerlich bleibt er, wie er ist ‚ unberührt und unbekümmert durch alle unser Wohl unnd Wehe. So handelt er auf der menschlichen Ebene wie ein vollkommener Mensch. Aber darü-berhinaus ist er noch einiges mehr. Wenn ihr die physische E-bene verlaßt und in die astrale Welt hinübergeht, nimmt dfer ‚Guru‘ nun die Form des ‚Gurudev‘ an und erscheint in seiner strahlenden Gestalt. Wenn der Schüler fähig ist, in sich die strahlende Form des Meisters zu offenbaren, und sich mit ihm zu besprechen beginnt, wird er ein ‘Gursikh‘ (wahrer Schüler des Guru). Diese strahlende Form des Meieters wird nun unser Führer auf den inneren Ebenen und leitet uns zu den Füßen des ‚Sat-Purush‘. Die Kraft, die uns mit denm ‚Sat-Purush‘ ver-schmilzt, wird ‘Satguru‘ genannt. Diese Kraft ist es, die in der Welt auf der menschlichen Ebene als ein ‚Guru‘ wirkt. Da-her ist gesagt: ”Der Satguru bleibt beständig in seiner Fülle.

Das bedeutet, daß er ganz offenbart ist ‚ wo er auch immer ist, selbst im menschlichen Pol, aber er ist nicht an den Pol gebunden. Entschuldigt, wir haben die wahre Natur des Guru und seine Größe noch nicht verstanden. Wie ein kleines Kind nehmen wir an, ihn zu kennen. Was kann ein Kind von seinem Vater wis-sen und mehr noch, von seinem himmlischen Vater? Wir erkennen ihn nur in dem Ausmaß, das er uns erkennen läßt oder in wel-chem er sich uns offenbart. Der Guru ist so unbegreiflich und unbeschreiblich wie Gott selbst. Wir können ihn auf der menschlichen Ebene des Intellekts einfach nicht erkennen

Ihr könnt die Lebensgeschichte irgendeiner großen Seele nehmen, und ihr werdet feststellen, daß sie die Höhen, die sie erreichte, durch das starke Feuer in sich gewann. Gott kann man nicht so einfach erlangen, wie wir es uns vorstellen. Ra-bia Basri, eine Moslem-Heilige, litt unter schweren Qualen der Trennung vom Herrn. Sie hatte großes Verlangen nach Ihm. Sie pflegte sich in der frühen Morgendämmerung zur Meditation zu setzen und blieb so bis zur Nacht. Und dann saß sie wieder bis zum Tagesanbruch. Ihre Nachbarn waren erstaunt über ihre unun-terbrochene Hingabe. Sie fragten sie einmal: ”0 Rabia, bitte, sag uns, ob Gott dich besucht, bevor du zu meditieren beginnst ‚ oder wenn du die Meditation beendet hast?” Sie sagte: ”Er kommt vor der Meditation.” Sie fragten: ”Wie weißt du das?” Sie antwortete: “Er ist es, der mich zur Meditation drängt. Immer wenn ich ruhelos bin und von starken Gefühlen und Ge-mütsbewegungen überwälgigt werde, weiß ich, daß Er gekommen ist.”

Das ist etwas Normalen im Leben der spirituell Großen. Von sehr frühem Alter an hatte Nanak keine Liebe für die Welt. Als Kind verharrte er in einer Art Selbstvergessenheit. Er war der einzige Sohn seiner Eltern. Sein Vater und die Familienmit-glieder konnten es nicht ertragen, ihn in einem Zustand der Qual und und Verwirrung zu sehen. Nanak wurde auf eine Wall-fahrt geschickt. Sie half ihm nicht . Ein Arzt wurde gerufen. Er fühlte den Puls des jungen Mannes. Nanak selbst beschreibt diesen Vorfall sehr schön:

”Der arme Doktor kam herein und befühlte meinen Puls.
Wie konnte der Einfältige die Qual in meinem Herzen erkennen?”

Und dann fügte er bedeutsam hinzu:

”O Arzt, geh deinen Weg zurück, den ich bin von
der Liebe Gottes getroffen.”

Als erstes müssen wir ein inneren Verlangen nach dem Herrn haben. Im Schmelzfeuer der Liebe erstrahlt der Herr in vollem Glanz. Die vergangenlen ‚Samskaras‘ (Eindrücke) erhalten durch einen Menschen der Verwirklichung einen segensreichen Antrieb. Er entfacht die Flamme der Liebe. In jedem Herzen ist Liebe. Aber was gewünscht wird, ist die Liebe zum Herrn und nicht die Liebe zur Welt. Der Guru findet einen bereiten Boden in einem liebevollen Herzen, um das Wort Gottes zu sähen. Guru Arjan erklärt weiter:

”Worauf auch immer eines Menschen Herz gerichtet wird, ohne das kann er nicht sein.”

Es ist eine Sache der allgemeinen Erfahrung, daß wir immer dem Herzen folgen. Wenn ein Kind hungrig ist, kann es durch nichts zufriedengestellt werden, außer durch Nahrung. Eine Mutter mag dem Kind Hunderte von Spielsachen hinlegen und ver-suchen, mit ihm auf verschiedene Arten zu spielen, es wird weiter nach Milch schreien. Milch bedeutet alles für es. Genau dies ist der Fall bei einem, der in sich Hunger nach dem Herrn hat. Die Welt und die Dinge der Welt haben für ihn keinen Wert. Reichtum und Besitz, wie riesig sie auch sein mögen, können ihm keinerlei Befriedigung geben. Das innere Verlangen nach Gott zerfrißt ihn. Alles was er will‚ ist, einen Weg zu Gott zu finden. Er ist bereit, alles für einen hinzugeben, der ihn auf den Weg zu Gott stellen kann.

Einmal ging ein Mann zu einem Mahatma. Dieser wollte gerade zum Fluß gehen und baden. Er bat den jungen Mann, ihn zu be-gleiten. Sie zogen ihre Kleider aus und stiegen in den Fluß. Der Mahatma stieß den jungen Mann dahin, wo das Wasser tief war und drückte seinen Kopf unter Wasser. Der Mann bekam keine Luft und kämpfte, um den Kopf über Wasser zu bekommen. Der Ma-hatma zog ihn heraus und fragte ihn, ob er ein so zwingendes Verlangen nach dem Herrn habe, wie er es unter Wasser nach Luft gehabt habe. Das ist es, was von einem Gottsucher ver-langt wird. Ohne dieses Verlangen kann man nichts tun.

Einmal ritt Hazrai Junid von Persien an einem Flußufer ent-lang, als plötzlich seine Stute stehenblieb. So sehr er das Pferd auch antrieb, das Tier bewegte sich nicht. Als alles Zu-reden und Anfeuern nichts nützte, lockerte er die Zügel und überließ es dem Tier, zu tun, was es wollte. Auf einmal fing es an zu galloppieren und brachte den Hazrat zu einer Berghöh-le, wo ein alter Mann alleine saß. Der Hazrat stieg ab und blieb einige Zeit bei dem alten Mann und gab ihm Anweisungen für den Weg zu Allah (dem Herrn). Bevor er ging, gab der Haz-rat dem Gottsuchcr seine Adresse. Der alte Mann sagte völlig unbekümmert und naiv: “Ich werde keine Gelegenheit haben, euch zu eurem Heus zu folgen. Er, der euch jetzt gesandt hat, wird euch wieder senden, wenn ich eurer irgendwann bedarf.” Das ist natürlich von einem ‘Mureed‘ (Schüler) zuviel von seinem ‚Murshid‘ (Meister) verlangt. Tatsache ist, daß Gott nicht weit entfernt von uns ist. Er ist in uns, auch wenn wir nicht in Ihm sind. Er ist es, der den Gottmenschen führt, die verlo-renen Schafe zu suchen Und zu finden.

Ich kann euch aus meiner persönlichen Erfahrung etwas be-richten. Eines Tages saß ich mit Hazoor im Hause eines Duli Chand in Amritsar, als ein Herr, ein Sikh‚ hereinkam. Hazoor schaute mit einem Augenzwinkern zu dem Neuankömmling und sagte in vertrautem Ton: ”O, du bist gekommen.” ”Ja, Maharaj‚ ich bin gekommen.” antwortete er. Überrascht fragte ich ihn, wie er denn gekommen sei . Der Mann erwiderte: “Letzte Nacht er-schien mir Hazoor in einer Vision. Er bat mich, am nächsten Tag in dieses Haus zu kommen. Ich habe Hazoor nie zuvor gese-hen. Es ist mein gutes Schicksal, , daß ich zu ihm gekommen bin.” Was ich damit sagen will ist, daß eine erwachte Seele einem Menschen auf der Spitze eines Berges gleicht, der von einem günstigen Platz aus rings herum schauen kann und von den Herzen, die nach Gott verlangen, Rauch aufsteigen sieht. Wenn er das sieht, trifft er entweder Vorkehrungen‚ um sie zu er-reichen, oder sie auf die eine oder andere Art zu sich zu lei-ten. Ein solcher Mensch wird ein Guru oder Mahatma (große See-le) genannt

”O Mutter, mit all deinen köstlichen Speisen vor mir fühle ich mich so ungesättigt wie vorher.”

Die Liebe zu Gott ist endlos und wächst von Augenblick zu Augenblick. Nicht die größte Menge weltlicher Freuden kann die Aufmerksamkeit eines Menschen ablenken, der unter der Qual der Trennung leidet. Die elterliche Liebe ist zweifellos sehr groß, aber die Liebe des Meisters für seinen Schüler über-schreitet alle Grenzen. Sie ist so allumfassend wie Gott selbst. Einmal besuchte ich Hazoor in Beas. Es war Abend. Ich erwieß ihm meine Ehrerbietung und setzte mich neben die Couch, auf der Hazoor lehnte. Im Laufe des Gesprächs bemerkte ich: ”Hazoor, diejenigen Schüler, die ein wenig ‘Bhajan‘ und ‚Sim-ran‘ üben, tun zweifellos etwas, aber was ist mit denen, die noch auf der Sinnesenebene schlummern?” Hazoor setzte sich auf und sagte: “Kirpal Singh‚ meinst du, ich solle aufhören‚ Naam zu geben? Ein liebender Vater wünscht seinen Kindern immer Gu-tes. Bin ich nicht darauf bedacht, daß jedes meiner Kinder versuchen soll, auf eigenen Füßenzu stehen?” Die Gnade des Meisters ist immer mit uns. Sein Geist und seine Kraft wirken allezeit zu unserem Guten. Wenn er die irdische Ebene verlas-sen hat‚ heißt daß nicht, daß er von uns gegangen ist. Ich ha-be euch so oft gesagt, daß die Meisterkraft niemals stirbt. Sie wechselt nur den menschlichen Pol. Derjenige, der den Sa-men von Naam einpflanzt, kümmert sich um die Saat und hilft ihr zu sprießen und zu einem Baum heranzuwachsen, der Blüten und Früchte hervorbringt. Seine Kraft fährt fort, zu unserem Besten zu wirken, sowohl hier als auch danach. Wir irren im-mer, wenn wir annehmen, daß die Gotteskraft im Guru mit dem physischen Tod des Guru stirbt. Aber es ist nicht so. Wenn Gott ewig ist ‚ ist Seine Kraft euch ewig. Erhält diese Kraft nicht Himmel und Erde und alles, was darin ist? Obwohl wir Ihn physisch nicht sehen können, ist Er nicht weit von uns ent-fernt . Seine astrale Form in göttlichem Strahlenglanz ist weiterhin hinter unserem Augenbrennpunkt. Alles, was wir tun müssen, ist, uns selbst in Geist umzuformen, um uns mit dem Geist Gottes‚ jetzt in der leuchtenden Form des Meisters (Gu-rudev) zu verbinden. In seiner strahlenden Form wartet er sehnlich auf uns, um uns mit seinem Segen zu überschütten, so-bald wir zu seinen Füßen kommen. Er ist wie eine ‘Parda-Nashin‘ (verschleierte Frau), die nicht in der Öffentlichkeit erscheinen will. Wenn wir fortfahren, in der Welt zu spielen und uns nicht Ihm zuwenden, liegt der Fehler bei uns. Wir müs-sen uns deshalb bemühen, die Tür zu erreichen, wo Er steht. In dem Augenblick, in dem wir Ihm nahe kommen, wird Er Seine Hän-de ausstrecken, um uns zu halten und uns zu Sich zu ziehen. Seid dessen sicher, Er wird es um Seinen Namens willen tun. Dies ist Seine Wahrheit und Er steht immer für sie ein.

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